Coronakrise Italiens Regierung stemmt sich gegen den wirtschaftlichen Absturz

Piazza Gae Aulenti in Mailand: Die Wirtschaft steht still
Foto:Claudio Furlan/ dpa
Wer nicht zur Arbeit oder ins Krankenhaus muss, soll zu Hause bleiben, so hat es die Regierung verfügt. Einkaufen ist noch erlaubt, aber nur in der eigenen Kommune. Wer sich unerlaubt im Land bewegt, wird bestraft - mit Geldbußen oder bis zu drei Monaten Haft. Am Mittwoch verschärfte Ministerpräsident Giuseppe Conte die Maßnahmen noch einmal: Bars und Restaurants sowie fast alle Geschäfte sollen ab sofort geschlossen bleiben. Nur Supermärkte, Apotheken und Drogerien seien weiter geöffnet. Ein Land im Schlafmodus.
Auch von außen steht Italien zunehmend unter Quarantäne: Fluglinien wie Easyjet, British Airways und Iberia streichen die Flüge; viele Länder - von Österreich bis Australien - lassen keine Italiener mehr ins Land. Virusangst allerorten.
Hohe Verluste an der Börse
Die hat längst auch die Börsen erfasst: Anfang dieser Woche brachen die Kurse weltweit so stark ein wie seit Jahren nicht mehr. Die prozentual größten Verluste trafen italienische, an der Börse in Mailand gehandelte Unternehmen. Sie verloren allein am Montag elf Prozent an Wert, das entspricht etwa 51 Milliarden Euro. An diesem Donnerstag ging es weiter nach unten - der italienische Aktienindex FTSE MIB fiel auf den niedrigsten Stand seit 2016. In den vergangenen drei Wochen hat der Index rund 33 Prozent eingebüßt.
Ob auf den Märkten, in vielen Teilen des Einzelhandels, in der Hotel- und Gaststättenbranche, bei Autohändlern und Taxifahrern - in weiten Teilen der italienischen Wirtschaft läuft wenig oder nichts.
Mit einem 25-Milliarden-Programm will der Staat jetzt die negative Entwicklung dämpfen. Dafür sind mehrere Maßnahmen geplant:
Finanzhilfen und Steuerstundungen für besonders betroffene Branchen, wie Transport und Logistik, Theater und Flugverkehr
Rund zwei Milliarden Euro für Beschäftigte, deren Betriebe dicht sind und die ohne Lohn dastehen; sie sollen unbürokratisch "Kurzarbeitergeld" bekommen und dürfen fällige Zahlungen zum Beispiel für den Wohnungskredit aussetzen
Bis zu sieben Milliarden als Darlehen für Exportversicherungen und als Zuschüsse für "Made in Italy"-Imagekampagnen
Etwa 1,5 Milliarden für die Einstellung von 5000 Medizinern - darunter viele pensionierte Ärzte, die man zurück in die Kliniken holen will - und 15.000 Krankenschwestern und Sanitäter, sowie für die Ausstattung von Krankenhäusern
Betreuungsgutscheine für Familien mit geringem Einkommen, die ihren Job noch haben, aber nicht wissen, wohin mit ihren Kindern
Ein Teil des Geldes wird aus Brüssel kommen müssen. Die EU-Kommission hat schon signalisiert, man werde Italien beistehen. Und das nicht nur, weil der zuständige Kommissar, Paolo Gentiloni, Italiener ist. Auch Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat Milliarden für den Kampf gegen das Virus und seine auch ökonomisch dramatischen Folgen angekündigt.
In Zeiten von Corona kann sich Europa natürlich nicht knausrig zeigen. So hat auch die Chefin der Europäischen Zentralbank, Christine Lagarde, bereits Hilfsaktionen für die gesammte europäische Wirtschaft annonciert. Bei einer Pressekonferenz an diesem Donnerstag dürfte es dazu mehr zu hören geben. Für ein konkretes Hilfsprogramm, das ausschließlich auf Italien zugeschnitten ist, müsste die Regierung in Rom allerdings einen Antrag bei der Zentralbank stellen.
Der Kampf mit viel Geld gegen die Krise soll verhindern, dass die Fehler der Finanz- und Eurokrise wiederholt werden, als Zaudern und Geiz die Lage verschärften.
Gleichwohl wird dieser Kampf auch gefährliche Nebenwirkungen mit sich bringen: Die Schuldenquote des ohnehin hoch verschuldeten Italiens wird damit weiter steigen, zunächst um rund einen Prozentpunkt. Auch das hat Brüssel schnell und still geschluckt, obwohl es bislang an der Schuldengrenze um jedes Zehntel verbissen gekämpft hatte.
Aber Italiens neue, zusätzliche gewaltige Schulden sind ja auch nach der Coronakrise noch da. Und das wird eine große, schwierige Last für beide, für Italien und die EU.
Der "Spread" steigt schon wieder
An den Finanzmärkten hat man diese Gefahr bereits erkannt. Der berüchtigte "Spread", der Zinsaufschlag, den Länder mit hohem Schuldenstand auf ihre Schuldscheine zahlen müssen, damit diese Käufer finden, steigt schon wieder.
Zwar sind Staatsanleihen insgesamt bei den Anlegern gerade sehr gefragt, vor allem amerikanische und deutsche. Für deutsche Schuldpapiere zahlen die Käufer derzeit sogar "Negativzinsen". Die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen liegt bei minus 0,75 Prozent.
Bei den Anleihen, die der römische Finanzminister Roberto Gualtieri anbietet, ist das anders: Da verlangen die Interessenten 1,2 Prozent Zinsen. Das klingt wenig, summiert sich aber. Denn Italien braucht viel Geld. Und vor allem könnten die Zahlen bald noch deutlich steigen.