Billige Gebäudereinigung Bundestag speist Putzkräfte mit Dumpinglöhnen ab

Eine Hotline der IG BAU soll Fälle von Dumpinglöhnen in der Gebäudereinigung offen legen. Was dabei herauskam, machte die Gewerkschafter baff: Selbst der Bundestag zahlt Putzkräften nur Dumpinglöhne. Die liegen sogar unter dem im Entsendegesetz festgelegten Mindestlohn von 7,87 Euro.

Berlin - Putzkräfte im Bundestag werden nach Informationen der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) mit Dumpinglöhnen abgespeist. Das Reichstagsgebäude werde von Unternehmen gereinigt, die ihren Mitarbeitern teilweise 5,50 Euro pro Stunde und weniger bezahlten, teilt die Gewerkschaft heute in Berlin mit. Der Mindestlohn im Gebäudereinigungshandwerk beträgt seit kurzem aber 7,87 Euro.

Sigrun Heil, Sprecherin der Gewerkschaft, sagte zu SPIEGEL ONLINE, dass die schlechte Bezahlung der Reinigungskräfte im Bundestag durch eine Lohndumping-Hotline herausgekommen sei. "Wir haben diese Hotline eingerichtet, weil das Problem der Dumpinglöhne ja bundesweit bekannt ist." Dass sich aber ausgerechnet Personal melden würde, das den Bundestag reinigt, damit hätte die Gewerkschaft nicht gerechnet.

Im Gebäudereinigungshandwerk dürfen ausländische Firmen derzeit noch den deutschen Mindestlohn unterbieten. "Ab dem 1. Juli gilt aber das Entsendegesetz, das der Bundestag beschlossen hat. Spätestens ab dann darf also auch der Bundestag selbst nicht weniger zahlen", sagte Heil.

Unter der Gewerkschafts-Hotline haben sich nach Angaben der Sprecherin bereits mehrere Menschen gemeldet und von Fällen von Lohndumping berichtet. Täglich würden bis zu zehn Anrufer registriert. Aus Cottbus sei zum Beispiel ein Fall bekannt, wo fünf Euro pro Stunde gezahlt werde, in Berlin ließ eine Firma Putzkräfte acht Stunden arbeiten, bezahlte aber nur sechs. Hotelmitarbeiter, die für das Reinigen eines Hotelzimmers nur zwei Euro erhalten oder per Quadratmeter bezahlt werden, sind demnach keine Seltenheit. In einigen Fällen berichteten Anrufer, ihr Arbeitgeber würde im Krankheitsfall oder während des Urlaubs kein Geld zahlen. Die IG BAU werde den Fällen nachgehen.

"Tarifgerechte Entlohnung kann nicht gefordert werden"

Eine vom Bundestag mit der Reinigung beauftragte Firma begründete die niedrigen Stundenlöhne damit, dass die Putzkräfte zu langsam seien und die vorgesehene Fläche bei der Innenreinigung nicht geschafft hätten. IG-BAU-Vorstandsmitglied Frank Wynands sagte: "Von den öffentlichen Arbeitgebern verlangen wir, dass sie bei der Auftragsvergabe genau hinsehen, ob die zu reinigende Fläche in der vereinbarten Zeit zu menschenwürdigen Bedingungen gereinigt werden kann."

Die Bundestagsverwaltung teilte am Nachmittag mit, die Verträge mit den Reinigungsfirmen seien "nach den zwingenden gesetzlichen Vorgaben im europaweiten Offenen Vergabeverfahren ausgeschrieben worden". Dabei habe die Bundestagsverwaltung darauf Wert gelegt, dass mit den beauftragten Reinigungsfirmen eine Quadratmeterobergrenze vereinbart wurde, "die es dem Personal ermöglicht, die zu reinigende Fläche auch zu bewältigen". Dies bedeute, dass diese Grenze zehn Prozent unter der liege, die vom Bundesverband für Arbeitsgestaltung, Betriebsorganisation und Unternehmensentwicklung vorgegeben wird.

In der Pressemitteilung des Bundestages heißt es weiter, der Verwaltung seien "weder von der Gewerkschaft noch von anderer Seite Unterlagen vorgelegt worden, aus denen hervorgeht, dass es zu Stundenlohnzahlungen an das Personal gekommen ist, die nicht dem Tarifvertrag entsprechen".

Zwar habe ein Gebäudereiniger einen Anspruch auf Bezahlung des Tariflohns. Aus gesetzlichen Gründen dürften Aufträge "nur an fachkundige, leistungsfähige und zuverlässige Unternehmen vergeben werden", heißt es in der Erklärung. "Andere Anforderungen, zum Beispiel die tarifgerechte Entlohnung, können demnach nicht gefordert werden." Sollte der Tariflohn also nicht gezahlt werden, berühre das zunächst vor allem das Verhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Der Auftragnehmer sei dann allerdings als unzuverlässig anzusehen. Die Verwaltung habe die Möglichkeit, ihn bei der nächsten Vergabe vom Vergabeverfahren auszuschließen.

kaz/dpa

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