Bahn-Gewerkschaft GDBA "Die Gehaltsforderungen der Lokführer sind völlig überzogen"

Spaltung statt Solidarität, Lohnutopien statt Realismus: Die anderen Bahn-Gewerkschaften sind schwer frustriert über die Lokführer. GDBA-Chef Hommel kritisiert die Aggressivität der GDL - und warnt im SPIEGEL-ONLINE-Interview davor, dass der Schuss am Ende nach hinten losgeht.

SPIEGEL ONLINE: Die Bahn und die Lokführergewerkschaft GDL liegen heftig im Clinch miteinander. Über wen ärgern Sie sich mehr?

Hommel: Wir finden natürlich auch, dass Tarifverhandlungen geführt werden sollten, statt alles vor Gericht auszutragen...

SPIEGEL ONLINE: ...das sagt auch die GDL.

Hommel: Allerdings ist das grundsätzliche Streikrecht nicht dadurch gefährdet, dass ein Gericht entscheidet, dass die GDL bis Ende September nicht streiken darf. Es gibt klare Punkte, wann Streiks rechtswidrig sind. Es wäre natürlich besser gewesen, wenn die GDL unser Angebot angenommen hätte, gemeinsam mit der Tarifgemeinschaft Transnet/GDBA mit der Bahn zu verhandeln. Aber die Kollegen haben sich leider anders entschieden. Ihnen geht es ja in erster Linie um einen eigenen Spartentarifvertrag...

SPIEGEL ONLINE: ...und eine deutlich bessere Bezahlung der Lokführer. Finden Sie diese Forderung nicht berechtigt, zumal im europäischen Vergleich?

Hommel: Die GDL spricht nur über Arbeitszeit und Bezahlung - das allein macht noch keinen Tarifvertrag. Sie fordert 31 Prozent mehr Bezahlung - was völlig überzogen ist. Sie will einen eigenständigen Tarifvertrag - was rechtlich überhaupt nicht möglich ist, weil der Gesamttarifvertrag auch für die GDL noch gilt, den wir 2005 mit der Bahn abgeschlossen haben. Die GDL hat diesen Vertrag damals ebenfalls unterschrieben.

SPIEGEL ONLINE: Ein Lokführer in der Schweiz verdient gut 1000 Euro mehr als einer bei der deutschen Bahn.

Hommel: Aber dann schauen Sie sich mal an, wie hoch die Lebenshaltungskosten in der Schweiz sind. Solche Faktoren muss man auch berücksichtigen.

SPIEGEL ONLINE: 31 Prozent sind in absoluten Zahlen gar nicht so viel. Ein deutscher Lokführer verdient netto rund 1500 Euro.

Hommel: Ich will mich nicht auf Zahlenspielereien einlassen. In Deutschland wurden Tarifverhandlungen aus gutem Grund nie mit Nettobeträgen geführt. Als Gewerkschaft können wir Bruttobeträge vereinbaren, das einzelne Netto ist wegen Steuern und Sozialabgaben ganz unterschiedlich. Die GDL arbeitet mit Maximalzahlen, die wir nicht bestätigen können. Deshalb führe ich diese Diskussion nicht.

SPIEGEL ONLINE: Man hört bei Ihnen eine gewisse Frustration über die GDL heraus.

Hommel: Wir haben zur GDL immer gesagt: Kommt an den Verhandlungstisch zurück. Wir verhandeln seit fast zwei Jahren über ein neues Entgeltsystem, in dem die GDL-Forderungen wahr werden könnten. Aber die Kollegen haben die Gespräche mit dem Bahnvorstand nicht aufgenommen, obwohl sie sich dazu verpflichtet hatten.

SPIEGEL ONLINE: Vielleicht kann die GDL auf eigene Faust mehr für die Lokführer aushandeln.

Hommel: Im derzeitigen Tarifvertrag ist ein Lokführer genauso eingestuft wie ein Fahrdienstleiter, der Signale und Weichen stellt. Beide machen eine verantwortungsvolle Arbeit. Weshalb sollte man sie bei der Bezahlung unterschiedlich bewerten?

SPIEGEL ONLINE: Eine vernünftige Bewertung der Leistungen von Bahn-Mitarbeitern ist nicht gerade einfach, wenn drei Gewerkschaften miteinander wetteifern.

Hommel: Mit Sicherheit ist das ein Problem. Bis 2002 waren wir mit der GDL in einer Tarifgemeinschaft. Wir wollten schon damals mit der Transnet zusammenarbeiten, um gemeinsam im Dreierverbund schlagkräftiger zu werden, das hat die GDL abgelehnt. Daran ist unsere Kooperation zerbrochen. Seit zwei Jahren gibt es nun eine Tarifgemeinschaft zwischen Verkehrsgewerkschaft GDBA und Transnet ohne GDL - trotz mehrerer Kooperationsangebote. Die GDL kann doch nicht einfach die gesamten Tarifregelungen bei der Bahn zerstören, nur um ihre Interessen durchzufechten.

SPIEGEL ONLINE: Zerbricht jetzt die Mitarbeiter-Solidarität im Konzern?

Hommel: Die Stimmung ist sehr angespannt. Leider gab es unschöne Vorkommnisse - Streit unter Kollegen, Veröffentlichungen, in denen man sich gegenseitig angreift. Die Kollegen der GDL polarisieren sehr stark, das hat Folgen für das Betriebsklima. Die Auseinandersetzungen müssen jetzt aufhören.

SPIEGEL ONLINE: Sie als GDBA können ja damit anfangen.

Hommel: Unsere Kollegen haben kein Verständnis dafür, dass die Lokführer sich aus der Solidargemeinschaft verabschieden. Sie sagen mit Recht: Wenn wir nicht arbeiten, fahrt ihr überhaupt nicht durch die Gegend. Unsere Mitglieder sind nicht diejenigen, die den ersten Schritt machen müssen.

SPIEGEL ONLINE: Woran scheitert die Annäherung an die GDL?

Hommel: GDL-Chef Manfred Schell will seine Laufbahn unbedingt mit einem eigenständigen Tarifvertrag krönen. Er hat sich in diese Ecke manövriert und kommt nicht mehr raus. Falls er sich durchsetzt, wollen als nächstes die Fahrdienstleiter einen eigenen Tarifvertrag, dann die Rangierer, dann alle Berufsgruppen der Bahn. Am Ende könnte der Arbeitgeber Keile zwischen sie treiben. Das würde auch den Lokführern schaden.

SPIEGEL ONLINE: Aber warum sollen die Lokführer jetzt nicht für mehr Geld kämpfen dürfen?

Hommel: Derzeit brummt die Konjunktur, Lokführer werden gesucht - vor allem im Güterverkehr. Aber sie werden auch die ersten sein, die keinen Job mehr haben, wenn es abwärts geht. Wer bei der Bahn den Job verliert, kam bisher woanders im Konzern unter. Bei einem eigenständigen Tarifvertrag für Lokführer wäre das nicht mehr möglich. Das verschweigt Schell.

SPIEGEL ONLINE: Ist Bahn-Chef Hartmut Mehdorn am Ende der Gewinner?

Hommel: Schell gegen Mehdorn, zwei Dickköpfe im Kampf - das klingt alles so schön. Aber Mehdorn hat den Auftrag, das Unternehmen gut zu führen, und was derzeit läuft, ist für die Bahn schädlich: weil es eine Menge Geld kostet und die Mitarbeitervertretung in Zukunft auch nicht einfacher wird.

SPIEGEL ONLINE: Das klingt arbeitgeberfreundlich für einen Gewerkschafter.

Hommel: Diesen Vorwurf inszeniert die GDL - als gäbe es eine Allianz von GDBA, Transnet und Bahn-Vorstand. Das sind Stammtischparolen. Gewerkschaften müssen eine realistische Politik machen, für unsere Mitarbeiter, für das Unternehmen. Manchmal sind wir uns eben mit Herrn Mehdorn einig. Wir können doch nicht aus Prinzip Neinsager sein.

Das Interview führte Hasnain Kazim 

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