Briefträger Merkel macht gegen Mindestlohn mobil
Berlin - Nach Ansicht von Franz Müntefering bemüht sich Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU), die Tarifparteien zu beeinflussen und dadurch den vereinbarten Mindestlohn zu unterlaufen. "Ich erwarte, dass sich alle daran halten und nicht versuchen, indirekt unseren gemeinsamen Willen zu umkurven", sagt der SPD-Politiker in einem SPIEGEL-Interview. Sollten die Versuche nicht aufhören, "wird darüber zu reden sein".
Bundeskanzlerin Angela Merkel indes will die Zeitungsverleger gegen den von ihr selbst mitbeschlossenen Mindestlohn mobilisieren. Merkel forderte mehrere CDU-Bundestagsabgeordnete auf, mit den Eigentümern ihrer jeweiligen Heimatzeitungen über das Vorhaben zu sprechen. Einige Verlage wären von einem neuen Mindestlohn betroffen, weil sie nach dem Wegfall des Post-Monopols im kommenden Jahr ins Briefgeschäft einsteigen wollen. Die Kanzlerin hofft, Post-Chef Klaus Zumwinkel auf diese Weise dazu zu bewegen, mit konkurrierenden Unternehmen wie der PIN Group über einen neuen, gemeinsamen Tarifvertrag zu reden.
Zumwinkel lehnt dies bislang ab. Er will den von der Post und einigen anderen Unternehmen mit Ver.di ausgehandelten Tarifvertrag als verbindlich für die ganze Branche erklären lassen. Die Koalition hatte beschlossen, die Post-Branche ins Entsendegesetz aufzunehmen. Unterdessen warnt das Bundeswirtschaftsministerium davor, dass noch viel mehr Arbeitnehmer von dem neuen Mindestlohn betroffen seien als bislang bekannt. So gilt die Regelung nach einer Analyse des Ressorts nicht nur für Briefträger, sondern auch für Arbeitskräfte, die Briefe einsammeln oder weiterbefördern.
Einbezogen wären damit auch jene rund 20.000 Angestellten von sogenannten Post-Agenturen, die in Supermärkten, Schreibwarengeschäften oder Bäckereien Briefe entgegennehmen. Wie diese Unternehmen einen Mindestlohn von bis zu 9,80 Euro entrichten sollen, sei allerdings "fraglich", heißt es in einem Protestschreiben des zuständigen Agenturverbands. Schließlich erhielten die Betreiber von der Post lediglich "eine Stundenvergütung von drei Euro".
Nach einem Bericht der "Rheinischen Post" könnte auch eine Formulierung des Tarifvertrags Probleme bereiten. In dem Tarifvertrag seien neben den Vollzeit-Zustellern auch Aushilfskräfte erfasst. Dadurch gelte er für knapp 120.000 Post-Bedienstete, denen aber rund 300.000 Kräfte der Konkurrenz gegenüberstünden. Die Unionsfraktion bestehe darauf, dass wie bei der Kabinettsklausur verabredet, mindestens 50 Prozent der Arbeitnehmer im Post-Dienst tarifgebunden sein müssten, bevor der Vertrag für allgemeingültig erklärt werde, berichtete die Zeitung unter Berufung auf Führungskreise der Fraktion. Nach diesen Berechnungen seien es aber weniger als 30 Prozent.
Gerster droht mit rechtlichen Schritten
Der Präsident des Arbeitgeberverbandes der Post-Konkurrenten, Florian Gerster, kündigte rechtliche Schritte an, sollten die ausgehandelten Mindestlöhne von acht bis 9,80 Euro für allgemeinverbindlich erklärt werden. "Dann wird die politische Frage zu einer rechtlichen im nationalen und im europäischen Rahmen", sagte er der "Wirtschaftswoche".
Für eine Einigung mit der Gewerkschaft Ver.di sieht Gerster derzeit keine Chance. "Wir haben Ver.di Verhandlungen über einen Tarifvertrag angeboten, und Ver.di hat uns so eindeutig eine Absage erteilt, dass wir das vorläufig als Tatsache hinnehmen müssen", sagte Gerster. Er fügte hinzu: "Wir konzentrieren uns jetzt auf die Politik und werden uns in den kommenden Tagen an alle Bundestagsabgeordneten und alle Mitglieder des Bundesrats wenden."
Die Länder entscheiden am Freitag über den vom Bundeskabinett bereits gebilligten Gesetzentwurf zur Erweiterung des Entsendegesetzes. "Ob wir eine Mehrheit bekommen, ist sicherlich sehr offen. Aber wir hoffen, die Front ein wenig aufbrechen zu können", sagte Gerster. Insgesamt seien die Aussichten gering, die SPD noch zu Änderungen des Gesetzentwurfs zu bewegen. Allerdings gebe es gute Kontakte zur CDU. Auch "die Bundeskanzlerin ist für uns eine besonders wichtige Ansprechpartnerin", sagte Gerster.
dab/Reuters/ddp/dpa