GASTRONOMIE Daddys Erben
Die Sektsteuer, der laue Karneval und der regennasse Sommer des vergangenen Jahres sollen die Schuld daran tragen, daß Hans Herbert Blatzheims Hinterlassenschaft nicht so recht floriert.
So jedenfalls sehen es die Manager der Gastronomie-Gruppe Blatzheim AG, die Romy Schneiders 1968 an Herzinfarkt verschiedener Stiefvater Hans Herbert ("Daddy) Blatzheim im Nachkriegsdeutschland aufgezogen hatte: Bis 1972 sammelte das Unternehmen bei 32 Millionen Mark Jahresumsatz 750 000 Mark Verluste an.
Schon einmal, vor sechs Jahren, steckte das vor allem durch Klatschspalten über Daddy Blatzheim und Ehefrau Magda Schneider bekannte Firmen-Konglomerat in der Krise. Nach Rekord-Dividenden von durchschnittlich 17,7 Prozent zwischen 1958 und 1965 stand das Blatzheim-Unternehmen 1967 kurz vor dem Zusammenbruch -- Hans Herbert Blatzheim, obwohl schon im Tessiner Altenteil, feuerte den Vorstandsvorsitzenden, kehrte in die Geschäftsführung zurück und starb kurz darauf.
Zwar hatte Blatzheim damals Vergleich oder gar Konkurs abgewendet. Seine Nachfolger im Vorstand schafften es aber nicht, den hochgeschobenen Verlustvortrag abzubauen.
Die Aktionäre, darunter Oetkers Söhnlein-Sektkellerei, attackierten auf der letzten Hauptversammlung Vorstand und Aufsichtsrat wegen undurchsichtiger Geschäftspraktiken. Ein Aktionärsvertreter murrte: »Wir haben uns auch sehr gewundert über das Spesengebaren des Vorstands.«
Kritik übten die Aktionäre auch an der schlechten Unternehmensführung. Denn statt ein langfristiges Unternehmenskonzept zu ersinnen, liefen die Blatzheim-Manager stets der gerade herrschenden Gastronomie-Mode nach -- und kamen immer wieder zu spät. Blatzheims Barbetriebe, seine Crazy Clubs, die Tabu-Kette, die Eve-Bars und die Nachtklubs Black Horse schlossen im Laufe der letzten Jahre. Aus den Ruinen der Eve-Bar in Köln ließen die Blatzheim-Manager für viel Geld eine Starlight-Bar leuchten, deren Lichter mangels Kundschaft aber bald wieder verloschen. Nun bauten die Gastronomen das Gemäuer zum thailändischen Feinschmecker-Lokal Thai um -- mit mäßigem Erfolg.
Blatzheim-Sohn Jochen, gleichfalls im Vorstand der AG, ließ die Kölner Tanzdiele P 7 in eine Kneipe mit Nachtkonzession ausbauen und wandelte sie in das spanische Restaurant ei Toro um.
Aus dem Blatzheim-Restaurant Weindorf bastelten die Manager eine für welkes Publikum gedachte Jungmühle, die mangels Nachfrage geschlossen wurde. Die Kurstube am Kölner Ring wurde zur Grill-Gaststätte.
Blatzheim-Sohn Jochen und Vorstand Fastenrath spezialisierten sich schließlich auf die Eröffnung von Feudal-Betrieben, in denen neugieriges Anfangs-Publikum abgefüttert wurde und dann nicht mehr viel geschah. Die Bewirtschaftung des stadteigenen Kölner Bierlokals Balchem stellten die Blatzheim-Konzern-Verweser 1972 ein.
Von den 50 Betrieben der Blatzheim Restaurant-Gesellschaft bringen gegenwärtig nur noch die Bonner Beethovenhalle, der Kölner Prominenten-Treff Gürzenich und das Schlemmerlokal Bastei nennenswerte Erträge.
Anfang 1973 zogen sich Blatzheims Gastronomen auch aus dem gemeindeeigenen Kurhotel auf Helgoland zurUck. Dort hatten sie in nur viereinhalb Jahren acht Geschäftsführer verschlissen. »Es war ein ständiges Kommen und Gehen«, erinnerte sich Ulrich Voit, gegenwärtiger Pächter des Kurhotels.
Der Personalverschleiß erhob die Blatzheim AG schließlich auch zu einem der Hauptkunden der Kölner Arbeitsgerichte.
»Da gibt es einen Arbeitsgerichtsprozeß nach dem anderen«, beklagt sich Hermann Fischer vom DGB in Köln. Seit Anfang des vergangenen Jahres waren es rund 20. Gegenwärtig muß sich das Kölner Arbeitsgericht mit der Klage von sieben Blatzheim-Kellnern befassen, die den Stabilitätssinn der Unternehmensführung zu spüren bekamen, Ihnen wurde das Einkommen gekürzt.
Um nicht zusätzlichen Ärger mit dem Faktor Arbeit zu bekommen, blockten die Kölner Versuche der Gewerkschaft NGG, eigene Kandidaten in den bisher durch hauseigene Listen zustande gekommenen Blatzheim-Betriebsrat zu hieven, mit Tricks ab.
So hängten sie im Frühjahr den Termin zum Urnengang nur in der Blatzheim-Verwaltung am Kartäuserwall in Köln aus. Die übrigen Betriebe erfuhren davon erst drei Tage vor der Wahl -zu spät, um noch eine Gewerkschafter-Liste aufzustellen,
Zwar annullierte das Arbeitsgericht die Wahl, doch »als dann bei der neuen Wahl die NGG-Funktionäre ihre Liste auslegten, kündigte der Vorstand drei darauf genannten Kandidaten, Neue ließen sich nicht finden. NGG-Funktionärin Anneliese Michels: »Die meisten haben doch Angst, für uns zu kandidieren,«
Ober die vom Vorstand favorisierte hauseigene Einheitsliste kam wiederum die alte Vorsitzende Renate Lauinger in den Betriebsrat, Gegen ihre Wahl wollen die NGG-Funktionäre aber vor Gericht Einspruch erheben: Inzwischen nämlich wurde Renate Lauinger mit einem Geschäftsführerposten bei den Tabu-Wirtschaftsbetrieben GmbH bedacht. Ein Geschäftsführer kann nicht im gleichen Unternehmen Betriebsrat sein,
Ob die Tabu-Wirtschaftsbetriebe das gleiche Unternehmen sind, ist indes strittig, Denn Angestellte wollen wissen, daß die Tabu GmbH, bisher
als 100-Prozent-Beteiligung der Blatzheim AG ausgewiesen und nur aus Gründen des Namensschutzes erhalten, aus dem rheinischen Gastronomie-Konzern ausgegliedert sei.
Blatzheim-Bedienstete äußern dabei einen verwegenen Verdacht: Das Management wolle unter der Firma Tabu die gesunden Betriebe des Blatzheim-Konglomerats vereinen, Gewerkschafterin Michels: »Bei Blatzheim ist alles möglich.«