Bahn-Tickets Kunden beklagen Chaos und Karten-Mangel bei Lidl

Am Morgen ist bei Lidl der Sonderverkauf von billigen Bahn-Tickets angelaufen. In vielen der bundesweit 2600 Filialen hieß es sehr schnell: "Ausverkauft!". Kunden klagten, sie seien trotz langer Wartezeit leer ausgegangen - es habe oft nur sehr wenige Tickets gegeben.

Berlin - Wegen des großen Andrangs öffneten mehrere Filialen bereits vor acht Uhr morgens, vielerorts mussten Sonderkassen eingerichtet werden. Nach Öffnung der Türen stürmten die Wartenden direkt zu den Kassen. "Die Leute wollten nur die Tickets kaufen, keine Lebensmittel", berichtete eine Lidl-Kundin in Stuttgart.

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Ticket-Verkauf: Chaos und Gedrängel bei Lidl

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In vielen Großstädten war das Bild ähnlich: So gab es in Berlin beispielsweise eine Schlange von rund 40 Metern vor einer Filiale in der Greifswalder Straße im Prenzlauer Berg. Vor einer Filiale in der Frankfurter Innenstadt warteten 300 Menschen. Dort standen nach Lidl-Angaben 450 Karten zum Verkauf; pro Person gab es maximal sechs Stück. In Hamburg war der Ansturm ähnlich groß. Einige Geschäfte meldeten schon kurz nach Öffnung "Ausverkauft", während noch Hunderte Menschen warteten. Offiziell sollte die Aktion bis zum 28. Mai befristet sein.

In vielen Filialen konnten sich enttäuschte Kunden mit ihrer Telefonnummer in Listen eintragen. Nach Auskunft von Lidl-Verkäufern sollten sie auf jeden Fall noch Karten bekommen. Dazu sollten noch Karten aus Lidl-Filialen nachgeliefert werden, wo der Andrang nicht so groß war.

Lesermails: "Die Stimmung war recht aggressiv"

In Mails an SPIEGEL ONLINE klagten Leser schon am Morgen über schlechte Organisation und Mangel an Karten. Ein Leser nannte die Aktion "in höchstem Maße unseriös". So habe er schon um neun Uhr keine Karten mehr erhalten. Sein Fazit: "Nichts als heiße Luft".

In einer Leser-Mail aus Frankfurt hieß es: "Bereits nach fünf Minuten sagte die Verkaufsleiterin, dass die Kassen nur noch ein paar Karten übrig haben. Aber alle wollten dies nicht glauben und warteten noch weiter." Der Leser schätzte, dass in dieser Filiale nur maximal 20 Kunden Karten erhalten hätten. Dann seien die Wartelisten ausgeteilt worden. "Die Stimmung war daraufhin recht aggressiv."

Eine Hamburger Kundin, die in zwei Filialen in Altona leer ausgegangen war, sagte: "Diese Listen sind meiner Meinung nur dazu da, die Kunden ruhig zu stellen. Die sind ja nicht mal nummeriert." Mehrere Leser kritisierten die Aktion als bloßes Lockangebot. Zwei kamen sogar zu dem Schluss: "Ich werde jetzt bei Aldi einkaufen."

Lidl-Chef: Wir waren erstaunt, aber gut vorbereitet

Lidl-Geschäftsführer Andreas Franzke sagte im ARD-Morgenmagazin, man sei von dem Ansturm absolut überrascht. Man habe sich "organisatorisch und mengenmäßig" aber gut vorbereitet. Die Bahn zeigte sich hochzufrieden mit der einmaligen Sonderaktion. "Für uns ist das ein großer Erfolg", sagte Konzernsprecher Gunnar Meyer.

Obwohl das Angebot rasend schnell vergriffen war, wolle die Bahn keine zusätzlichen Tickets nachliefern. Es werde in absehbarer Zeit keine weitere Verkaufsaktion bei Lidl, wohl aber andere Billigangebote.

Die Bahn ließ bei Lidl erstmals die Hefte mit je zwei Fahrkarten für insgesamt 49,90 Euro verkaufen. Die Tickets gelten bis 3. Oktober für beliebig weite Fahrten zweiter Klasse innerhalb Deutschlands. In ICE-Sprintern und den Nachtzügen müssen laut Bahn Zuschläge bezahlt werden.

Nach letzten Angaben wurden rund 520.000 Ticket-Heftchen verkauft. Das entspräche pro Lidl-Filiale 200. Falls jeder Kunde die Maximalzahl von sechs Heften gekauft hätte, würde dies bedeuten, dass rechnerisch in jeder Filiale nur die 33 ersten Kunden zum Zug kommen konnten. Die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs richtet sich auf Beschwerden ein, weil zu wenig Tickets vorrätig waren.

Kritik von den Warentestern und Reisebüros

Die Stiftuing Warentest forderte die Bahn auf, auch am Schalter Billig-Fahrscheine anzubieten. "Die enorme Nachfrage zeigt, dass das normale Preissystem nicht in Ordnung ist", sagte der Bahn-Experte der Verbraucherschutzorganisation, Michael Koswig, am Donnerstag der Nachrichtenagentur dpa. Vor allem auf längeren Strecken sei die Deutsche Bahn zu teuer.

Deshalb solle der Konzern sein Preissystem überprüfen und billigere Fahrscheine auch im regulären Verkauf anbieten. Die Stiftung hatte schon vorab zu den entschiedensten Kritikern der Aktion gehört. Sie monierte, die Bahn mache ihren Tarifdschungel immer unübersichtlicher.

Der Deutsche Reisebüroverband DRV hatte sich sogar dafür ausgesprochen, die Aktion zu stoppen. Die Aktion diskriminiere die 3200 Reisebüros mit Bahn-Lizenz. Der Verband unterstütze daher ein Büro, das den vom 19. Mai an geplanten Verkauf bei Lidl per einstweiliger Verfügung vor Gericht verbieten lassen wolle. Der Antrag sei aber erst am Dienstag eingegangen, so ein Sprecher des Gerichtes in Frankfurt. Eine Entscheidung ist bis zum späten Vormittag nicht gefällt worden.

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