Verkehr und Coronakrise Die Welt kommt zum Stillstand
Wie drastisch und wie schnell das Coronavirus die Welt verändert hat, zeigt der Blick auf die Verkehrsbranche: Flugpläne wurden zusammengestrichen, die Straßen sind leer gefegt, leere Kreuzfahrtschiffe dümpeln vor sich hin.
Wir haben umfangreiche Daten zum Straßen-, Flug- und Schiffsverkehr ausgewertet. Sie zeigen eindrücklich die dramatischen Folgen der Coronakrise. Besonders stark betroffen sind der Autoverkehr sowie die Luftfahrtbranche und Kreuzfahrten. Eine Ausnahme stellen Containerschiffe dar: Dort sind die Rückgänge bislang überschaubar - dazu später mehr.
Immer weniger Autos
Für jeden zuerst sichtbar sind die Veränderungen auf den Straßen. Um die Entwicklung der Verkehrsdichte genau abschätzen zu können, haben wir Daten des Navigationsanbieters TomTom analysiert. TomTom trackt über fest eingebaute Navis und über Smartphones die Bewegung von 10 bis 20 Prozent aller Autos in Deutschland - aber auch in fast allen anderen Ländern.
Wir haben neun Städte europaweit betrachtet, darunter die Corona-Hochburg Bergamo, Mailand und Madrid sowie vier deutsche Metropolen. Dort haben wir gezählt, wie viele Trackingmeldungen pro Tag erfasst wurden. Diese Zahl schwankt normalerweise von Wochentag zu Wochentag nur minimal.
Doch seit das Coronavirus grassiert, sind die Zahlen massiv eingebrochen: Im besonders betroffenen Bergamo und in Mailand lag die Verkehrsdichte am letzten Freitag (20. März) bei nur noch 17 Prozent im Vergleich zum Vergleichstag vor der Krise, dem 24. Januar - siehe Grafik oben. Wien lag am Freitag bei 43 Prozent, Berlin bei 64 Prozent. In Österreich gelten allerdings auch strengere Ausgangsbeschränkungen als in Deutschland.
Wie schnell der Straßenverkehr in deutschen Städten gesunken ist, verdeutlicht folgendes Diagramm. Zu sehen ist die tägliche Verkehrsdichte der letzten 14 Tage - immer im Vergleich zu den sieben Tagen der vierten Kalenderwoche 2020. Den stärksten Rückgang auf 22 Prozent - gemessen an diesem Samstag - gab es in München, wo strengere Beschränkungen gelten als etwa in Berlin oder Hamburg.
Deutlich weniger Verkehr - das ist in Italien und Spanien schon einige Tage länger Realität. Dort wurde der Lockdown früher in Kraft gesetzt - und die Maßnahmen sind weitreichender als bislang in Deutschland.
Die Luftfahrtbranche trifft die Coronakrise besonders hart . Die Anzahl kommerzieller Flüge weltweit geht von Tag zu Tag zurück. Vergleicht man die Flugverbindungen pro Woche im Jahr 2020 mit den Zahlen aus dem Jahr 2019, sieht man in den ersten Wochen zunächst leichte Zuwächse, dann ab Februar aber bereits leichte Rückgänge - und nun in Kalenderwoche zwölf (der vergangenen Woche) einen regelrechten Absturz.
Die Coronakrise begann zunächst in China, weitete sich dann auf Asien aus - bis sie schließlich auch in Europa ankam. Dies ist sehr gut an der Zahl der Starts zu erkennen, die auf verschiedenen Airports seit Jahresbeginn gezählt wurden. Peking ist Frankfurt etwa sechs Wochen voraus.
Bereits zusammengebrochen ist das Geschäft der Kreuzfahrtbranche. Kein Wunder: Ein Schiff, auf dem Tausende Menschen eng zusammenhocken, ist eine ideale Verteilstation für das Virus. Und es gab ja schon mehrere Fälle, in denen es auf Kreuzfahrtschiffen zu Ausbrüchen kam.
Daten des Hamburger Unternehmens Vesseltracker veranschaulichen, wie die schwimmenden Luxushotels weltweit binnen wenigen Wochen aus dem Verkehr gezogen wurden. Vesseltracker erfasst ähnlich wie Flightradar bei Flugzeugen über Empfänger die aktuellen Statusmeldungen von Schiffen (GPS-Position, Geschwindigkeit, Fahrtrichtung).
Bei Containerschiffen scheint der Verkehr im Jahr 2020 trotz allem vergleichsweise normal zu verlaufen. "Bisher sind die Unterschiede zum Vorjahr nicht so eklatant", sagt Bengt van Beuningen, Sprecher des Hamburger Hafens. Schiffe aus China bräuchten in der Regel sechs Wochen bis nach Hamburg. Die Produktionsrückgänge in China würden erst in den kommenden Wochen dazu führen, dass weniger Schiffe in Hamburg einliefen.
Wenn man auf die Abfahrten aus den zehn größten Häfen Chinas schaut, erkennt man erste Rückgänge ab Ende Januar, als China den Kampf gegen das Coronavirus aufnahm. Damals wurden unter anderem die Ferien rund um das Neujahrsfest verlängert, um Zeit zu gewinnen.
Um einen guten Eindruck über die Entwicklung in diesem Jahr zu bekommen, sollte man besser nicht auf die täglichen oder wöchentlichen Abfahrten schauen. Denn diese Zahlen schwanken relativ stark.
Einfacher ist es, alle Containerschiffe ab 300 Meter Länge zu zählen, die seit dem 1. Januar 2020 von den Top-Ten-Häfen Chinas abgelegt haben. Am 24. März 2020 landet man dann bei einer Zahl von knapp 2900. Das ist gegenüber 2019 gerade mal ein Minus von elf Prozent - siehe folgende Grafik.
Gut möglich, dass diese Riesenpötte noch nicht so gut ausgelastet sind wie normalerweise. Doch inzwischen wird die Produktion in China wieder hochgefahren - und auch die Zahl dort ablegender Containerschiffe wird steigen, glaubt der Sprecher des Hamburger Hafens van Beuningen. Die vorherigen Ausfälle könnten so womöglich kompensiert werden.