Knebelkredite für Entwicklungsländer So funktioniert Chinas Schuldenregime

Hafenprojekt in Sri Lanka
Foto: Paula Bronstein/ Getty ImagesSie finanzieren Staudämme in Patagonien und Brücken in Laos. Ihre Kredite werden in Dollar oder in Erdöl beglichen, und wenn ihre Schuldner mal nicht zahlen können, sichern sie sich mitunter den Zugriff auf den wichtigsten Hafen des Landes. Chinas staatliche Entwicklungsbanken sind inzwischen die größten Gläubiger auf dem Globus. Allein den Entwicklungsländern haben sie mehr als 400 Milliarden Dollar geliehen. Die Darlehen gelten den einen als unverzichtbare Hilfe beim Aufbau der Infrastruktur. Den anderen als moderne Form der Zinsknechtschaft, die große Teile Asiens, Lateinamerikas und Afrikas unter die Kontrolle Pekings bringt.
Oft sind die Verträge selbst geheim
Über die Konditionen der chinesischen Kreditverträge aber war bislang wenig bekannt. Details gelangten höchstens dann in die Öffentlichkeit, wenn es Skandale gab. Nun aber hat ein Forscherteam aus US-amerikanischen Universitäten und Thinktanks sowie dem Kieler Institut für Weltwirtschaft erstmals rund 100 Kreditverträge im Volltext ausfindig machen können: in jahrelanger Detektivarbeit in den Archiven von Finanzministerien und Notenbanken oder den Anhängen von Parlamentsdokumenten.
Das Ergebnis ihrer Recherche, die Pekings Darlehensverträge erstmals systematisch aufarbeitet, gibt vielen Kritikern recht: Chinas Auslandskredite räumen den Schuldnern meist deutlich schlechtere Bedingungen ein als die Abkommen anderer großer Gläubigerländer. Sie beeinflussten »die Innen- und Außenpolitik« der Empfängerstaaten, heißt es in der Studie, und erschwerten »internationale Kreditvereinbarungen«.
Es geht schon damit los, dass Pekings Deals vielfach strikte Geheimhaltungsklauseln enthalten, wie sie in anderen Verträgen unüblich sind. Die Empfänger dürfen weder über die Konditionen noch über andere Bestimmungen der Verträge informieren, mitunter unterliegt sogar die Existenz des Vertrages selbst der Schweigepflicht. »Das macht es häufig schwer, das Ausmaß der Auslandsschulden richtig einzuschätzen und im Krisenfall geeignete Maßnahmen zu ergreifen«, sagt der Kieler Professor Christoph Trebesch, einer der Co-Autoren der Studie.
Zudem sehen die Verträge häufig vor, dass Chinas Staatsbanken bevorzugt auf Werte ihrer Schuldner zugreifen können, wenn die ihre Kredite nicht wie geplant tilgen. Mal sind Bankkonten im Ausland vorzuhalten, aus denen sich Peking nach Bedarf bedienen kann. Mal müssen die Regierungen zusichern, dass sie keine Umschuldungsabsprachen mit anderen Gläubigergruppen wie dem Pariser Club treffen. Die Klauseln stehen im Widerspruch zu Vereinbarungen, die die chinesische Führung jüngst im Rahmen der G20-Länder über den Umgang mit Entwicklungsländerkrediten getroffen hat.
Vor allem aber sichern die Deals China weitreichenden politischen Einfluss zu. So darf Peking häufig Kredite kündigen oder fällig stellen, wenn die Schuldnerstaaten »die Interessen einer Einrichtung der Volksrepublik« verletzen. Mitunter gilt schon der Abbruch der diplomatischen Beziehungen als Grund, die sofortige Rückzahlung der Darlehen zu verlangen. China sei ein »robuster und kommerziell gewiefter Gläubiger«, heißt es in der Studie, der es in seinen Verträgen auf vielfältige Weise versteht, Druck auf die Empfängerländer auszuüben.
Die Forscher fordern Transparenz
Oft kommt es dabei zu hässlichen Konflikten. Als der frühere argentinische Präsident Mauricio Macri ein von Peking finanziertes Staudammprojekt stoppen wollte, drohte die Volksrepublik kurzerhand damit, die Kredite für eine geplante Eisenbahnlinie zu kündigen. In Ecuador und Venezuela sicherte sich China den Zugriff auf Einnahmen aus dem Ölgeschäft, in Ghana aus der Bauxitförderung. Costa Rica und Honduras mussten Erträge aus Finanzpapieren verpfänden. Und in der Demokratischen Republik Kongo verboten die Verträge der Regierung jedwede Regulierung, die den chinesischen Investoren Nachteile bringen könnte. Solche »Stabilisierungsklauseln«, heißt es in der Studie, schwächten die »Selbstbestimmung der Schuldnerstaaten« sowie den »Umwelt-, Arbeits- und Gesundheitsschutz«.
Dennoch warnt der Kieler Schuldenforscher Trebesch davor, Chinas Kredite negativ zu sehen. Die Volksrepublik stelle häufig Geld für Länder bereit, in denen sonst kaum jemand investiere, vor allem nicht in langfristige Infrastrukturprojekte. Es sei deshalb »nachvollziehbar«, sagt er, »das sich die chinesischen Staatsbanken für ihr höheres Risiko auch besser absichern wollen«.
Für unabdingbar aber hält es der Wissenschaftler, dass China endlich mehr Transparenz über seine Kreditverträge herstellt: »Die Steuerzahler in den Schuldnerländern haben ein Anrecht zu erfahren, wofür sie im Zweifel haften sollen.«