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Unternehmenschef: Die mächstigen Wirtschaftsfüher Chinas

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Unternehmer Wie Chinas Bosse die Welt erobern

Ob Deutsche Bank oder Daimler: Immer häufiger kaufen sich Chinas Konzernchefs bei deutschen Unternehmen ein - und stoßen dabei per se auf Misstrauen. Doch wie ticken die Bosse wirklich?

Es sind harte Zeiten für Verfechter der Globalisierung. Die USA drohen der Welt mit Strafzöllen, und China droht mit - ja, mit was eigentlich? Mit Investitionen? Mit Industriepolitik?

Kein gutes Haar lassen die meisten deutschen Politiker und Kommentatoren am Einstieg des chinesischen Auto-Bosses Li Shufu als Großaktionär beim Daimler-Konzern. Sogar Noch-Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries meldete Kritik an.

Kaum jemand versäumt dabei, Unternehmer Li als Befehlsempfänger der KP Chinas zu geißeln. Schließlich hat ein anderer chinesischer Manager schon die Vorlage dazu geliefert: Der Chef des chinesischen Mischkonzerns HNA, Chen Feng, seit einem Jahr Großaktionär der Deutschen Bank. Chen outete sich im Februar per öffentlicher Videobotschaft als folgsamer Kommunist, indem er seine Treue zu KP-Chef Xi Jinping beschwor. Und schon erscheint auch die Investition Lis in Stuttgart als das Werk chinesischer Kommunisten, die heute ihren Parteichef Xi wie einen neuen Mao Zedong anbeten - das suggerieren in dieser Woche nicht zuletzt die Fernsehbilder vom in Peking tagenden Volkskongress.

Doch das große, rote chinesische Bedrohungsszenario stimmt so nicht. Li und Chen sind zwar beide KP-Mitglieder, in erster Linie aber zwei sehr unterschiedlich erfolgreiche Unternehmer. Sie sind nicht Deutschlands neue Feinde. Sie sind Chinas neue Bosse, deren Interessen nicht selten deren ihrer deutschen Chef-Kollegen ähneln. Und sie haben unter KP-Chef Xi heute mehr Freiheit als irgendein Unternehmer unter Mao je hatte.

Zum Beleg dafür ist gerade ein neues Buch erschienen: In "Chinas Bosse" beim Campus-Verlag porträtiert manager-magazin-Reporter Wolfgang Hirn die neue chinesische Unternehmerschaft als eine höchst unterschiedliche Truppe. Hirn reist seit vielen Jahren für das im SPIEGEL-Verlag beheimatete Magazin nach China. Viele chinesische Unternehmer kennt er persönlich. Sein Fazit: Es gibt heute mindestens vier Generationen chinesischer Unternehmer. Von den Selfmademen, die sich aus ärmsten Verhältnissen hochgearbeitet haben, bis zu den "Jungen Wilden" des laufenden Jahrzehnts, die gut ausgebildet und westlich orientiert sind.

Sie alle ticken sehr unterschiedlich. Li Shufu zum Beispiel war ein einfacher Bauerssohn, sein persönlicher Lebenswandel ist bis heute unauffällig. Chen Feng dagegen war Sohn eines Pekinger Parteifunktionärs - heute reist er mit Privatjet und feierte vergangenes Jahr seinen 64. Geburtstag im Pariser Petit Palais, bei Hummer und kandierter Ente. Wer Hirns Buch liest, weiß sofort, wen er lieber als Investor hätte: nämlich den grundsoliden Li statt des Tausendsassas Chen.

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Hirn, Wolfgang

Chinas Bosse: Unsere unbekannten Konkurrenten

Verlag: Campus Verlag
Seitenzahl: 284
Für 26,00 € kaufen

Preisabfragezeitpunkt

07.06.2023 17.50 Uhr

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Ein differenzierter Blick auf die chinesische Unternehmerschaft ist in nahezu allen Branchen unerlässlich. Froh kann der Westen bislang über die immer noch zahlreichen, trägen Staatskonzerne sein - sie bilden in Joint Ventures mit den westlichen und japanischen Autoherstellern den Großteil der chinesischen Autoindustrie und verlassen sich auf ihre ausländischen Partner.

Ganz anders sieht es in der Digitalindustrie aus, wo der chinesische Staat abgesehen von Zensur und Marktabschottung selten eingreift: Alibaba-Chef Jack Ma hat im Rekordtempo das Kaufverhalten von mehr als einer Milliarde Chinesen von Grund auf verändert. Sie zahlen jetzt mit Handy. Und Ma verkauft ihnen alles, auch wenn er anders als Amazon keine eigenen Lager betreibt.

Autor Hirn aber warnt, Ma nur als Nachahmer von Amazon-Chef Jeff Bezos, dem reichsten Mann der Welt, zu sehen: "Der Lehrling hat seinen Lehrmeister überholt, Alibaba ist innovativer als Amazon", schreibt Hirn und nennt Beispiele, etwa den Autokauf per Smartphone oder ein neues Supermarktkonzept, mit dem die Angestellten von Alibaba die eigenen Einkäufe erledigen lassen und dabei auf dem Bildschirm zuschauen.

Ähnlich könnte Tencent-Chef Pony Ma in Zukunft Mark Zuckerberg von Facebook Konkurrenz machen. Sein Unternehmen erfand den Instant-Messenger-Dienst WeChat. "WeChat ist alles zusammen: WhatsApp, Skype, Instagram und Facebook", zitiert Hirn den Roland-Berger-Chef Charles-Édouard Bouée. Schon wieder überholt hier ein Lehrling den Meister.

Dabei sind Chinas Bosse für Überraschungen gut: Huawei-Gründer Ren Zhengfei führt nicht nur das mittlerweile bekannteste Technologieunternehmen des Landes, er lässt seine Angestellten wählen: 80000 Huawei-Angestellte wählen 60 Repräsentanten, die den siebenköpfigen Vorstand aussuchen, in dem der Chef jedes halbe Jahr wechselt - im Rotationsprinzip. Das ist chinesische Mitbestimmung einer neuen Dimension - so könne "Führung auf höchster Ebene in der Zukunft aussehen", sagt der Management-Professor David De Cremer in Hirns Buch.

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Es gibt allerdings auch die Problemfälle wie Chen Feng. Der braucht heute Geld vom Staat für sein allzu hastig zusammengekauftes und deshalb überschuldetes Firmenimperium HNA. Lis Autokonzern Geely ist dagegen kerngesund und hat sich mit seiner Übernahme des schwedischen Autoherstellers Volvo vor sieben Jahren auch international etabliert.

"Geely und Volvo - gemeinsam in der Erfolgsspur" heißt der Zwischentitel eines Kapitels bei Hirn. Aber geht denn das? Je länger man sich mit dem Autor in die Lebensgeschichten und das Wirken von Chinas Bossen vertieft, desto öfter beschleicht einen die Ahnung: Wir werden sie noch brauchen, diese Bosse.

Wie ihre japanischen Vorreiter mit der Toyota-Revolution vor ein paar Jahrzehnten sind sie heute dabei einen neuen Management-Stil zu entwickeln, der durchaus Vorzüge hat. Etwa die unglaublich schnelle Verkupplung von neuer Software mit der Produktion. Bei Chinas Digital-Konzernen stehen die Fabriken eben noch nebenan - ein enormer Vorteil, den auch Deutschland haben könnte, wenn es hier denn Digitalkonzerne gäbe.

Aber vielleicht können Chinas Bosse bei deren Aufbau ja helfen. Das jedenfalls deutet Hirn an: "Die chinesischen Manager sind bereit, vom Westen zu lernen. Aber umgekehrt kämen die meisten westlichen Manager nie auf die Idee, von China zu lernen. Eine arrogante Attitüde, die wir schleunigst ablegen sollten."

Und vielleicht ist ja auch die westliche Kritik an Chinas Industriepolitik etwas verfrüht. Gerade hat die chinesische Regierung beim Versicherungskonzern Anbang die Kontrolle übernommen. Anbang war ähnlich wie HNA auf internationale Einkaufstour gegangen und hatte sich dabei hoffnungslos überschuldet. Möglicherweise blüht HNA nun ein ähnliches Schicksal wie Anbang, das jedoch für die Deutsche Bank immer noch viel besser wäre als ein Bankrott ihres größten Aktionärs. Die chinesische Industriepolitik würde hier also etwas für alle Seiten Gutes tun. Ein Bankrott von HNA und anderen chinesischen Großinvestoren könnte sonst das zerstörerische Potential der Lehman-Krise von 2008 haben - als der Zusammenbruch einer US-Bank das internationale Finanzsystem ins Wanken brachte.

Chinas Unternehmen und seine Industriepolitik sind eben vielseitig. Das muss auch Michael Brecht, der Betriebsratschef von Daimler in Stuttgart, gewusst haben, als er im vergangenen Jahr von Li Shufus Plänen erfuhr. Sofort setzte er sich mit den Gewerkschaftskollegen von Volvo ins Vernehmen. Und blieb ganz ruhig, als Lis Einstieg im Februar bekannt wurde. Brecht hatte nämlich, berichtete die Wirtschaftsagentur Bloomberg, "seine Hausaufgaben gemacht" und aus Schweden nur Gutes über Li gehört (mehr zu Li Shufu lesen Sie hier bei SPIEGEL PLUS).

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