Baumständer-Tüftler Krinner Der Christbaummillionär
Tübingen - Tief im Niederbayerischen, zwischen Straubing und Deggendorf, wo München schon weit und Tschechien nah ist, liegt Straßkirchen. Ein kleiner Ort, gut 3000 Einwohner, eine Tankstelle, eine Dönerbude, ein Wirtshaus. Und: Ein europaweiter Marktführer, der jedes Jahr zu Weihnachten zeigt, was er kann. Dem in seinem Kerngeschäft längst keiner mehr was vormacht: Christbaumständer.
Die Ständer sind das wohl unauffälligste Requisit für die seligen Tage - und trotzdem waren sie lange Zeit ständige Ursache vorweihnachtlicher Unruhe. Nie stand der Baum gerade. Eine Schraube von links angezogen, und er neigte sich nach rechts. Dasselbe auf der anderen Seite. Dann den Stamm schräg angesägt, das Ergebnis: kaum besser. Die Stimmung: ziemlich gedämpft.
Plötzlich gab es statt der Schraubversion den Ständer mit der Ein-Seil-Technik. Eine Kordel, die sich um den Stamm schmiegt, wie immer er gewachsen ist und ihn stets kerzengerade stehen lässt. Friedliche Revolution unterm Weihnachtsbaum. Im September 1989 brachte die Firma Krinner erstmals ihre neuartigen Christbaumständer auf den Markt, den sie heute beherrscht. Von allen im letzten Jahr verkauften Ständern stammten siebzig Prozent aus Straßkirchen, über eine Million Stück.
Klaus Krinner, ein drahtiger Mann von 69 Jahren, kariertes Hemd unter braunem Pullover, bequeme Schuhe, bittet an den Besprechungstisch in seinem Büro. Der Unternehmer, der mit seiner einfachen wie genialen Idee zum Multimillionär wurde, beginnt nicht gleich, von den Errungenschaften seiner Firma zu erzählen. Klaus Krinner hält sich mit den Händen an der Tischkante fest, fast schüchtern, und sagt als erstes: "Mit meinen Eltern hab' ich Glück gehabt. Die haben mich fast alles machen lassen." Er sagt das nicht direkt so, sondern mit einem Bayerisch so breit wie das Land rings um Straßkirchen. Und zur Erklärung fügt er lächelnd hinzu: "So hab' ich mich auch immer was getraut."
Landwirt war er, wie seine Eltern, übernahm deren Hof, nachdem er sich - unüblich für damalige Verhältnisse - umgeschaut hatte in der Welt. Lehrjahre in der Schweiz, Österreich, England, Frankreich. 85 Stunden die Woche arbeiten auf verschiedenen Höfen, jeden Morgen von vier Uhr an. Heute schläft er ein bisschen länger, aber spätestens um sechs ist er dann in der Firma, früher als die meisten seiner mittlerweile fast sechzig Mitarbeiter. Glücklicherweise hat er es nicht weit hierher, weil er noch immer in seinem Haus in Straßkirchen wohnt, nur ein paar Minuten entfernt. Die legt Klaus Krinner in seinem einzigen Statussymbol zurück: einem Audi A4 quattro.
"Des is a Glumpp"
Rückblick. In den frühen Siebzigern hatte Krinner die herkömmliche Landwirtschaft rund um "Viecher" und danach Zuckerrüben aufgegeben - und sich ganz auf Erdbeeren konzentriert. Bei einer Lehrfahrt hatte er erfahren, wie viel Ertrag sie pro Hektar bringen. Am selben Tag noch bestellte er 40.000 Pflanzen, am Ende war er der größte Erdbeerzüchter in ganz Ostbayern. Krinner sagt dazu: "Ich erkenne schnell, wenn was gut ist."
Er lächelt: "Und wenn was nicht mehr so gut ist, kann ich mich schnell davon trennen, ohne dem nachzutrauern." Zwar waren die Erdbeeren noch gut, aber das Bessere ist ja der Feind des Guten. Aus Krinner, dem Landwirt, wurde Krinner, der Christbaumgeschäftsmann.
Diese Erfolgsgeschichte beginnt am Heiligabend 1988. Krinner baut zum ersten Mal einen Weihnachtsbaum auf. Bis dahin hatte das immer seine Frau gemacht. Schnell erkennt er mit bodenständiger Analytik: "Des is a Glumpp." Das müsste doch besser gehen. Auch weil Krinner eine Schwäche hat für die einfachen Dinge im Leben. "Denen widmen sich ja die wenigsten." Die Gescheiten machten sich immer nur ans Komplizierte ran. Die Erkenntnis war nun da, jetzt fehlte noch die Lösung. Sie kam vier Monate später, als Krinner auf seinem Erdbeerfeld arbeitete.
Als Krinner die Idee mit dem Seilzug in den Kopf kam, rannte er zum Auto, holte einen Stift und machte eine Skizze. So und so und hier noch das Seil drum herum. Vier Stunden später war der Prototyp fertig. Er raste nach München zum Patentamt, in Sorge, "dass jemand auf so was Einfaches schon gekommen ist."
Krinner hebt einen seiner Ständer, Modell V4 für 49 Euro, auf den Konferenztisch. Dann sagt er: "Na, da war I vielleicht froh, des I wirklich der Erste war."
"Nächste Woche haben sie einen Vertrag"
Er stellt den V4 behutsam wieder zurück auf den Boden. "Was soll ich noch sagen? Dann ging es halt los." Er ist kein Mann der großen Worte, nicht eloquent wie ein Manager der neueren Sorte. Trotzdem kam er mit seinem Motto gut zurecht: "Man muss ja auch machen." Und das tat er.
Nachdem er eine Firma fand, die ihm 10.000 Stück nach seinen Vorgaben herstellte, suchte er Abnehmer dafür. Er fuhr zur Metro-Zentrale nach Düsseldorf. "Genial", sagte der Einkäufer dort und: "Nächste Woche haben Sie einen Vertrag." 27.000 Stück verkaufte Krinner im ersten Jahr, 65.000 im zweiten und doppelt so viele im nächsten. Seit diesem Jahr ist Krinner bei Home Depot in den USA gelistet, der größten Baumarktkette der Welt.
Aber Krinner bleibt bescheiden: "Man muss schon schön auf dem Boden bleiben. Sonst ist's schnell vorbei." Und seinen Wurzeln bleibt er buchstäblich treu. Der Firmenneubau, zur Straße hin ein modernes, zweistöckiges Gebäude mit viel Glas und nach hinten ein gewaltiges Lager, steht auf einem seiner ehemaligen Felder, wo er Erdbeeren zog. Eine Spielerei gönnt er sich nun trotzdem, nicht privat natürlich, aber als Firmenchef. So wird im KaDeWe seit Anfang Dezember der teuerste Christbaumständer der Welt angeboten. Bewährte Krinner-Technik verziert mit 9000 kleinen Swarovski-Kristallen zum Preis von 10.000 Euro.
Das Einfache aber bleibt es, was ihn umtreibt. In den letzten Jahren meldete er zwei weitere Patente an. Christbaumkerzen ohne Kabel, die man mit Fernbedienung ein- und ausschalten kann. Und, wichtiger noch für das Wachstum der Firma: Schraubfundamente. Riesige, bis zu drei Meter lange Gewinde, die man einfach in den Boden dreht.
"Ein Wahnsinnsmarkt", sagt Krinner, der Mann fürs Pragmatische. Streckenpfosten, Straßenschilder, alles könnte man damit kinderleicht verankern. Das Firmenschild vorne an der Straße fußt auch schon darauf. Aber noch seien die Christbaumständer das wichtigste Geschäft, sagt Krinner. Unten bringt gerade ein Transporter wieder eine Fuhre zum nächsten Baumarkt. Es sind fast die letzten, das Lager ist leergeräumt.
Ebenso schön wie der wirtschaftliche Erfolg sei es für ihn aber, dass die Leute begeistert seien von seinem Produkt, sagt er. Vor kurzem habe er einen Brief bekommen von einer Käuferin. Darin schrieb sie ihm, mit seiner Erfindung habe er vielen ein harmonisches Weihnachten beschert. Man solle ihn deswegen für den Friedensnobelpreis vorschlagen. Krinner lacht: "Naa, des ging zu weit."