Branchen-Turbulenzen Wie die Lufthansa die Airline-Krise meistert
Die Aktionäre der Lufthansa brauchen derzeit starke Nerven. Bis Anfang 2007 war es Unternehmenschef Wolfgang Mayrhuber mit rigidem Stabilisierungs- und Sparkurs gelungen, den Kurs seines Papiers auf einen Rekordstand von knapp 23 Euro zu treiben. Heute ist ein Anteilschein an der Airline weniger als 15 Euro wert.
Kein Wunder, das Unternehmen erzielte zwar im vergangenen Jahr einen Rekordgewinn von 1,4 Milliarden Euro. Es hat aber extern wie intern zunehmend mit Widrigkeiten zu kämpfen. Sorgenkind Nummer eins: die Treibstoffkosten. Seit Jahren kennt der Ölpreis - abgesehen von zwischenzeitlichen Korrekturen - vor allem eine Richtung: nach oben. Die Kerosinpreise hat er dabei stets im Schlepptau. Hinzu kommt mehr und mehr die schwächelnde Konjunktur, die sich bereits in nachlassenden Passagierzahlen bemerkbar macht.
Derlei Turbulenzen treffen nicht nur die Lufthansa. Alle Airlines reagieren darauf - mehr oder weniger - gleich: Personal abbauen, Flüge streichen, Maschinen stilllegen. Aber längst nicht alle werden die Probleme auch in den Griff bekommen. Vielmehr wird die Konsolidierung in der Luftfahrt mit Kooperationen, Übernahmen und Insolvenzen wohl noch eine Zeit weitergehen.
Die Lufthansa aber hat ein weiteres Problem: Einige ihrer wichtigsten Mitarbeiter sind höchst unzufrieden. Zwar wurde mit den durch Ver.di vertretenen Beschäftigten kürzlich eine Tarifeinigung erzielt. Die in der Splittergewerkschaft Ufo organisierten Flugbegleiter haben aber schon klargemacht, dass sie sich mit den dabei verabredeten Gehaltsplus von 7,4 Prozent nicht zufrieden geben wollen. Sie fordern 15 Prozent - spätestens Anfang 2009 muss sich Lufthansa damit auseinandersetzen.
Auch der Disput mit den Piloten schwelt noch. Dabei geht es nicht nur um mehr Geld für die Cockpit-Arbeiter der Regionalflugtochter CityLine, sondern auch um alte Vereinbarungen über den Einsatz bestimmter Flugzeuggrößen. Experten verfolgen diesen Streit besonders gespannt, denn die Piloten können in einer heiklen Frage aufgrund ihrer Schlüsselposition viel Druck ausüben. "Hier geht es grundsätzlich darum, inwieweit das Unternehmen per Outsourcing Kosten sparen kann", sagt ein Marktbeobachter.
Alles in allem ein gefährliches Terrain also, über das Lufthansa-Chef Mayrhuber seine Airline da manövrieren muss. Dennoch beurteilt das Gros der Analysten das Unternehmen positiv. Viele raten gar, die Aktie, sofern nicht schon geschehen, schleunigst ins Depot zu nehmen.
"Die Luftfahrtbranche befindet sich zweifellos in einer schwierigen Zeit. Im Vergleich zu anderen Airlines ist die Lufthansa aber extrem gut aufgestellt", erklärt Frank Skodzik von der Commerzbank. Wie er glauben viele Experten, dass die Gesellschaft den Problemen ausreichend entgegenzusetzen weiß - und letztlich als Gewinner aus der Konsolidierung hervorgehen wird.
Beispiel Treibstoffkosten: "Lufthansa betreibt die beste Hedging-Politik in der Branche", sagt Analyst Robert Heberger von Merck Finck. Die Strategie des Unternehmens: Über einen Zeitraum von 24 Monaten wird der Treibstoffpreis für bis zu 85 Prozent des Bedarfs gesichert. "Liegt der Rohölpreis zum vereinbarten Zeitpunkt über dem vereinbarten Preisniveau, profitiert die Fluggesellschaft", heißt es bei der Lufthansa.
Drei Milliarden Dollar an Treibstoffkosten gespart
Seit 1990 konnte der Konzern auf diese Weise eigenen Angaben zufolge fast drei Milliarden Dollar an Treibstoffkosten sparen. Allein für 2008 erwartet Lufthansa einen Treibstoffaufwand von 5,6 Milliarden Euro. Zu 85 Prozent ist der Bedarf bereits abgesichert, für 2009 zu 57 Prozent.
Zwar ist das Problem steigender Treibstoffpreise mit den Absicherungsgeschäften nicht vollständig gelöst, sondern lediglich in die Zukunft verlagert. Anderen Airlines steht aber nicht einmal diese Möglichkeit offen. "Hedging kostet Geld", so Analyst Heberger. "Viele Gesellschaften können es sich schlicht nicht leisten und müssen darauf hoffen, dass ihnen die Treibstoffkosten nicht aus dem Ruder laufen."
Zudem hat die Lufthansa weitere Alternativen zur Effizienzsteigerung. "Dank einer unternehmenseigenen Software kann die Airline ihre Kapazitäten besonders gut anpassen", sagt Stefan Schöppner von der Dresdner Bank hinzu. "In diesen schwierigen Zeiten ist das von besonderem Wert."
Laut Schöppner gelingt es der Lufthansa mit dem Programm besser als der Konkurrenz, Flugpreise zu optimieren, Maschinen zu disponieren und Flüge zu planen. "Hinzu kommt eine flexible Einkaufspolitik", so der Analyst. "Dadurch wird verhindert, dass Maschinen außerplanmäßig stillgelegt werden müssen."
Wie viele Experten glaubt auch Schöppner, dass die Lufthansa in der Konsolidierung weiterhin aktiv sein wird. Bis zu sechs Airlines, so rechnete die "Süddeutsche Zeitung" kürzlich vor, könnte sich der Konzern demnächst einverleiben. Nach der erfolgreichen Integration der Swiss, die 2007 übernommen wurde, gilt der Kauf der Austrian Airlines als wahrscheinlich. Allein schon, um der Konkurrenz den Zugriff zu verbauen, scheint dieser Schritt zweckmäßig.
Hinzu kommt die Option auf die britische BMI sowie die Möglichkeit, die Billigtochter Germanwings mit der TUIfly und eventuell der Condor zusammenzubringen. Weiteren Spekulationen - etwa der immer wiederkehrenden um die Alitalia - sind beinahe keine Grenzen gesetzt.
"Lufthansa verfolgt eine konsequente Akquisitionspolitik", so Schöppner. "Da gibt es keine Schnellschüsse, möglicherweise aus Prestigegründen. Alles wird sorgfältig geprüft und vorbereitet." Und die Lufthansa bestätigt: "Wachstum kann nicht das einzige Argument für einen sinnvollen Zusammenschluss sein."
Bleibt die Frage, wie sehr die Konflikte mit den Mitarbeitern die Aussichten des Unternehmens trüben. Klar ist: Der Tarifabschluss mit Ver.di bewegte sich an der Schmerzgrenze. "Darüber war ich 'not amused'" sagt ein Analyst. "Das lässt erwarten, dass sich auch weitere Abschlüsse im höheren Bereich bewegen werden." Die 15 Prozent, die von der Flugbegleitergewerkschaft Ufo in den Raum gestellt wurden, werden von Experten allerdings unisono als unrealistisch abgetan.
Existenzgefährdend sind die Tarifkonflikte ohnehin nicht. Sehr wahrscheinlich wird die Lufthansa daher in der europäischen Luftfahrtbranche auch noch eine prominente Rolle spielen, wenn sich diese in ein paar Jahren gewandelt haben wird. Drei oder vier große Gesellschaften, so der Tenor im Markt, dürften sich durchsetzen, dazu vielleicht zwei oder drei kleinere. Zu Letzteren könnten Ryanair und Easyjet gehören, vielleicht auch Air Berlin .
Von den dominanten Netzwerkern haben Experten zufolge Air France-KLM und British Airways gute Aussichten - und vor allem der Marktführer aus Deutschland. Das Fazit liegt daher nahe: Man muss angesichts des schwierigen Marktes derzeit sicher nicht unbedingt eine Airline im Portfolio haben. Aber Antizykliker steigen vielleicht gerade jetzt ein - und für die ist die Lufthansa nicht die schlechteste Wahl.