Datenanalyse Deutsche hamstern wieder weniger

DER SPIEGEL
"Gab's Toilettenpapier? Ist Hefe wieder da? Und Mehl?" Manches Einkaufsgespräch der letzten Wochen dürfte Ostdeutsche an die DDR erinnert haben. Damals gab es die sogenannten Mangelwaren. Und wenn die im Laden vorrätig waren, wurden die Einkaufskörbe schnell gefüllt.
Doch das Hamstern ist keine Spezialität der Ostdeutschen, wie sich nun in der Coronakrise gezeigt hat. Auch in München, Darmstadt oder Flensburg gab es in den Supermärkten plötzlich leere Regale. Bei Mehl, Nudeln, Reis, Konserven und Toilettenpapier überstieg die Nachfrage immer wieder das Angebot.
Doch inzwischen zeichnet sich ein deutliches Nachlassen der Hamsterkäufe ab. Daten aus deutschen Supermärkten zeigen, dass sich die Verkaufszahlen für viele Produkte von Ende März bis Mitte April wieder weitestgehend normalisiert haben. Die Daten stammen vom Unternehmen Nielsen , das diese wöchentlich erhebt.
Beispiel Toilettenpapier: Der Absatz war im März 2020 um mehr als 100 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gestiegen. Die Deutschen kauften also doppelt so viel davon - siehe folgendes Diagramm:
Doch in der 15. Kalenderwoche (6.-12. April) lag der Wert dann bei minus 20 Prozent. Es wurde in dieser Woche also weniger Toilettenpapier verkauft als in der Vergleichswoche im Jahr 2019. Ganz ähnlich verlief auch die Entwicklung bei Zahnpasta.
Auch beim zuletzt oft ausverkauften Mehl geht der Absatz zurück. Doch die Nachfrage ist immer noch größer als normal. In der 15. Kalenderwoche registrierte Nielsen ein Absatzplus von 27 Prozent.
Das kann einerseits natürlich damit zu haben, dass das Angebot zwischenzeitlich eingeschränkt war. Wo es nichts gibt, kann auch nichts verkauft werden. Zudem wurden Artikel wie Toilettenpapier auch in vielen Märkten rationiert. Andererseits hat aber offenbar auch die Nachfrage nachgelassen, weil die Kunden merken, dass die Supermärkte geöffnet bleiben und ständig Nachschub bekommen.
Nahezu normalisiert haben sich zum Beispiel auch die Verkaufszahlen von Konserven und Fertigprodukten. Zumindest zeigt sich dies in den Daten der von Nielsen erfassten Produktgruppen.
Ein interessantes Detail: Bei Tiefkühlkost erreichte das zwischenzeitliche Plus gerade mal 53 Prozent - und nicht 100 oder 200 Prozent wie bei Mehl oder Würstchenkonserven. Der Grund ist offensichtlich: Das Hamstern von Tiefkühlpizza fällt schwerer, weil der Platz im Tiefkühlfach begrenzt ist.
"Wir können bestätigen, dass sich das Kaufverhalten der Verbraucher mittlerweile weitgehend normalisiert hat", sagt Andrea Kübler, Sprecherin von Kaufland. Falls es Engpässe gebe, stünden Kunden wegen des breiten Sortiments immer Alternativen zur Verfügung.
"Versorgungslage ist stabil"
Auch Christian Salmen, Sprecher von Aldi Nord, beobachtet ein Ende der Hamsterkäufe: "Es ist davon auszugehen, dass sich viele Kunden inzwischen bevorratet haben und daher die Einkäufe zurückgehen." Dort, wo Aldi Nord vereinzelt noch höhere Absatzmengen verzeichne, könnten Artikel jedoch nach wie vor zeitweise vergriffen sein. In den meisten Fällen gebe es aber Alternativprodukte.
"Die Versorgungslage ist insgesamt stabil", sagte der Sprecher. Aldi habe dafür seine Liefer- und Logistikprozesse angepasst. "Wie sich die Situation darüber hinaus zum Beispiel bei Obst und Gemüse aus Deutschland entwickeln wird, bleibt abzuwarten."
Weiterhin schwer zu bekommen sind Desinfektionsmittel. Hier waren die Verkaufszahlen zu Beginn der Coronakrise allerdings auch extrem nach oben geschossen - auf ein Plus von 470 Prozent!
Fast genauso hoch war der Zuwachs bei Brotmischungen - einer der beiden Corona-Topseller aus der Nielsen-Statistik, die allerdings nur 26 Produktgruppen umfasst.
Dass der Verkauf von Toilettenpapier und Nahrungsmitteln im März stark angestiegen ist, liegt jedoch nicht allein an Hamsterkäufen. Weil viele Menschen im Homeoffice arbeiten, verbringen sie viel mehr Zeit zu Hause. Sie gehen mittags auch nicht mehr in die Kantine oder zum Imbiss, sondern essen zu Hause. Deshalb müssen sie auch mehr Nahrungsmittel im Supermarkt kaufen.
Auch der Verbrauch an Seife und Toilettenpapier in den Wohnungen und Wohnhäusern steigt, während er in Büros und Betrieben sinkt.
Flucht in den Alkohol?
Gern spekuliert wird über die Frage, ob die Menschen in ihrem Corona-Frust verstärkt zu Schokolade oder Drogen greifen. Die Verkaufszahlen zeigen da kein so klares Bild - wie folgende Grafik zeigt:
Der Absatz von Bier schwankt stark und liegt teils bei minus 10 Prozent, teils bei plus 30 Prozent. Der Trend scheint jedoch nach oben zu zeigen.