BenQ-Insolvenz Börse jubelt, Belegschaft demonstriert
München - Der Insolvenzantrag sei beim Amtsgericht München eingereicht worden, sagte eine Justizsprecherin. Bislang sei noch kein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt. Der taiwanische Mutterkonzern BenQ hatte der deutschen Tochter gestern den Geldhahn zugedreht. BenQ-Mobile, die Siemens vor knapp einem Jahr an die Asiaten abgegeben hatte, ist damit finanziell am Ende. Durch die Pleite sind in Deutschland 3000 Arbeitsplätze gefährdet.
Nach der Insolvenzankündigung hatten die BenQ -Papiere mehr als sechs Prozent an der Börse in Taipeh zugelegt und notierte bei 19,45 Taiwan-Dollar. Börsianer zeigten sich zufrieden mit der Entscheidung, der früheren Siemens-Mobiltelefon-Sparte den Geldhahn zuzudrehen und ihn damit der Pleite zu überlassen. "Das ist eine positive Entwicklung, da sie die nötigen Schritte unternehmen, um weiteren Schaden von sich abzuwenden", sagte Analyst Dominic Grant von Macquarie Securities.
Die Asiaten hatten im Juni 2005 das Handy-Geschäft von Siemens übernommen. Der Traditionskonzern hatte vor der Übergabe noch 250 Millionen Euro in den Bereich investiert und 100 Millionen an Abschreibungen übernommen. BenQ will das Handygeschäft künftig von Asien aus betreiben.
Unterstützung aus der Politik
"Es wird für den Mobiltelefonbereich im nächsten Jahr schwierig, profitabel zu werden", sagte Vincent Chen von CLSA. Die Investoren schätzten aber die anderen Segmente des Konzerns wie die Produktion von TV-Flachbildschirm-Komponenten. Vor dem finanziellen Zusammenbruch hatte BenQ-Mobile noch angepeilt, ab Mitte 2007 schwarze Zahlen zu schreiben.
Im BenQ-Werk in Kamp-Lintfort bekommen die Mitarbeiter im Kampf um ihre Arbeitsplätze Unterstützung von der Politik. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers wollte nach Angaben eines Sprechers des CDU-Politikers in die Fabrik kommen. Er stehe an der Seite der Belegschaft und wolle alle Möglichkeiten für eine Lösung der Krise ausloten. Zuvor hatte schon die bayerische Landesregierung ihre Hilfe angeboten.
Die IG Metall hat die Belegschaft zu einer Versammlung aufgerufen, vor den Werkstoren versammelten sich am Morgen zahlreiche Beschäftigte. Aus Sicht der Gewerkschaft hat das Versagen des Managements zu der Pleite der aus der Handy-Sparte von Siemens hervorgegangenen Firma geführt.
Schadensersatz von Siemens
Mitarbeiter von BenQ-Mobile erwägen, mit Hilfe des Betriebsrates gegen Siemens Schadensersatzansprüche geltend zu machen. Sie seien arglistig getäuscht worden. Ein Betriebsrat von BenQ-Mobile sagte der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung", jeder der rund 3000 Beschäftigten bekomme heute ein an die Siemens-Zentrale adressiertes Schreiben in die Hand, mit dem er seine individualrechtlichen Ansprüche geltend machen könne. Ein Siemens-Sprecher erklärte gegenüber SPIEGEL ONLINE, dass "wir dazu nichts sagen können".
Die Mitarbeiter seien beim Verkauf der Handysparte an BenQ von der Siemens AG arglistig getäuscht worden, sagte der Betriebsrat. "Von vornherein waren beide Verhandlungspartner auf die Entsorgung der deutschen Mitarbeiter aus, anstatt sich um die Sanierung des Unternehmens zu kümmern", zitierte das Blatt aus dem Schreiben des Betriebsrates an Siemens.
"Vorsätzlicher Gestaltungsmissbrauch"
Das belege die Aufsplittung der Siemens-Handysparte in eine Management GmbH, in der die Abfindungen der BenQ-Mobile-Chefmanager gesichert seien, in eine Asset GmbH, in der man die Vermögenswerte der Siemens Handysparte wie Know-how gebündelt habe und in die von der Insolvenz bedrohte BenQ Mobile GmbH & Co OHG, in der ausschließlich die zirka 3400 deutschen Mitarbeiter zusammengefasst worden seien.
Das Kapital der BenQ Mobile habe 25.000 Euro betragen - zu wenig, um die Gehälter der deutschen Angestellten für einen Tag zu sichern, kritisierte der Betriebsrat. Beim Insolvenzverwalter sei nichts zu holen.
Dagegen habe BenQ Know-how im Wert von knapp einer Milliarde Euro aus Deutschland abgezogen. Nach Ansicht des Betriebsrats liege ein "vorsätzlicher gesellschaftsrechtlicher Gestaltungsmissbrauch" vor: Die Arbeitnehmer seien vom Kapital getrennt worden, damit sich die Arbeitgeber der arbeitsrechtlichen Verpflichtungen und Insolvenzforderungen entledigen könnten. Der Betriebsrat hoffe, dass sich Siemens zu einer Gesamtlösung, etwa der Gründung einer Beschäftigungsgesellschaft, bereitfinde, statt sich mit 3000 Einzelforderungen auseinanderzusetzen.
tim/Reuters/ddp