Bahn-Tarifstreit Bundesregierung warnt vor Eskalation

Die Bundesregierung wird langsam nervös angesichts der absehbaren Eskalation im Tarifkonflikt bei der Deutschen Bahn. Kanzlerin Merkel rief zu Besonnenheit auf. Wirtschaftsminister Glos spricht gar von einer Gefahr für die Konjunktur. SPD-Politiker stellten sich klar auf die Seite der Bahn.

Frankfurt am Main – Das Ultimatum der GDL macht den Politiker große Sorgen. Die Lokführergewerkschaft hatte dem Konzern eine neue Frist bis Montag gesetzt und mit einer drastischen Verschärfung der Streiks für den Fall gedroht, dass das Unternehmen kein neues Angebot vorlegen sollte. "Wenn der Bahn die Kunden nicht völlig egal sind, sollte sie dies tun", sagte GDL-Chef Manfred Schell. Andernfalls könne gleichzeitig im Fern-, Nah- und Güterverkehr gestreikt werden.

Damit aber ist die Eskalation des Konflikts programmiert, denn die Bahn hat bereits klar gestellt, dass sie kein neues Angebot vorlegen werden. "Auf uns kommt eine schwierige Woche zu. Ich gehe davon aus, dass die Streiks ausgeweitet werden", sagte Aufsichtsrat Georg Brunnhuber der "Bild am Sonntag". Er wolle die Einberufung eines Schlichters vorschlagen.

Die Aussicht auf flächendeckende Arbeitsniederlegungen im Güter- und im Personennah- und Fernverkehr ist aber für Berlin alles andere als verlockend. Allen voran Bundeswirtschaftsminister Michael Glos treibt die Sorge um, der Arbeitskampf könnte der Konjunktur schaden. "Der robuste Aufschwung ist ohnehin schon durch einen hohen Ölpreis und einen starken Euro belastet, sagte er der "Bild am Sonntag". In dieser Situation sei ein Streik, der den Güterverkehr stark behindere, Gift für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung. SPD-Chef Kurt Beck forderte ebenso wie SPD-Fraktionschef Peter Struck die Bahn-Führung auf, im Tarifkonflikt hart zu bleiben: "Ein Betrieb, ein Tarifvertrag - das hat Stabilität gegeben, und es hat davor bewahrt, dass jede Spezialgruppe eigene Regelungen erzwungen hat", sagte er in der ARD.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mahnte Bahn und GDL zu Besonnenheit und Kompromissbereitschaft. Sie wolle "alle Beteiligten aufrufen, dass sie ihrer Verantwortung gerecht werden", sagte Merkel heute in der ARD-Sendung "Bericht aus Berlin". "Das erfordert ein Aufeinander-Zugehen von allen Seiten. Mit dem Kopf durch die Wand wird nicht gehen. Da siegt zum Schluss immer die Wand", meinte die Kanzlerin

Auch Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) appellierte an die Konfliktparteien, wieder miteinander zu reden: "Die Schäden gehen in die Millionen. Sie betreffen Ost wie West, aber ganz besonders den Osten unseres Landes. Deshalb der dringende Appell an die Tarifpartner, an einen Tisch zu kommen", sagte er in der ARD. Der Bund könne sich zwar nicht aktiv einmischen, wolle aber auf eine "sachliche Form der Auseinandersetzung" dringen, sagte der SPD-Politiker der "Leipziger Volkszeitung".

Der 42-Stunden-Ausstand im Güterverkehr war gestern um 6 Uhr zu Ende gegangen. Zuletzt standen fast alle Güterzüge still. Vor allem in Ostdeutschland ging nichts mehr. Bei der GDL hieß es, 2600 streikende Lokführer hätten weit mehr als 1300 Züge gestoppt. Die Bahn sprach von "definitiv weniger" ausgefallenen Zügen und lediglich 1500 Streikenden.

Zu einem Produktionsstillstand sei es aber bei keinem der Bahn-Kunden gekommen, sagte Transport-Vorstand Norbert Bensel: "Versorgungsrelevante Züge sind gerollt". Der volkswirtschaftliche Schaden, den die GDL durch Ausfälle und Verspätungen bei den Kunden verursacht habe, sei aber immens.

Die Metallindustrie warnte vor den Folgen längerer Arbeitsniederlungen: "In der Metall- und Elektroindustrie treten meist schon nach drei Tagen ohne Lieferungen Materialverknappungen auf, speziell in der jetzigen Phase weltweiter Warenengpässe", sagte der Gesamtmetall-Chef Martin Kannegießer. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hält noch höhere Treibstoffpreise für möglich, wenn der Lokführerstreik ausgeweitet werden sollte.

Zu weiteren Streiks auf der Schiene könnte der Konflikt um die Bahn-Privatisierung führen: Die Gewerkschaft Transnet wolle notfalls alles tun, um den Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung zu erhalten, sagte Transnet-Sprecher Michael Klein.

Nach "SPIEGEL"-Informationen könnte Bahn-Chef Hartmut Mehdorn im Falle eines Scheiterns der Teilprivatisierung zurücktreten. Sollte es nicht zur geplanten Beteiligung privater Investoren kommen, hätten Mehdorn selbst, aber auch Teile des Aufsichtsrats bereits über einen solchen Schritt nachgedacht. Einen Nachfolger soll Aufsichtsrats-Chef Werner Müller auch schon gefunden haben.

mik/AP/ddp/dpa/Reuters

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