Banker Sir Stanford Vom Dandy zum bösen Milliardär
Hamburg - Die Hochglanzbroschüren der Stanford International Bank machen ein großes Versprechen: Das Unternehmen sei "eine private Institution, deren Ziel es ist, sich ganz auf die Nummer-eins-Priorität zu konzentrieren, nämlich auf die Kunden". Wie erfolgreich die SIB dabei sei, zeige sich daran, dass sie eine "Premiumrendite" einfahre, rühmt sich die Bank darin.
Ihr Gründer Sir Richard Allen Stanford bemühte sich um eine wohlhabende Klientel, die ihr Geld möglichst gewinnträchtig und möglichst fern von staatlichen Ansprüchen anlegen wollten. Daher firmierte das Unternehmen auch in der Steueroase Antigua.
Die Karibik, die Welt der Reichen und Schönen an palmenumsäumten Stränden - das ist die Welt von Sir Robert Allen Stanford. Der seinen Kunden zweistellige Traumrenditen versprach. Und der sich gerne mit der politischen Elite der karibischen Inselwelt umgab und auch mal US-Politprominenz zu seinen Firmenveranstaltungen einflog.
Stanford ist eine schillernde Figur, ein 58-jähriger Dandy, dem die Jet-Set-Welt vertraute, vor allem in Lateinamerika. Etwa ein Drittel der acht Milliarden Dollar Einlagen der SIB stammen von Anlegern aus Venezuela, wo Präsident Hugo Chávez Regierung, Parlament und Justiz kontrolliert und sich gerade die Macht auf viele Jahre hinaus gesichert hat. Da bringt man sein Geld aus Sorge vor Unruhen und politischer Instabilität lieber ins Ausland.
Dass die Versprechen Stanfords womöglich gar nicht gehalten werden konnten, dass die Festgeldzertifikate Luftschlösser waren, die seine Bank da verkaufte, kam keinem in den Sinn. Wer so von Regierungschefs umworben wird, wem sogar die Ehre des Ritterschlags durch den Premier von Antigua zuteil wird, der kann doch kein Betrüger sein.
Großer Auftritt per Hubschrauber
Kritiker, Konkurrenten und Feinde von Stanford machten sich gelegentlich über das "Sir" lustig. Das sei schließlich kein von der britischen Krone verliehenes Sir, sondern nur eines von einem mickrigen Commonwealth-Staat. Aber dem Milliardär war das egal. Unbeirrt führte er den Adelstitel im Namen. Er liebte den großen Auftritt per Hubschrauber, wenn er von seinem Wohnsitz in St. Croix auf den Jungferninseln zu einem Termin reiste. Und da Adel verpflichtet, finanzierte er großzügig Golf- und Cricketverbände. Auf großen Turnieren ließ er sich als Mäzen feiern.
Selbst nach dem Zusammenbruch der Finanzmärkte im Herbst 2008 schöpfte kaum einer Verdacht gegen den Banker aus Texas. Und auch als der milliardenschwere Betrugsfall um den Ex-Broker Bernard Madoff aufflog, konnte Stanford seine Geschäfte weiterbetreiben - und die Gier seiner Kunden weiter ausnutzen. Hier und da gab es Aufregung, einige Investoren wollten wissen, inwiefern Stanford geschäftlich mit Madoff zu tun hatte und ob er ihr Geld durch das Madoff-Schneeballsystem verloren hatte. Nein, beruhigten SIB-Vertreter, man habe mit Madoff nichts zu tun, das Geld sei sicher.
Erst als die US-Börsenaufsicht SEC am Dienstag Zivilklage gegen Stanford und seine Stanford Group einreichte und als Bundesbeamte und die Regulierungsbehörden von Texas und Florida Ermittlungen gegen Stanford, zwei Vertraute und seine Unternehmen aufnahmen, erst als US-Marshals die Büros in Houston durchsuchten und von Verbindungen zwischen Stanford und Madoff und von betrügerischen Renditeversprechen über Jahre hinweg die Rede war, kam den Anlegern in den Sinn, dass sie vielleicht aktiv werden müssten, um ihre Investitionen zu retten.
Lange Schlangen vor den Bankfilialen
Doch da war es wohl schon zu spät. Stanford und seine Vertrauten haben womöglich die gesamten Einlagen - acht Milliarden Dollar - veruntreut, heißt es. Verzweifelt versuchen Anleger seit Mittwoch, in Filialen der Bank in der venezolanischen Hauptstadt Caracas, in Antigua und in den USA an ihr Geld zu kommen - vergeblich. Die meisten haben derzeit geschlossen, Augenzeugen berichten von langen Schlangen vor den Häusern. In Venezuela übernahm am Donnerstag die Regierung die Kontrolle über die dortige Filiale. Finanzminister Ali Rodriguez sicherte den Anlegern staatliche Garantien zu. Die Bank würde so bald wie möglich zum Verkauf angeboten, teilte er mit.
Beliebt war Stanford bei den Mächtigen in Venezuela schon lange nicht mehr. Im Oktober 2008 wurde ihm vorgeworfen, für die USA zu spionieren - er war mit Bodyguards angereist, die dort für amerikanische Agenten gehalten wurden. Eine Razzia daraufhin überstand das Unternehmen so folgenlos wie den Vorwurf, vor einigen Jahren Steuern hinterzogen zu haben.
Am Donnerstag berichtete der Fernsehsender ABC zudem, das FBI untersuche Verwicklungen Stanfords in Geldwäsche für ein mexikanisches Drogenkartell. Demnach hätten mexikanische Polizisten unter anderem ein Flugzeug des Milliardärs beschlagnahmt und Schecks sichergestellt. Die Ermittlungen dauerten schon seit einem Jahr an, hieß es unter Berufung auf namentlich nicht näher benannte offizielle Quellen. Ein Sprecher des FBI sagte, er wolle den Bericht weder bestätigen noch dementieren.
Ein Gericht in Dallas beauftrage derweil die Polizei damit, so viel wie möglich von Stanfords Vermögen sicherzustellen. Das Magazin "Forbes" schätzt es auf 2,2 Milliarden Dollar.
Stanford wird davon wohl wenig haben. Der Banker war nach Auffliegen der Affäre vorübergehend abgetaucht. Ermittler vermuteten ihn irgendwo in der Karibik, der Fernsehsender CNBC berichtete, er habe versucht, einen Privatjet zu mieten, um damit von Houston nach Antigua zu kommen. Doch die Leasingfirma habe seine Kreditkarte nicht akzeptiert.
Am Donnerstagabend hat das FBI Stanford in der Region Fredericksburg im Südosten des US-Bundesstaats Virginia aufgespürt. FBI-Agenten überreichten ihm den Gerichtsbescheid im Zusammenhang mit den Ermittlungen der Börsenaufsicht SEC gegen die Stanford Financial Group. Festgenommen wurde er nicht - bislang sei kein Haftbefehl ausgestellt worden, hieß es beim FBI.