Autos Made in China Tag der geschlossenen Tür
Frankfurt am Main - Über zu wenig Besucher auf seinem Messestand in Halle vier der IAA kann sich Peter Bijvelds nicht beschweren. Seit vor wenigen Monaten bekannt wurde, dass der Niederländer für den chinesischen Autobauer Jiangling das Offroad-Modell Landwind nach Europa importiert, ist der hochgewachsene Mann mit den schwarzen Locken und dem Konfirmanden-Gesicht einer der bekanntesten Autohändler des Kontinents.
Kein Wunder, der Landwind ist das erste Auto made in China, das hier im großen Stil angeboten wird. Und nun tummelt sich die Motorpresse bei Bijvelds Stand. Fünf Minuten in Ruhe mit ihm zu reden, ist ein Kunststück. Ständig klingelt das Handy oder ein TV-Team bittet um ein kurzes Statement. Bijvelds genießt den Trubel offensichtlich, jeden Gesprächspartner behandelt er, als ob der an diesem Tag der Einzige wäre und kümmert sich selbst um Getränke. Mit Bijvelds ist man schnell, per du.
Treffpunkt der Exoten
Nicht nur Bijvelds und sein Landwind sorgen in Halle vier für Aufsehen. Der Raum ist der Treffpunkt der Exoten. Neben Jiangling präsentieren mit Geely und Brilliance zwei weitere chinesische Hersteller erstmals ihre Modelle auf der weltweit wichtigsten Branchenschau in Frankfurt.
Deren Auftritt hat schon im Vorfeld der Messe für Furore gesorgt. Zermürbt von wilden Rabattschlachten und Überkapazitäten fürchten europäische Autokonzerne die asiatischen Billigheimer. Während die Lohnkosten pro Stunde in einigen Teilen Deutschlands nach Angaben des Center of Automotiv Research in Ann Abor 36 Dollar erreichen, zahlen die Hersteller in China weniger als einen Dollar. Entsprechend günstig sind die Autos aus der Volksrepublik.
Zudem scheuen sich Chinesen nicht, beim Design ihrer Fahrzeuge hemmungslos bei den Europäern abzukupfern. Das Logo von Geely (sprich Dschilie) etwa sieht dem der Volkswagen-Tochter Skoda recht ähnlich. Dessen ungeachtet präsentiert sich das Unternehmen als Heilsbringer für knauserige Kunden im Westen. "Wir bauen Autos, die sich jeder leisten kann", versprechen die Geely-Verantwortlichen. Ab 2007 will der Hersteller die komplette Modellpalette anbieten, vom Kleinwagen bis zum Sportcoupé. Bijvelds will dem Lizenzvertrag mit Jiangling zufolge seinerseits den Landwind-Absatz im kommenden Jahr auf 2000 verdoppeln. 2007 will er auf 4000 verkaufte Fahrzeuge kommen.
Am Messestand herrscht Tristesse
Dass die Chinesen neu sind in Frankfurt, merkt man auch an ihrem Messeauftritt. Der Stand, auf dem Brilliance seine Limousine Zhonghua ausstellt, wirkt gegenüber den Hochglanzauftritten der Konkurrenz beinahe schäbig. Geely treibt es bunter und lässt stark geschminkte Damen eine Peking-Oper auf engstem Raum aufführen. Allerdings registrieren selbst Uneingeweihte schnell, dass hier - vorsichtig ausgedrückt - nicht gerade die erste Garde tanzt. Auch der Modellkatalog wirkt trotz des Hochglanzpapiers eher wie eine Heimarbeit. Die teils seltsamen Montagen sorgen für Heiterkeit.
Der niedrige Preis scheint das einzige Argument zu sein, mit dem die Chinesen punkten wollen. Denn viel mehr als einen Blick auf die Karossen von außen lassen sie nicht zu - sämtliche Autos sind abgeschlossen. Die Bitte um eine Sitzprobe wird mit freundlichem Lächeln abgelehnt. Während andere Hersteller bis auf Einzelfälle in der Luxusklasse den Tag der offenen Autotür feiern, muss bei Geely und Brilliance also der Blick durch die Scheibe genügen, um Design und Verarbeitung des Interieurs zumindest zu erahnen.
Fürchten Chinas Autobauer, ihre Exponate könnten den Härtetest von zwei Wochen Messe nicht überstehen? Die Knöpfe aus billigem Plastik sehen nicht gerade sehr robust aus. Auch die Polsterstoffe erwecken nicht den Eindruck, als ob sie besonders schmutzabweisend seien. Der mäßige Qualitätseindruck verstärkt sich, wenn man die Karosserien genauer betrachtet. Obwohl hilfreiche Geister emsig bemüht sind, jeden Fingerabdruck sofort zu tilgen, lässt der Lack jeden Glanz vermissen, die Autos wirken eher wie aufgearbeitete Gebrauchte. Auch der Chromzierrat trägt nicht dazu bei, das Gefühl von Wertigkeit entstehen zu lassen. Das liegt vor allem daran, dass der Chrom nicht wie sonst üblich auf Metallleisten aufgebracht ist, sondern auf Plastik.
Das Echo ist groß
Anders als seine chinesischen Wettbewerber macht Landwind-Importeur Bijvelds kein Geheimnis um die Defizite des Geländewagens. Ja, erklärt er, viele Teile seien aus Plastik und wirkten nicht gerade edel. Auch gebe es eine Ähnlichkeit zum früher von Opel verkauften Off-Roader Frontera. "Jiangling hat mir aber gesagt, dass sie den Wagen allein entwickelt haben", sagt er mit unschuldiger Mine. Zudem muss er die Autos immer noch umrüsten, damit sie die hiesige Abgasnorm erfüllen. Ein elektronisches Stabilitätssystem fehlt ebenfalls. "Das kommt 2006", gelobt der Importeur. Nur den Vorwurf, dass der Fonds eng sei, will er nicht gelten lassen und bittet zum Probesitzen - An Bijvelds Stand sind alle Wagen offen.
Die Kunden scheinen die Billigelemente in dem Blechmonster nicht zu stören. "Wir sind überrascht. Der Landwind verkauft sich besser, als wir dachten", sagt Bijvelds. 200 Exemplare hat er binnen kurzer Zeit abgesetzt, 500 weitere sind bei Jiangling bestellt. Der Erfolg hat seinen Grund im Preis. 15.000 Euro zahlen Käufer in Deutschland für den Landwind, viel Blech für wenig Geld. Die Kundschaft ist laut Bijvelds bunt gemischt: Fahranfänger mit schmalen Geldbeutel, Ehegatten, die für die Frau einen Zweitwagen zum Einkaufen ordern, oder der Mittelständler, der ein preiswertes Vehikel für die Firma braucht.
Ob die Nachfrage sich so stürmisch weiterentwickelt, wie in den letzten Wochen, bleibt jedoch nach dem jüngsten Crashtest des ADAC zunächst abzuwarten. Dort nämlich lieferte der Landwind das schlechteste Ergebnis aller Zeiten ab. Die Fahrgastzelle brach beim Frontalcrash mit 64 Stundenkilometern vollständig zusammen. Die A-Säule verschob sich um fast 30 Zentimeter nach hinten, das Lenkrad drang in den Innenraum vor und der Fußraum wurde total zerstört. "Der Fahrer hätte keine Überlebenschance gehabt", lautet das Fazit von Max Lang, Cheftechniker des österreichischen Partnerclubs ÖAMTC. Beim Seitencrash mit 50 Stundenkilometern stellten die Sicherheitsexperten ebenfalls schwere Kopf- und Brustverletzungen fest. Der Wagen verfügt weder über Verstärkungen in den Türen noch über Seitenairbags.
Vertriebsnetz wächst mit hohem Tempo
Das Ergebnis hat heute Morgen auch Bijvelds alarmiert. Er werde mit dem Hersteller über Nachbesserungen verhandeln, verspricht er. Viel Hoffnung machen sollte er sich allerdings nicht. Maßnahmen zur Verbesserung des Crashverhaltens sind nachträglich nur mit großem Aufwand vorzunehmen.
Sei's drum - für den jungen Generalimporteur ist das Geschäftsrisiko ohnehin nicht sehr groß. Er vertreibt die Wagen lediglich auf Kommissionsbasis. Dafür ist sein eigener Verdienst nach eigenen Angaben mit ein bis zwei Prozent auch recht gering.
Eine größere Spanne streichen die Vertragshändler ein, die anschließend auch für Service- und Garantieleistungen zuständig sein werden. Stolz reicht Bijvelds eine Liste mit rund 40 Autohäusern in Deutschland herum, die den Landwind anbieten wollen. "Es werden immer mehr", verkündet der Niederländer. Angesichts des Erfolgs plant er nun weitere Kooperationen. Im kommenden Jahr will er ein weiteres Jiangling-Modell einführen.
Bis dahin sichert der junge Niederländer dem Jiangling-Konzern schon durch seinen gewinnenden Auftritt ein gutes Image, selbst wenn die Verkäufe nach dem ernüchternden Testdaten weniger hoch ausfallen sollten.