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WERTPAPIERE Außer Spesen nichts

Deutschlands Banken wollen Kleinaktionäre veranlassen, ihre Depots aufzulösen und die Papiere gegen Investmentzertifikate einzutauschen. Grund: Die Personalkosten stiegen seit 1969 um etwa 50 Prozent.
aus DER SPIEGEL 37/1972

Die Bank für Handel und Industrie in Berlin, Tochterunternehmen der Dresdner Bank, bat Kleinaktionäre an den Schalter. In Rundbriefen schrieb das Geldinstitut: »Wir haben Ihr Wertpapierdepot analysiert. Gern würden wir deshalb mit Ihnen darüber sprechen.«

Wer zum Beispiel nur zehn Aktien der Industrie-Werke Karlsruhe-Augsburg (Kurswert: 1425 Mark) und zehn Audi-NSU-Genußscheine (Kurswert: 929 Mark) sein eigen nennen konnte. dem eröffneten die Bankleute: »Verkaufen Sie die in kleiner Stückzahl verbuchten Aktien und erwerben Sie dagegen Anteile der (bankeigenen) DIT-Aktienfonds.«

Auch die Deutsche Bank (DB) testete ihre kleinen Wertpapiersparer: »Wir haben uns Ihr Depot angesehen und über die Möglichkeiten nachgedacht«, schrieben DB-Filialen an ihre Kunden. »Sie sollten einmal mit unserem Berater sprechen.«

Mit ihrer Kampagne überraschten die Banker Mini-Spekulanten, die versuchen, mit kleinen Sümmchen an der Börse Geld zu machen. Das viele Kleinvieh ist den Banken zu teuer.

Die Dresdner Bank kam in einer Stückkalkulation für Börsengeschäfte zu dem Ergebnis, daß die Kosten eines einzigen Kundenauftrags mit allen Folgearbeiten bis zu Verwahrung und Verwaltung der Aktien 45 Mark betragen, wenn das Papier in Giro-Sammelverwahrung genommen wird*. Ausschlaggebend für die hohen Kosten sei der Umstand, daß die Personalkosten in den vergangenen drei Jahren um etwa 50 Prozent gestiegen sind.

Bei den bislang berechneten Provisionen für Aktien-Käufe oder -Verkäufe von 0,8 Prozent des Kurswertes kann die Dresdner Bank erst bei einer Order von 5000 Mark Ihre Kosten decken. Bei festverzinslichen Papieren (Provision: 0,4 Prozent) liegt die Rentabilitätsschwelle bei 10 000 Mark.

Bereits vor Monaten stellte deshalb das Frankfurter Bankhaus Gebrüder Bethmann den Inhabern von Aktiendepots unter 10 000 Mark in Rundschreiben die Frage: »Sind Sie mit Ihrem Depot zufrieden?« Die Antwort wurde gleich mitgeliefert: »Das Ergebnis ist enttäuschend. Fast möchte man sagen: außer Spesen nichts gewesen.« Bethmann bot als Alternative den dafür gegründeten »Taunusfonds"« sozusagen als »Vollmachtdepot für alle«.

Götz Knappertsbusch, stellvertretendes Vorstandsmitglied der Commerzbank, möchte die Reihen der Depotkunden noch weiter durchforsten: »Selbst dem mittelgroßen bis größeren Anleger werden heute Rationalisierungs-Vorteile der Investment-Idee eröffnet.« Knappertsbusch denkt an Spezialfonds für einen Mindestbetrag von etwa 50 000 Mark, »eine ideale Lösung, die alle Vorteile des Wertpapiersparens auf sich vereinigt, ohne mit den zeit- und kostenaufwendigen Prozeduren des Direktbesitzes verbunden zu sein«.

Die Trinkaus & Burkhardt-Bank in Düsseldorf nahm wohlhabende Akademiker ins Gebet und empfahl ihnen die Abkehr vom Direktbesitz: »Da haben

* Der Kunde hat dabei keinen Anspruch auf eine bestimmte numerierte Aktie, sondern nur auf irgendeine gleichwertige Aktie der entsprechenden Gesellschaft.

Sie doch auch eine größere Risikostreuung, und Sie kaufen mit dem Fonds-Management eine permanente Beratung ein.«

Tatsache ist: Der Umtausch in Fonds beschert beiden Seiten Vorteile. Die Investment-Anteile werden für den Inhaber normalerweise kostenfrei bei den Banken verwahrt. Darüber hinaus hat der Inhaber Steuervorteile: Beim Fonds wird keine Kapitalertragsteuer abgezogen, und außerdem zahlt der Fonds beim Verkauf von Aktien innerhalb von sechs Monaten keine Spekulationssteuer.

Auch die Bank fährt gut dabei. Wenig rentable Klein-Aufträge, die Limit-Überwachung der Depots (wenn zu bestimmten Kursen ge- oder verkauft werden soll), der Wertpapier-Abrechnungsverkehr mit dem einzelnen Kunden fallen weg. Die Bankangestellten müssen sich nicht mehr mit der Kontrolle der Zins-, Dividenden-, Auslosungs- und Kündigungstermine beschäftigen, sie müssen sich nicht mit Anträgen zur Erstattung von Kapitalertragsteuer befassen und können sich mühselige Arbeiten sparen: etwa Einladungen für Hauptversammlungen zu verschicken und Bezugsrechtsangebote bei Kapitalerhöhungen zu machen. Knappertsbusch: »Bei den Sparprogrammen, die von der Investmentgesellschaft direkt verwaltet werden, entfällt auch die Depotführung für die Bank.«

Die Dresdner Bank in Frankfurt mahnte: »Splitter-Depots mit einer kleinen Anzahl diverser Auslandswerte oder zehn Anleihe-Stücken à 100 Mark Nennwert sind uninteressant.« Allerdings sind von der Umtausch-Aktion, mit der die Berliner Tochter des Instituts die Kundenreaktion vorsichtig testet, Wertpapierkonten von Volksaktionären, die bei der Privatisierung des VW-Werkes, der Preussag und der Veba zu Aktien kamen, ausgenommen worden, ebenso Belegschaftsaktionäre und Wertpapier-Prämiensparer.

Dem guten Rat an zu kurz geratene Aktionäre, die Finger von der Börse zu lassen, folgte schließlich der Druck mit höheren Provisionen. Am Freitag letzter Woche erhöhte die Dresdner Bank ihre Börsenprovision um 25 Prozent, die Deutsche Bank hat ihre Gebühren bereits vor einigen Wochen angehoben. Die anderen Institute werden folgen. Bestätigt die Commerzbank: »Wir sind im Stadium der Erörterungen.«

Ohnehin knöpfen die Geld-Institute den Klein-Anlegern mehr Geld ab als Großkunden: Sie verlangen Mindestprovisionen. Das dem Gerling-Konzern nahestehende Bankhaus I. D. Herstatt in Köln zum Beispiel berechnet zehn Mark pro Auftrag. Robert Fischer, Börsenchef der Herstatt-Bank: »Erst bei einem Aktienauftrag von 1300 Mark deckt sich die Mindest-Gebühr mit dem jetzigen Provisionssatz von 0,8 Prozent. Darunter lohnt es sich nicht.«

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