Berateraffäre Gersters kurze Atempause
Berlin - Gleich zu Beginn der mit Spannung erwarteten Sitzung des Wirtschaftsausschusses gestand Gerster am frühen Freitagmorgen einen Fehler ein. "Aus heutiger Sicht", so der angeschlagene Chef der Bundesanstalt für Arbeit (BA) vor den versammelten Abgeordneten, hätte er den 1,3 Millionen schweren Beratervertrag mit der Image-Agentur WMP freilich nicht mehr abgeschlossen.
Doch die Reue des BA-Chefs über vergangene Fehler interessierte die Abgeordneten - besonders die aus den Reihen der Opposition - am Freitag kaum. Sie hatten Gerster zum "Kreuzverhör" ("Bild") geladen, um über seine Beweggründe für die millionenschwere Imagekampagne zu erfahren. Sie wollten schlicht Klarheit, warum der BA-Auftrag entgegen der gültigen Regeln ohne eine öffentliche Ausschreibung an die Berliner Agentur des umtriebigen Polit-Netzwerkers Bernd Schiphorst gegangen war. Außerdem wollten die Parlamentarier Gründe sehen, warum die chronisch finanzschwache Bundesanstalt überhaupt eine Imagekampagne brauchte.
Zumindest einen Erfolg haben die PR-Mannen um Schiphorst erreicht, wenn auch unabsichtlich: Seit Tagen schon steht das Beratungsobjekt Gerster in den Schlagzeilen - leider aber in den negativen. Immer lauter wird trotz offizieller und doch eher steifer Liebeserklärungen aus dem Wirtschaftsministerium oder dem Kanzleramt über einen Rücktritt spekuliert. Meldungen über sein sechsstelliges Gehalt, angeblich drei verschiedene Luxus-Dienstwagen und sein vermeintlich arrogantes Manager-Gehabe tun das ihrige zu einer typisch deutschen Affäre, gespickt mit ein bisschen Eigenmächtigkeit auf Gersters Seite und reichlich Neid und Parteitaktik auf der anderen.
Noch hält der Kanzler zu Gerster
Besonders mutige Blätter wie die Unions-lastige Postille "B.Z." präsentieren gar schon den ehemaligen Grünen-Chef Fritz Kuhn - derzeit arbeitsmarktpolitischer Sprecher der Partei - als Gerster-Nachfolger in den Startlöchern. Andere Blätter wollten bereits am Wochenende aus dem Machtzentrum Kanzleramt erfahren haben, der Kanzler persönlich sei "stinksauer" - nach fünf Jahren Schröder-Herrschaft erfahrungsgemäß der erste Schritt zum medial inszenierten Rauswurf eines Politikers. Richtig ist diese Einschätzung über das Kanzler-Gemüt mit Sicherheit, doch bisher hält Schröder nach Angaben aus Regierungskreisen noch zu Gerster.
Für die Opposition hingegen bietet der Fall eine gute Angriffsfläche. Folglich überraschte es nach der zweistündigen Sitzung am Freitag kaum, dass Gerster die vielen Fragen der Opposition aus deren Sicht nicht abschließend klären konnte. Es gebe noch viele offene Punkte, so die einhellige Meinung der CDU- und FDP-Abgeordneten. Nach Angaben von Teilnehmern sei Gerster zwar auskunftsfreudig gewesen, Union und FDP wollen die Affäre freilich weiter am Kochen halten. Offen wird schon über die Beantragung eines Untersuchungsausschusses nachgedacht, um eventuell weitere Beraterverträge der BA unter die Lupe zu nehmen und auch eine geeignete Drohkulisse aufzubauen.
Nach Angaben von Teilnehmern erläuterte Gerster dem Gremium zunächst, warum er den Vertrag mit WMP ohne eine Ausschreibung geschlossen habe. Dabei verwies er auch darauf, dass er mit dem Umweg eine öffentliche "Skandalisierung" der teuren Imagepolitur vermeiden wollte. Zum damaligen Zeitpunkt wäre die Presse doch sofort auf einen solchen Vertrag gesprungen und hätte Verschwendung von Beitragsgeldern vermutet, so Gersters Ausführungen. Als der BA-Chef merkte, dass dieses Argument zu Unmut führte, relativierte er es.
Die PR-Misere der PSAs
Gleichwohl sei die Imagekampagne dringend und vor allem zeitnah notwendig gewesen, so Gerster. Die BA habe Anfang 2003 in den Negativschlagzeilen gestanden, und es sei zwingend gewesen, schnell Abhilfe von einem externen Unternehmen zu organisieren. Gerster erläuterte als Beispiel für die Imagemisere, das Wort "Ich AG" - eigentlich eine Erfindung von Reformer Peter Hartz - sei zu Jahresbeginn zum Unwort des Jahres gekürt worden. Gleiches sollte auf keinen Fall mit Gersters Innovationen wie der "Personal Service Agentur" passieren. Außerdem wären bei einer normalen Ausschreibung Monate vor dem Beginn der Arbeit vergangen, so Gerster weiter.
Gerster lehnte es jedoch sowohl in der vertraulichen Sitzung als auch später öffentlich ab, den Vertrag dem Parlament zur Einsicht vorzulegen - noch immer ist das eine Kernforderung der Opposition. Gerster betonte, dass eine Veröffentlichung des Vertrags die Rechte Dritter verletzten würde, ein solches Vorgehen mache eine weitere Zusammenarbeit der BA mit externen Unternehmen schwierig. Selbst wenn die WMP dazu bereit wäre, "würde ich zögern", sagte Gerster nach der Ausschusssitzung. Bereits vor der Sitzung am Freitag hatte der BA-Chef eine Auflösung des Vertrags angekündigt, da man nach dem Skandal nicht mehr erfolgreich zusammenarbeiten könne.
Für die Opposition reichen all diese Ausführungen nicht. So wollen die Parlamentarier zuerst den Bericht des Bundesrechnungshofes über die Vertragsvergabe abwarten. Zudem erwarten sie von Gerster einen Bericht über die bisherige Arbeit der WMP für das Image der BA. Vor dem Ausschuss kündigte Gerster bereits an, er könne "eindeutige Erfolge" der Image-Kampagne vorweisen. Der FDP-Abgeordnete Dirk Niebel sieht zudem noch immer den Wirtschaftsminister Wolfgang Clement in der Mitverantwortung. "Das Ministerium trägt noch immer die Rechtsaufsicht über die BA", sagte Niebel nach der Sitzung.
Gerster wird dünnhäutig
Auf Florian Gerster folgt nach dem turbulenten Freitag nur eine kurze Atempause. Schon am Wochenende wird der Bericht des Rechnungshofes erwartet. Mit dem Bericht und ebenfalls fürs Wochenende angekündigten Antworten aus dem Wirtschaftsministerium will die Opposition den BA-Chef schon in der kommenden Woche wieder auf die Anklagebank im Ausschuss setzen. Vermutlich wird die nächste Sitzung am kommenden Donnerstag anberaumt. Im Zentrum wird dann erneut die Offenlegung des WMP-Vertrags stehen. Gerster und auch Minister Clement kündigten an, sie stünden selbstverständlich zur Verfügung.
Schon jetzt aber ist deutlich zu sehen, dass Gerster auf die Attacken dünnhäutiger reagiert als noch vor Tagen. Nach der Sitzung polterte er, die Angriffe seien eine "Kampagne, die beispiellos ist". Hinter ihr stünden jene, die seine Reformarbeit zunichte machen wollten. "Es gibt sicher ein Interesse zu zeigen, die können es nicht. Und deswegen können sie sich auch nicht um die Langzeitarbeitslosen kümmern", sagte Gerster. In der Tat hatte die Union mit der Kritik immer verbunden, die Bundesanstalt sei mit der geplanten Organisation des Arbeitslosengeldes II überfordert. Noch drastischer sind die Forderungen der FDP, die aus der Affäre die Forderung nach einer kompletten Privatisierung der BA ableitet.
Neben der deutlichen Schelte an die Union aber zeigte sich Gerster mehr als reuig. Als er am Freitag aus dem Sitzungssaal kam, philosophierte er vor laufender Kamera über fehlende "Diplomatie" auf seiner Seite. In seiner Position aber habe er manchmal keine andere Chance, als anzuecken. Der Satz zum Abschluss der Pressekonferenz könnte fast aus der Feder des PR-Strategen Schiphorst kommen. "Ich gelobe Besserung", sagte Gerster. Solche Eingeständnisse kommen laut den PR-Beratern bei der Öffentlichkeit immer gut an. Ob sie Florian Gerster als BA-Chef retten können, wird allerdings erst die kommende Woche zeigen.