Autowerk: Wie schnell wird sich die deutsche Wirtschaft nach dem Shutdown erholen?
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Bedeutet das Ende eines Corona-Lockdowns automatisch, dass es der Wirtschaft schnell besser geht? Zumindest geht die EU-Kommission in ihrer aktuellen Konjunkturprognose von einer schnellen wirtschaftlichen Erholung ab April aus, obwohl sich Länder wie Deutschland oder Frankreich aktuell in Shut- oder Lockdowns befinden. Im Frühling werde die Erholung einsetzen und im Sommer an Fahrt gewinnen, hieß es. Ökonomen schätzen die wirtschaftliche Regeneration für die Zeit nach dem Ende eines Lockdowns dagegen kritischer ein – zumindest, solange das Coronavirus nicht unter Kontrolle ist.
Vergleichsstudien in Skandinavien und den USA zeigen, dass die Wirtschaft in Ländern und Regionen ohne strikte Lockdowns in der ersten Phase der Epidemie ebenso abstürzte wie in Staaten mit strikten Beschränkungen. »Da das Virus für Unsicherheit sorgt, investieren viele Firmen nicht«, sagt Clemens Fuest, der Präsident des Münchner Ifo-Instituts. »Wenn ein gefährliches Virus grassiert, gehen die meisten Menschen nicht ins Kino, ins Restaurant oder ins Konzert, egal ob sie dürfen oder nicht.« In Deutschland ist der Shutdown bis zum 7. März verlängert worden, weitgehende Lockerungen sind dann erst ab einem Inzidenzwert von 35 in Sicht.
In Europa ist Schweden das bekannteste Beispiel für ein Land, dass mit der Pandemie zunächst ohne strikte Beschränkungen zurechtkommen wollte. Dennoch brach die schwedische Wirtschaftsleistung nach Daten der EU-Statistikbehörde im zweiten Quartal 2020 um acht Prozent ein, im benachbarten Dänemark waren es mit Lockdown minus 7,1 Prozent. Dabei spielte allerdings auch eine Rolle, dass die internationalen Lieferketten in der Industrie zeitweise schwer gestört waren.
»Ohne Lockdown kommt der wirtschaftliche Einbruch etwas später«
Ifo-Wissenschaftler haben in einer Studie den schwedischen Arbeitsmarkt untersucht, der ebenfalls hart getroffen wurde. »Ohne Lockdown kommt der wirtschaftliche Einbruch etwas später und ist nicht ganz so tief«, sagt Fuest. »Das bezahlt man allerdings mit später höheren Infektionszahlen und entsprechend höheren gesundheitlichen und ökonomischen Schäden, die nicht mitgezählt sind.«
In den USA haben die Ökonomen Austan Goolsbee und Chad Syverson die ökonomischen Folgen für den Einzelhandel in der frühen Phase der Pandemie in mehreren US-Landkreisen mit und ohne Lockdowns untersucht. Ergebnis: »Während der gesamte Kundenverkehr um 60 Prozent zurückging, erklären die rechtlichen Beschränkungen nur sieben Prozent dieses Rückgangs. Individuelle Entscheidungen (der Einkäufer) waren sehr viel wichtiger und stehen anscheinend in Zusammenhang mit der Angst vor Infektion«, schreiben die beiden Wissenschaftler. Eine offene Frage ist allerdings, ob die Menschen sich in einer späteren Phase der Pandemie ebenso verhalten würden wie in der ersten.
Ein entscheidender Faktor beim Tempo der wirtschaftlichen Erholung wird die Geschwindigkeit der Impfkampagne sein. Darin sind sich viele Wissenschaftler mit Unternehmern und Politikern sowie der EU-Kommission einig. »Ein funktionierendes Impfprogramm würde die wirtschaftliche Erholung beschleunigen«, sagt Claus Michelsen, Leiter der Abteilung Konjunkturpolitik am DIW in Berlin.
Forderung nach schnellen Impfungen
Die »No Covid«-Initiative von 14 Wissenschaftlern mehrerer Fachrichtungen von Medizin bis Ökonomie mahnte die Regierenden in ihrem neuen Papier am Mittwoch, Geld für schnellere Impfungen in die Hand zu nehmen – und sei das noch so teuer: »Wegen der hohen Kosten der Pandemie und der notwendigen harten Maßnahmen zu ihrer Eindämmung sind Investitionen, die Aussicht auf eine Beschleunigung der Impfungen bieten, quasi in jedem Umfang rein wirtschaftlich vorteilhaft.« Ifo-Präsident Fuest war an dem Appell beteiligt.
Denn nach wie vor läuft die Impfkampagne in der EU sehr schleppend. Nach der Analyse des Portals »Our World in Data«, hatte es am 9. Februar in Großbritannien pro 100 Einwohner bereits 20 Impfungen gegeben, in der EU dagegen vier – die Briten waren also bislang bei den Impfungen fünfmal schneller als die Kontinentaleuropäer. »Nachzügler in der Impfkampagne werden im Krisenmodus gefangen bleiben und mit erheblichen Kosten konfrontiert werden – ökonomisch und politisch«, warnten die Volkswirte des Versicherungskonzerns Allianz in einer kürzlich veröffentlichten Einschätzung.