Übungsflüge gefährden Ausbau Windkraft-Nachzügler Baden-Württemberg legt sich mit Bundeswehr an

Baden-Württemberg sieht sich beim Ausbau der erneuerbaren Energien im Verzug – und die Schuld bei der Bundeswehr, die ihre Flugkorridore stark ausweitet. Denn wo Hubschrauber tief fliegen, dürfen keine Windräder stehen.
Seltenes Bild: Windräder in Baden-Württemberg

Seltenes Bild: Windräder in Baden-Württemberg

Foto: Thomas Warnack / dpa

Beim Ausbau der Windkraft sieht sich Baden-Württemberg durch Übungsflüge der Bundeswehr ausgebremst. Probleme bereiten unter anderem die seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine ausgeweiteten Tiefflugkorridore für Hubschrauber. In einem Schreiben an Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) beklagen das Landesumwelt- und das Verkehrsministerium die von der Bundeswehr zusätzlich beanspruchten Flugkorridore.

Eingeschränkt sieht sich das Land auch durch die sogenannte Radarmindestführungshöhe vor allem rund um die Flugplätze Niederstetten (Main-Tauber-Kreis) und Laupheim (Kreis Biberach). Gemeint ist damit die niedrigste Flughöhe, die einem Piloten vom Fluglotsen im Normalbetrieb zugewiesen werden darf.

Dem Land bereite dies beim Ausbau der Windkraft »gehörige Schwierigkeiten«. Für neue Windkraftanlagen seien die Flächen in einem großen Maße nicht nutzbar. Der jüngste Brief mag überraschen. Denn eigentlich hatte es für beide Seiten erst vor Kurzem in einem ähnlichen Streit eine Lösung gegeben. Zuerst hatte die »Südwest Presse« am Samstag aus dem Brief zitiert.

Elf Prozent der Landesfläche betroffen

Betroffen seien allein im Kreis Biberach fast 70 Prozent der Kreisfläche, in der Region Donau-Iller 60 Prozent. Die ausgeweiteten Korridore für Hubschraubertiefflugstrecken beträfen mittlerweile ein Gebiet von rund elf Prozent der baden-württembergischen Landesfläche. »Bei einem Blick auf die Karte stellt sich die Frage, ob diese Strecken in dieser Anzahl und Ausmaß wirklich zu Übungszwecken benötigt werden«, argumentieren die Regierungsmitglieder. »Auch wurden Strecken teilweise über bereits überplante Gebiete gelegt.«

Das Bundesverteidigungsministerium solle beim Überprüfen des Streckenbedarfs nicht nur den militärischen Bedarf berücksichtigen, bitten Umweltministerin Thekla Walker und Verkehrsminister Winfried Hermann (beide Grüne). Es solle auch speziell ein Fokus auf die Flächen gelegt werden, die für die Windkraft geeignet seien. »Wir sind davon überzeugt, dass in den dargestellten Bereichen durchaus Raum für Lösungen besteht, welche ein Miteinander der militärischen Bedürfnisse und das Voranbringen der Energiewende ermöglichen«, schreiben beide.

Grünes Licht für Windpark im Altdorfer Wald

Kein wirklich neuer Streit: Immer wieder kommen die Korridore dem Windkraftausbau in die Quere. Zuletzt ging es dabei um Hubschrauber-Übungsstrecken im Altdorfer Wald. In dem Staatswald und einem zusätzlich gepachteten Forst des Hauses Waldburg-Wolfegg-Waldsee soll eine der größten Windkraftanlagen Baden-Württembergs entstehen. Auf insgesamt 2000 Hektar sollen mehr als 40 Windräder aufgestellt werden, die Strom produzieren.

Flugkorridore auf elf Prozent der Landesfläche: Der Spezialkräftehubschrauber H145M ist beim Hubschraubergeschwader 64 in Laupheim (Kreis Biberach) stationiert

Flugkorridore auf elf Prozent der Landesfläche: Der Spezialkräftehubschrauber H145M ist beim Hubschraubergeschwader 64 in Laupheim (Kreis Biberach) stationiert

Foto: Björn Trotzki / imago images / Björn Trotzki

Umweltministerin Walker hatte der Bundeswehr im vergangenen Herbst vorgeworfen, das Projekt durch eine Ausweitung von Übungsrouten für das Laupheimer Hubschraubergeschwader 64 zu gefährden. Damals wandte sie sich bereits in Briefen an die Bundesregierung. Die Vorwürfe wies das Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr in Bonn zurück und sprach von einer bloßen Reaktivierung alter Routen. Nun gibt es anscheinend grünes Licht für den dortigen Ausbau. Walker und Hermann schreiben, man habe das »mit großer Freude und Erleichterung aufgenommen«.

Das Land ist dringend angewiesen auf Flächen für neue Windräder. Zwar wurde zuletzt die Zahl der genehmigten Windräder erhöht, beim stark angestrebten Ausbau der Anlagen kommt Baden-Württemberg aber nicht wesentlich vom Fleck. Nach neuen Zahlen der Bundesnetzagentur wurden im vergangenen Jahr nur 41 Windkraftanlagen genehmigt. In Niedersachsen waren es im selben Jahr hingegen 196 neue Räder, in Nordrhein-Westfalen 184. Im selben Zeitraum wurden im Südwesten auch nur neun neue Anlagen errichtet, in NRW hingegen 68 und in Niedersachsen 67.

Laut Bundesnetzagentur stehen in Baden-Württemberg inzwischen rund 770 Windkraftanlagen. Unter den Flächenländern hatte im Januar nur noch Sachsen weniger Windräder.

ahh/dpa
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