»Verarmungsprogramm« FDP-Chef Lindner warnt vor Folgen der Inflation

Die Inflation ist so hoch wie seit den Neunzigern nicht mehr. Der FDP-Vorsitzende Lindner warnt vor den Folgen. DIW-Chef Fratzscher wiegelt ab: Man solle die Lage nicht überbewerten.
FDP-Vorsitzender Christian Lindner: Risiken der ökonomischen Gesamtlage unterschätzt

FDP-Vorsitzender Christian Lindner: Risiken der ökonomischen Gesamtlage unterschätzt

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ANNEGRET HILSE / REUTERS

Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner ist besorgt über die andauernde Inflation in Deutschland. »Die Risiken der ökonomischen Gesamtlage werden in der deutschen Politik momentan unterschätzt«, sagte Lindner. Inflation sei »ein Verarmungsprogramm gerade für Menschen ohne hohes Sachvermögen«. Die Bekämpfung der Geldentwertung sei Ausdruck sozialer Verantwortung.

»Die öffentlichen Finanzen solide zu halten, ist dafür der wesentliche Baustein«, sagte er und warnte mit Blick auf die Europäische Zentralbank (EZB): »Wenn die EZB in das Schlepptau der Fiskalpolitik stark verschuldeter Staaten geraten würde, dann hätte sie kaum Möglichkeiten, die Inflation zu bekämpfen. In den USA deutet sich aus diesem Grund bereits eine Zinswende an, die in Europa schwer realisierbar wäre.«

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Die Begrenzung von ausufernder Staatsverschuldung müsse daher auch Ziel einer künftigen Bundesregierung sein, so Lindner. »Deutschland hat hier eine Schlüsselstellung für die Stabilität ganz Europas. Investitionen sind dringend nötig, aber ihre Finanzierung kann nachhaltig solide gelingen, wenn nicht zugleich die Wünsche nach staatlichen Konsumausgaben durch die Decke gehen.«

Für den beschleunigten Preisauftrieb gibt es mehrere Gründe, einen maßgeblichen Anteil haben die Nachwehen des Corona-Krisenjahres 2020, in dem die Inflationsrate teilweise negativ war. So schlägt aktuell die Rücknahme der temporären Mehrwertsteuersenkung inzwischen voll durch: Seit Januar 2021 gelten wieder die regulären Mehrwertsteuersätze, Waren und Dienstleistungen werden also tendenziell wieder teurer. Hinzu kommen Materialmangel und Lieferengpässe sowie die Einführung der CO₂-Abgabe. Seit Jahresbeginn sind 25 Euro je Tonne Kohlendioxid fällig, das beim Verbrennen von Diesel, Benzin, Heizöl und Erdgas entsteht. Steigende Energiepreise tragen seit geraumer Zeit zur Inflation bei.

»Nicht in Inflationspanik verfallen«

Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, sagte der »Augsburger Allgemeinen«, man dürfte Entwicklung der Inflation nicht überbewerten . Er rechne für Deutschland mit einem kurzfristigen Anstieg der Inflation bis Jahresende und einer anschließenden Entspannung. »Ich gehe davon aus, dass sich die Teuerung zum Jahresende bis auf 5,0 Prozent bewegen könnte«, sagte Fratzscher. »Wir rechnen für das gesamte Jahr 2021 mit einer Inflationsrate von 3,0 Prozent, was nicht dramatisch ist.« Das DIW gehe davon aus, dass für Deutschland 2022 eine Teuerung von 2,5 Prozent anstehe. Die Chancen stünden gut, dass sich die Inflation wieder auf etwa 2,0 Prozent einpendele. »Wir sollten also einen kühlen Kopf bewahren und nicht in Inflationspanik verfallen«, so der DIW-Präsident.

Fratzscher erklärte auch, dass ohne Steuererhöhungen in Deutschland kein Weg an zusätzlichen Schulden vorbeiführen werde: »Alle Rechnungen zeigen uns, dass der deutsche Staat in den nächsten zehn Jahren jedes Jahr 50 Milliarden Euro für mehr Klimaschutz und den Ausbau der Digitalisierung braucht.«

wbr/dpa/rtr
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