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AUTOMOBILE Das T-Konzept

Zum erstenmal seit 1966 dürfen die Rüsselsheimer Opel-Werke ihre deutschen Kapazitäten kräftig erhöhen. Mit ihrem neuen Kadett-Modell sollen sie VW nun auch im Ausland gezielt bekämpfen.
aus DER SPIEGEL 34/1973

»Wir hatten ja eine Menge Zeit«, plauderte vergangene Woche Deutschlands zur Zeit erfolgreichster Autoverkäufer, Opel-Inlandsvertriebs-Chef Ekkehard Rohde, »um aus dem Kleinen was zu machen.

Mit dem Kleinen, Opels dieser Tage neu von Bochumer Bändern rollender 1,2-Liter-»Kadett«, hat die Konzernmutter General Motors (GM) Großes vor: Der neue »Kadett«. im Konzern »T-Modell« genannt, soll als Basis-Typ für einen weltweiten GM-Angriff auf die Märkte des Volkswagenwerks dienen.

Zwei Jahre lang hatten die GM-Manager nur zuzuschauen brauchen, wie sich das Wolfsburger Mammut durch ungeschickte Modellpolitik selber nach unten zog. Seit Anfang 1972 liegt denn auch Opel, GMs erfolgreichste Auslandstochter, bei den Automobilzulassungen in Deutschland an der Spitze. Seit kurzem aber beobachten die Detroiter Globalstrategen und ihre deutschen Statthalter beim Wolfsburger Konkurrenten Zeichen der Erholung.

Auf dem US-Markt setzte VW im vergangenen Halbjahr 12,5 Prozent mehr Fahrzeuge ab als im ersten Halbjahr 1972. In Brasilien. das gegenwärtig unter den großen Entwicklungsländern die höchsten wirtschaftlichen Wachstumsraten erreicht, behauptete VW mit 65 Prozent Marktanteil seine beherrschende Stellung. Die Geschäfte in Mexiko verbesserten sich für den Konzern um 22 Prozent. Mit den Ostblock-Staaten China und Rumänien und mit Jugoslawien, auf lange Sicht sämtlich aussichtsreiche Märkte, kamen die Wolfsburger gut ins Gespräch.

Auf dem deutschen Markt bläst VW-Chef Leiding mit dem »Passat« und seinem Vorbild, dem »Audi 80«, zum Angriff auf die untere Mittelklasse. in der Opel mit den Typen »Kadett«, »Ascona« und »Manta« kräftig vertreten ist.

Opels größter Verkaufsrenner, der »Rekord«, wird zunehmend von dem »Audi 100« der Ingolstädter VW-Tochter Audi NSU bedrängt: VW-General Leiding ließ das Modell leicht überarbeiten und will in etwa zwei Jahren einen ganz neuen »Audi 100« auf die Straßen bringen. »Wenn VW jetzt voll aufdreht«, heißt es in Rüsselsheim, »können wir den ersten Platz am deutschen Markt nicht mehr halten.« Verkaufs-Vorstand Rohde selbstkritisch: »Unsere Kapazitäten sind zu klein«

Tatsächlich arbeitet Opel seit 1966 mit fast unveränderten Fertigungskapazitäten. Produktionserhöhungen schafften Opel-Generaldirektor Alexander Cunningham und sein Produktionschef Ferdinand Beickler nur durch ständige Sonderschichten -- die am Ende wieder Lohnaufschläge kosteten -- und durch Auslagern von Teilfertigungen an GM-Werke in Belgien und Frankreich. In letzter Not mußten die beiden sogar die laue »Admiral«-»Diplomat«-Produktion in das schweizerische Biel verlegen.

Die Konzernplaner im fernen Detroit hatten den weiteren Ausbau der Opel-Werke lange blockiert. Für sie bedeuteten voll ausgefahrene Kapazitäten zunächst einmal Spitzengewinne und damit hohe Dividenden-Überweisungen. Während der US-Wirtschaftsflaute 1969/70 aber kamen ihnen Gewinnabführungen aus Europa sehr gelegen. Erst vergangenes Jahr begann in Detroit die Umkehr. Jetzt sollen die Opel-Betriebe ihre Jahreskapazität mit einem Investitionsaufwand von 420 Millionen Mark von bisher 900 000 auf 1,1 Millionen Einheiten erweitern: Die große Mutter hat Opel. nach Chevrolet GMs zweitgrößte Produktionsgesellschaft. beauftragt, VW auf allen Märkten der Welt zu hetzen.

Die Hatz soll mit dem T- Modell, also dem »Kadett«, sofort beginnen. Bereits vor zwei Wochen streute Opels Pressestelle erste »Kadett«-Bilder. Ende dieses Monats wird das Fahrzeug den Händlern in die Schaufenster gestellt, und dann erfahren die Kunden auch den Preis: zwischen 7500 und 8000 Mark, weit genug weg vom Grundpreis des etwas größeren VW »Passat« (8500 Mark).

Das T-Grundmodell der Rüsselsheimer soll nach dem Willen der Amerikaner schon bald nicht mehr allein in Deutschland hergestellt werden. GM-Manager planen eine Reihe von Montage-Betrieben, besonders in VW-übersättigten Ländern der Dritten Welt.

Hauptziel des T-Angriffs soll der lateinamerikanische Kontinent sein, dessen Flanken Brasilien und Mexiko fest in Wolfsburger Hand liegen. Dort wollen die Detroiter Planer Opels Neuen äußerlich unverändert, in der Technik aber auf die Landesverhältnisse abgestimmt, auf den Markt bringen.

Um das hochgezüchtete Europa-Fahrzeug den minderen Benzin- und Straßenqualitäten der Enwicklungsländer anzupassen, sind Modifikationen schon eingeplant. So soll der Übersee"Kadett« einen größeren Motor bekommen, der sich mit niedrigeren Oktanzahlen des Benzins begnügt, und auch die Hinterachse soll primitiver, dafür aber schlagloch-sicherer sein.

In Brasilien will General Motors schon bald ein ganz neues Werk bauen. Haus-interne Losung: »VW muß von seinen 65 Prozent runter.«

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