Flüchtlinge auf dem Ausbildungsmarkt Erst Sprachkurs, dann Lehrstelle

Schüler bei Ausbildungsmesse
Foto: Rainer Jensen/ picture alliance / dpaEs gibt sie natürlich, die glücklichen Geschichten vom Handwerksmeister, der jahrelang keine Lehrlinge fand - bis ein Flüchtling kam und prompt als Azubi anfangen konnte. Für viele junge Geflüchtete allerdings dürfte der Weg zur Lehrstelle etwas länger werden. Das zumindest legt der Berufsbildungsbericht 2016 nahe, der SPIEGEL ONLINE vorab vorliegt und den die Bundesregierung voraussichtlich im April veröffentlichen wird.
Demnach fanden im vergangenen Jahr rund 18.000 Jugendliche mehr als noch 2014 keinen Ausbildungsplatz und mussten daher erst einmal Kurse im sogenannten Übergangsbereich absolvieren. Damit stieg die Zahl der Jugendlichen im Übergangsbereich um sieben Prozent auf gut 271.000. Im Jahr 2005 waren es noch rund 418.000, seitdem war die Zahl wegen der guten Lage auf dem Lehrstellenmarkt stark gesunken. Nun scheint sich der Trend wieder zu drehen.
Diese Trendumkehr habe vor allem mit den Flüchtlingen zu tun, schreiben die Autoren des Berufbildungsberichts. Im Übergangsbereich finden sich Maßnahmen wie das Berufsvorbereitungsjahr (BVJ), aber auch Sprachkurse, in denen Zugewanderte nun fit für eine Berufsausbildung gemacht werden. Der deutliche Anstieg in diesem Segment zeigt also, dass in den kommenden Jahr deutlich mehr Lehrstellen benötigt werden, um junge Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Das Berufsbildungssystem müsse sich daher "frühzeitig auf eine steigende Nachfrage nach Berufsorientierung, Berufsvorbereitung, Berufsausbildung und Nachqualifizierung vorbereiten", heißt es in dem Bericht.
Dabei finden Bewerber und Unternehmen bereits jetzt zunehmend schwerer zusammen - unabhängig von den jungen Geflüchteten. Das belegen die wichtigsten Befunde des Berufsbildungsberichts:
Immer weniger Betriebe bilden aus: Aktuell stellt nur noch jeder fünfte Betrieb in Deutschland Auszubildende ein. Die Quote ist damit auch 2014 wie bereits in den Vorjahren gesunken. 2007 bildete noch jeder vierte Betrieb aus. Vor allem kleine und Kleinstbetriebe verabschieden sich zunehmend aus der Berufsausbildung.
Immer mehr Stellen bleiben unbesetzt: Vor allem die kleinen Betriebe, schreiben die Forschen, finden keine geeigneten Kandidaten für ihre Ausbildungsplätze - und verzichten in der Folge auf eine Ausschreibung. Im Jahr 2015 blieben insgesamt 41.000 Ausbildungsplätze unbesetzt - das sind zehn Prozent mehr als im Vorjahr und so viele wie seit 1996 nicht mehr.
Dennoch finden viele Jugendliche keine Lehrstelle: 20.700 junge Männer und Frauen blieben 2015 ohne Ausbildungsplatz, gerade einmal 0,8 Prozent weniger als im Jahr zuvor. Dass immer mehr Unternehmen ihre Stellen nicht besetzen können und gleichzeitig weiterhin Tausende Jugendliche leer ausgehen, deuten die Forscher als Hinweis auf zunehmende "Passungsprobleme": Betriebe schreiben ihre Stellen in Regionen aus, in denen nur wenige Schulabgänger auf den Ausbildungsmarkt drängen - und Jugendliche interessieren sich mitunter nicht für die Ausbildungsberufe, in denen die Wirtschaft Bedarf sieht.
Schlechte Chancen für Hauptschüler: Wer einen Hauptschulabschluss hat, sucht länger und oft vergebens nach einem Ausbildungsplatz: Nur 45,3 Prozent finden unmittelbar eine Lehrstelle. Die übrigen müssen erst einmal Schleifen im Übergangsbereich drehen, also Qualifizierungsmaßnahmen absolvieren oder Schulabschlüsse nachholen, um ihre Chancen zu verbessern. Dies deckt sich mit den Befunden des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), wonach Unternehmen ihre Ausbildungsstellen recht selten für Hauptschüler ausschreiben: Demnach bleiben 62 Prozent der offenen Stellen Jugendlichen mit Hauptschulabschluss verschlossen.
Immer mehr Azubis haben Abitur oder Fachabitur: Manche Wirtschaftsvertreter beklagen in letzter Zeit den Trend zur Akademisierung: Junge Menschen würden lieber studieren statt eine Ausbildung im Betrieb zu machen.
Laut Berufsbildungsbericht kommt die höhere Zahl der Abiturienten aber auch Ausbildungsbetrieben zugute: Demnach ist der Anteil der jungen Menschen mit Abitur oder Fachabitur unter den Azubis deutlich gestiegen - auf 26,2 Prozent im Jahr 2014. Der Anteil der Real- und Hauptschüler ist derweil immer weiter zurückgegangen (siehe Grafik).