Shutdown-Schäden Wirtschaftsforscher senken Wachstumsprognose für 2021 deutlich

Leere Essener Innenstadt im zweiten Lockdown
Foto: Rupert Oberhäuser / imago imagesViele Konjunkturforscher erwarten durch die zweite Corona-Welle und den anhaltenden Shutdown eine schlechtere wirtschaftliche Entwicklung als bislang gedacht. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) senkte seine Prognose für das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in diesem Jahr von 5,2 auf nur noch 3,5 Prozent. Doch es gibt auch optimistischere Stimmen: Die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung etwa hält ein Wachstum »um spürbar über vier Prozent« für möglich.
Im ersten Jahresquartal erwartet das DIW einen wirtschaftlichen Einbruch um über zwei Prozent. Ein Neustart im zweiten Quartal werde nur gelingen, wenn die Infektionswelle bis Februar abebbe und die Einschränkungen dann größtenteils aufgehoben werden könnten, sagte DIW-Präsident Marcel Fratzscher dem »Handelsblatt« vom Dienstag. »Wenn dies nicht gelingt, dann könnte die Wirtschaft in Deutschland noch länger leiden und die Gefahr von Unternehmensinsolvenzen und Arbeitslosigkeit deutlich zunehmen.«
Wirtschaftsweise: Prognose »nicht mehr haltbar«
Die ursprüngliche DIW-Prognose war deutlich optimistischer gewesen als jene des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung : Dieser hatte im November – also noch vor dem derzeitigen härteren Shutdown– ein BIP-Wachstum um 3,7 Prozent für 2021 vorhergesagt. Der Vorsitzende der Wirtschaftsweisen, Lars Feld, nannte diese Prognose inzwischen »nicht mehr haltbar«.
Die geplante Lockdown-Verlängerung werde die wirtschaftliche Erholung verzögern, warnte auch der Präsident des Ifo-Instituts, Clemens Fuest, im »Handelsblatt«. Eine längere Schließung großer Teile des Einzelhandels werde sich »irgendwann auch auf die Nachfrage nach Industriegütern auswirken« und könnte so die industrielle Erholung ausbremsen.
Solange sich Industrieproduktion und Baugewerbe noch positiv entwickelten, sei der Wirtschaftseinbruch deutlich milder als im Frühjahr 2020, sagte IfW-Präsident Gabriel Felbermayr. Allerdings sei für Februar bestenfalls »mit teilweisen Lockerungen« des Shutdowns zu rechnen. Laut Felbermayr rechnet sein Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) für 2021 insgesamt mit wirtschaftlichem Wachstum – allerdings »bei weiterhin enormer Unsicherheit«.
Die Hans-Böckler-Stiftung mahnte am Dienstag verstärkte Investitionen zur Überwindung der Coronakrise an. Andernfalls laufe Deutschland Gefahr, »die Erholung abzuwürgen«, erklärte das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Stiftung. Die bereits erhöhte Staatsverschuldung sei »kein Hindernis« für kreditfinanzierte Investitionen in Digitalisierung, Forschung und Klimaschutz.
Bankenpräsident Hans-Walter Peters warnte insbesondere vor einem Anstieg der Unternehmenspleiten 2021. Die Zahl der Insolvenzen werde im Vorjahresvergleich voraussichtlich »um einige Tausend steigen«, sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Der Shutdown über Weihnachten sei gerade für den Einzelhandel »der schlimmste annehmbare Fall gewesen« und werde »deutliche Spuren« hinterlassen: »Das wird Folgen für die Innenstädte haben«, betonte der Präsident des Bundesverbands deutscher Banken (BdB). Auch in Gastronomie und Tourismus »werden wir sicherlich deutliche Probleme sehen«.