JAPAN DDR Keizai linkai
Ein frischer Wind weht in Europa«, freute sich die konservative »Japan limes« über die ost-westliche Entspannung, »der eine neue Ära des Friedens und der Stabilität verspricht.« Von Bonns Annäherung an Ost-Berlin versprechen sich die Japaner nun besonderen Profit: engere Wirtschaftsbeziehungen mit der DDR.
Jahrelang hatte die Rücksichtnahme auf Bonner Empfindlichkeiten alle Annäherungsversuche zwischen den »kapitalistischen und kommunistischen Wirtschaftsplanern gehemmt. Jetzt fühlen sich die fernöstlichen Wirtschaftsstrategen durch Lockungen aus Ost-Berlin bestärkt. »Die zweitgrößte Industrienation im kapitalistischen Westen und die Nummer zwei im sozialistischen Lager«, so erklärte kürzlich Funktionär Stampfl vom DDR-Ministerium für Außenwirtschaft. »haben einander wesentlich mehr zu bieten, als der augenblickliche Handel vermuten läßt:«
Die DDR, besorgt um die Erfüllung ihres neuen Fünfjahresplanes, erhofft sich von verstärkten Japan-Kontakten steigende Exportzahlen -- vor allem von optischen Präzisionsgeräten, Textil-, Druck- und Werkzeugmaschinen. Daneben sucht sie zugleich technisches Know-how für den weiteren Ausbau ihrer Schwerindustrie. So sollen die Japaner ganze Industrieanlagen liefern, außerdem petrochemische Produkte. Schiffe und Stahl. Von Japans Exportschlagern wie Autos, elektrischen Haushaltsgeräten und Kameras freilich wollen Ost-Berlins Einkäufer wenig wissen. Dennoch rechnen sich Japans Manager erstmals einen Überschuß in der Handelsbilanz mit der DDR aus. Bisher hatten die Japaner in der DDR stets mehr eingekauft, als sie dorthin exportierten -- 1970 für 38,7 Millionen Dollar gegenüber Lieferungen im Wert von nur 14,7 Millionen Dollar.
Allein in den ersten neun Monaten letzten Jahres hingegen erwirtschafteten die Japaner einen Handelsbilanzüberschuß gegenüber der DDR von 12,7 Millionen Dollar. (In der gleichen Zeit exportierte Japan für rund 583 Millionen Dollar in die Bundesrepublik und bezog von den Westdeutschen Waren im Wert von etwa 425 Millionen Dollar.) Der Grund für Japans DDR-Erfolg: Die Japaner ergatterten den Auftrag für eine Ammoniak-Anlage im Gesamtwert von 75 Millionen Dollar.
Gleichwohl klagen japanische Firmenbosse über deutsche Pedanterie und Genauigkeitsfanatismus. die ihnen das Geschäft erschweren -- Verträge etwa erkennen die Ostdeutschen nur an, wenn sie auf deutsch abgefaßt sind und auch das kleinste Detail des Geschäftsabschlusses enthalten. »Dieses Mißtrauen«, lamentierte ein Unternehmer in Tokio, »ist einfach unerträglich.«
Ihr erstes offizielles Handelsabkommen mit Ost-Berlin schloß Tokios Regierung im vergangenen Oktober. Der jährliche Warenaustausch. so wurde vereinbart, soll auf 68 Millionen Dollar erhöht werden. Bis 1975 wird Japan für 69 Millionen Dollar Stahl in die DDR liefern. Die fernöstlichen Vertragspartner versprachen dafür, in der DDR Präzisionsinstrumente im Wert von fast 15 Millionen Dollar zu kaufen.
Beim Ausbau ihrer Handelsbeziehungen setzen Japaner und Ostdeutsche derzeit noch vor allem auf das »Nihon Todoku Keizai linkai« (Komitee für Wirtschaftsbeziehungen DDR-Japan). Dem auf Anregung des Staatssekretärs im DDR-Ministerium für Außenwirtschaft Gerhard Beil gegründeten Fördererverein gehören 24 japanische Großunternehmen aus Stahl, Schiffbau. Elektronik. Chemie und Handel an.
Überdies fördert die Tokioter staatliche Export-Import-Bank mit zinsgünstigen Krediten die Ausfuhr von Investitionsgütern in die DDR. Um das Geschäft weiter anzukurbeln, wollen 150 Aussteller zur nächsten Leipziger Frühjahrsmesse reisen. Das sind dreimal so viele wie im letzten Frühjahr. Umgekehrt werben auch »immer mehr DDR-Firmen in Japan für »gleichberechtigten Handel zum beiderseitigen Nutzen« (so der Slogan des DDR-Standes auf der Internationalen Handelsmesse in Tokio).
Ihre Bereitwilligkeit zum Handel will sich die DDR von den Japanern nun auch politisch belohnen lassen.
So drängen die beiden ständigen DDR-Handelsvertreter in Tokio das japanische Gaimusho (Außenministerium), der Ost-Berliner inoffiziellen Handelsmission die Visabefugnis zu erteilen und die Kontaktstelle damit in den Rang einer konsularischen Vertretung zu erheben. Im Renommier-Viertel Akasaka der japanischen Hauptstadt mieteten die DDR-Emissäre bereits elegante, teakholzgetäfelte Büros. Ein ebenfalls inoffizielles Handelsbüro haben die Japaner im Ost-Berliner Paradehotel »Stadt Berlin« für 64 000 Mark Jahresmiete eingerichtet.
Vorerst freilich »wünscht das japanische Außenamt kein Aufsehen«, so der Tokioter Bürochef Hoericke. Denn solange keine diplomatischen Beziehungen bestehen, will Tokios Regierung auch keine konsularischen Beziehungen zur DDR aufnehmen.