Bankgeheimnis Steuerparadiese beugen sich dem Druck der EU
Hamburg - So manchem Steuerhinterzieher mit einem Konto in einer Steueroase dürfte die Nachricht Angst eingejagt haben: Am Donnerstag haben Liechtenstein und Andorra angekündigt, ihr Bankgeheimnis zu lockern. Am Freitag folgten nun Österreich, Luxemburg - und selbst die Schweiz. Künftig dürfen Steuerermittler ihre Kollegen in diesen Ländern bei begründetem Verdacht der Steuerhinterziehung um Auskunft bitten. Sie erhalten dann Einblick in die Konten der Verdächtigen. Steuerhinterziehung wird deutlich erschwert.

Bankfächer in der Schweiz: Angst vor milliardenschwerem Kapitalabfluss
Foto: REUTERSDie EU-Kommission lobte das Entgegenkommen der Länder, die häufig als Steueroasen genutzt, aber auch beschimpft wurden. "Wir begrüßen jeden Schritt in Richtung von mehr Transparenz und den Austausch von Informationen", ließ EU-Steuerkommissar Lászlo Kovács mitteilen. Seine Sprecherin sagte, das seit vier Jahren laufende EU-Zinssteuergesetz werde mit den Entscheidungen der Regierungen aber nicht automatisch geändert. Das Gesetz gesteht Österreich, Belgien und Luxemburg das Bankgeheimnis zu - diese EU-Staaten nehmen dadurch nicht an dem sonst üblichen Informationsaustausch über Zinseinnahmen von EU-Ausländern teil.
Laut Gesetz soll diese Ausnahme jedoch fallen, wenn europäische Drittstaaten wie die Schweiz oder Liechtenstein an einem Informationsaustausch nach dem Muster der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) teilnehmen. Die Schweizer Regierung will zwar die OECD-Standards für Hilfe bei Steuerverfahren, gegen die sie bisher Vorbehalte hatte, künftig einhalten. Finanzminister Hans-Rudolf Merz lehnte jedoch einen "automatischen Informationsaustausch", wie er in der EU üblich ist, ab. Ob also die Ausnahmen für Österreich, Belgien und Luxemburg aufgehoben werden, ist fraglich.
"Die Entscheidung der fünf Länder ist so oder so ein wesentlicher Fortschritt", sagt Bankexperte Wolfgang Gerke. Bürger würden dadurch zu mehr Steuerehrlichkeit erzogen. "Man kann zwar über hohe Steuern klagen, aber Steuerhinterziehung ist keine Lösung." Jetzt seien weitere Schlupflöcher geschlossen worden.
Dieter Hein von der Frankfurter Analystenfirma Fairesearch sieht in der Lockerung des Bankgeheimnisses eine Anpassung an die weltweit übliche Praxis. "Dadurch dürfte die globale Regulierung der Finanzmärkte vereinfacht werden." Gerade in Zeiten der Finanzkrise werde deutlich, wie dringend geboten eine solche Kontrolle sei. "Anleger haben Steueroasen ja auch deshalb genutzt, weil es dort nur geringe oder keine Aufsicht gibt."
Bisher gaben sich diese Länder bei Anfragen ausländischer Finanzämter sehr zugeknöpft und untersagten ihren Banken, Informationen über ausländische Kunden preiszugeben. Eine Ausnahme gab es nur, wenn strafbare Handlungen im Spiel waren. Die Schweiz unterschied sogar zwischen strafbarem Steuerbetrug, also der Falschangabe von Einnahmen, und der straffreien Steuerhinterziehung, dem bloßen "Vergessen" von Angaben in der Steuererklärung. Das, heißt es, solle nun anders werden.
Aus Brüssel sind gleichwohl zweifelnde Töne zu hören. Es sei zu hoffen, dass die Entscheidungen der Länder tatsächlich in die gleiche Richtung gingen, die die EU-Kommission seit vielen Jahren zu erreichen versuche, sagte eine Sprecherin der Behörde. Die Kommission hoffe auch, dass diese nun auf dem Tisch liegenden Lösungen bald umgesetzt würden.
Die Zweifel, sagen Beobachter, sind durchaus berechtigt: Jahrelang haben die europäischen Steueroasen Forderungen der EU ignoriert, eine grenzüberschreitende Arbeit der Steuerbehörden zu vereinfachen. Erst auf Druck der USA knickte die Schweiz ein, die Großbank UBS übermittelte Daten von bis zu 300 mutmaßlichen Steuerbetrügern an die US-Behörden. Manche Eidgenossen interpretierten das als Ende des Finanzplatzes Schweiz.
Experten sehen auch das Entgegenkommen Liechtensteins als großen Schritt, lebte das Fürstentum doch mehr noch als die Schweiz von seinem Ruf als attraktives Steuersparland - vor allem Stiftungen lockte das kleine Land an. Doch die Steueraffäre um den ehemaligen Post-Chef Klaus Zumwinkel, die durch gestohlene Kundendaten der dem Fürstenhaus gehörenden LGT-Bankengruppe aufflog, brachte die Regierung des Landes in arge Bedrängnis - der Ruf des Landes war dahin. Als Liechtenstein in den vergangenen Tagen andeutete, sich von der bisherigen Praxis abkehren zu wollen, um das Image der Steueroase loszuwerden, geriet auch die Regierung in Bern unter Druck. Einen Tag nach Liechtenstein lenkte auch die Schweiz ein, gemeinsam mit Österreich und Luxemburg.
Die Sorge dieser Länder ist, dass nun Kapital in Milliardenhöhe abfließt. Die Schweiz will deshalb für jedes Einlenken Bedingungen stellen - etwa die, dass die Vermögen in der Schweiz nicht durch ausländische Behörden angetastet werden, wenn die Steuerschuld erst einmal offengelegt ist. Auch in Liechtenstein denkt man offenbar an solche Sonderregelungen.
Zuletzt machten Deutschland und Frankreich diesen Ländern Druck, die OECD-Regeln zu akzeptieren. Die Organisation hatte 1998 eine Initiative gegen unfairen Steuerwettbewerb gestartet, damals wurde die Steuerpolitik von 41 Staaten bemängelt; die Schweiz, Österreich, Belgien und Luxemburg, allesamt OECD-Mitglieder, kritisierten ihrerseits die Initiative, da sie schon damals ihr Bankgeheimnis bedroht sahen. Deutschland und Frankreich, aber auch Großbritannien und die USA wollten es diesmal nicht bei einer vorsichtigen Kritik belassen - sie drohten an, dass die G-20-Staaten im April in London eine Schwarze Liste der unkooperativen Länder veröffentlichen werden. Selbst Hongkong und Singapur wollten nicht gemeinsam mit Steuerparadiesen wie den Bahamas, Monaco oder den Kanalinseln genannt werden - und änderten ihre Praxis.