Chaostage bei Airbus Feiern, fluchen, philosophieren
Toulouse/Paris/Nordenham/Varel In Toulouse vergaß man heute für eine kurze Zeit die harten Zeiten und gab sich ganz der Nostalgie hin. Anlass war die Übergabe des letzten "Ur-Airbus" A300 an die US-Gesellschaft FedEx. Die Frachtmaschine war 1969 das erste von Airbus entwickelte Flugzeug überhaupt und weltweit das erste Großraumflugzeug mit nur zwei Triebwerken. "Die Auslieferung der letzten A300 ist ein emotionaler Moment und ein natürlicher Schritt in der Entwicklung der Airbus-Familie", sinnierte Airbus-Vizepräsident Charles Champion.
Ein paar Flugstunden weiter, im niedersächsischen Varel und in Nordenham, zogen derweil Tausende von Airbus-Mitarbeitern auf die Straße, teils waren sie aus Stade, Buxtehude, Bremen und Hamburg angereist. Die Geschichte der A300 interessierte sie herzlich wenig sie wollten ihrem Ärger noch einmal ordentlich Luft machen. Am 16. Juli trifft Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) den französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy in Sachen Airbus und EADS. Merkel soll die Frage nach der Zukunft der Werke und der Mitarbeiter zu diesem Anlass zur Chefsache machen, erklärten die Demonstranten. Sie kämpfen seit Monaten gegen den geplanten Verkauf der Werke in Varel, Nordenham und im baden-württembergischen Laupheim und um den Abbau von 10.000 Jobs im Rahmen des Sparprogramms "Power 8", an dem das Management gnadenlos festhält, obwohl jüngst hunderte von Aufträgen bei Airbus ins Haus flatterten.
Die Stimmung der Mitarbeiter etwa in Varel ist auf dem Tiefpunkt, wie auch ein Mitarbeiter des Werks berichtet. Die Vareler fühlten sich von Airbus verraten und seien vielfach überzeugt, man müsse die Produktion tatsächlich einmal stilllegen. Die vom Management vorgegebenen Einsparziele seien nicht zu erfüllen. "Wir werden nicht akzeptieren, dass das Airbus-Management sich aus der Verantwortung für die Standorte und die Regionen flüchtet", erklärte die Bezirksleiterin der IG Metall Küste, Jutta Blankau, auf der Kundgebung in Varel. "Angesichts der exzellenten Auftragslage müssen der Personalabbau und die Standortverkäufe vom Tisch."
Gestern waren die Betriebsräte allerdings erstmals öffentlich von ihrer strikten Ablehnung von Werksverkäufen abgerückt und hatten konkrete Forderungen an potenzielle Investoren gestellt. Dazu gehören vor allem die langfristige Sicherung von Arbeitsplätzen, Standorten und Sozialstandards sowie die industrielle Einbindung in die Airbus-Organisation.
Sarkozy will Aktionärspakt erweitern
Im Haus Nicolas Sarkozy sinnierte man unterdessen wieder einmal über die Aktionärsstruktur bei der Airbus-Mutter EADS . "Es wäre gut, wenn EADS seinen Aktionärspakt um neue Partner erweitert", sagte der Sprecher des französischen Präsidenten, David Martinon. Diese sollten bei der Airbus-Mutter vorzugsweise aus der Industrie kommen, "um den Start neuer Maschinen zu finanzieren, insbesondere des A350, und das Handicap des starken Euro zu überwinden".
Der Aktionärspakt legt unter anderem die Entscheidungshoheit der industriellen Hauptanteilseigner DaimlerChrysler und der Lagardère-Gruppe fest - alle anderen Aktionäre haben kein Mitspracherecht. Auch der französische Staat ist direkt bei EADS beteiligt, die Bundesregierung dagegen nicht. Der Pakt läuft 2010 aus. Sarkozy hatte in der jüngsten Vergangenheit schon wiederholt versucht, das deutsch-französische Gleichgewicht bei EADS zugunsten Frankreichs zu verschieben.
Martinon unterstrich nun heute, dass die Gespräche mit der deutschen Seite über die Reform des Führungsstruktur bei EADS noch andauern. Dies geschehe in einem "Klima des Vertrauens und der Gelassenheit". Merkel und der französische Präsident treffen sich am Montag am Airbus-Sitz in Toulouse. Laut Medienberichten soll die bisherige doppelte Führungsspitze bei EADS aus einem Deutschen und einem Franzosen aufgelöst werden und fortan nur noch ein Manager an der Spitze des Konzerns stehen.
Bei den Gesprächen mit Merkel müsse man weiter darauf hinarbeiten, eine Normalisierung des Konzerns zu erreichen, sagte Martinon, ohne nähere Einzelheiten zu nennen. In den vergangenen Tagen war aus Insiderkreisen verlautet, DaimlerChrysler und Lagardère seien sich über die Ernennung des deutschen Co-Vorsitzenden Thomas Enders zum alleinigen EADS-Chef weitgehend einig. "Das deutsch-französische Gleichgewicht bei EADS ist unentbehrlich und wird fortgeführt", erklärte Martinon. "Aber man darf nicht aus dem Blick verlieren, das die Ergebnisse, die Bestellungen und die Angestellten das Entscheidende sind."
ase/AP/AFP/dpa-AFX