Debatte um Konjunkturpaket III Abwrackprämie auf alles!
Nein, Deutschland braucht kein drittes Konjunkturpaket. Da hat die Bundeskanzlerin völlig recht. Mehr vom Gleichen wird keinen zusätzlichen Ertrag bringen. Gut, dass Angela Merkel den Forderungen der USA und Großbritanniens auf dem Krisengipfel der G20 in London widerstanden hat.

Schrottplatz in Sachsen: Einseitige Privilegierung einer einzelnen Branche
Foto: DPAAuch Japans Vorpreschen ändert daran nichts. Die Regierung in Tokio hat am Karfreitag ein drittes Konjunkturpaket mit Ausgaben von 15 Billionen Yen (110 Milliarden Euro) beschlossen. Japan kann jedoch nicht als nachahmenswertes Vorbild für andere dienen.
Im Gegenteil. Gerade die Japaner müssten es besser wissen. Denn in Wahrheit ist deren drittes Konjunkturprogramm nur ein weiteres Glied in einer langen Kette staatlicher Stimulierungsversuche - die bis dahin alle erfolglos blieben. Das Ergebnis der früheren Aktionen ist schlicht ernüchternd. Die immer neuen schuldenfinanzierten Konjunkturprogramme halfen Japan nicht aus seiner tiefen wirtschaftlichen Depression.
Die Lehre aus der japanischen Erfahrung ist deshalb: In stetiger Wiederholung und Neuauflage verlieren Konjunkturprogramme ihre Kraft. Früher oder später schlägt ihre Wirkung sogar ins Gegenteil um: Verbraucher und Investoren, deren Erwartungen eigentlich verbessert werden sollten, bringen neue Konjunkturprogramme mit neuen schlechten Nachrichten in Verbindung. Konsum- und Investitionspläne werden nach unten korrigiert.
Die Kanzlerin hat daraus die richtigen Schlüsse für Deutschland gezogen: Zunächst sollten die Effekte der bisher auf den Weg gebrachten ersten beiden Konjunkturprogramme abgewartet werden.
Dabei gilt es, realistisch zu bleiben. Allzu viel kann man von staatlichen Konjunkturimpulsen ohnehin nicht erwarten. Dafür ist ihre Größenordnung in jedem Falle zu gering. Das gilt selbst für das historische Billionenprogramm Barack Obamas in den USA. Staatliche Ausgaben können Stimmungen verändern, Impulse setzen. Das ist nicht wenig. Für eine in der Rezession steckende Wirtschaft kann ein Impuls genügen, um einen konjunkturellen Absturz zu bremsen und - bestenfalls - sogar eine Trendwende herbeizuführen.
Die aktuelle Krise ist kein Normalfall
Aber um erfolgreich zu sein, müssen Konjunkturprogramme schnell und stark wirken. Sonst verpuffen sie. Es ist in der Ökonomie wie in der Medizin: Bei kleinen Krankheiten genügen schwache, oft bewährte Hausmittel, und vieles kann den Selbstheilungskräften des menschlichen Körpers überlassen bleiben. Bei einem Systemabsturz, wie einem Herzinfarkt, bedarf es jedoch eines schnell und stark wirkenden chirurgischen Eingriffs - und nicht langsamer, in weiter Ferne spürbarer Medikamente.
So auch in der Konjunkturpolitik. Meist genügen die herkömmlichen geldpolitischen Instrumente. "Zinsen runter in schlechten und hoch in guten Zeiten" ist ein antizyklisches Hausmittel. Oft kann es sinnvoll sein, flankierende fiskalpolitische Medizin wirken zu lassen, also in guten Zeiten private Kaufkraft abzuschöpfen und die Staatskassen zu füllen, um in schlechten Zeiten durch staatliche Ausgaben die Binnennachfrage stimulieren zu können.
Doch dies gilt nur für "normale" Konjunkturzyklen. Die Krise von heute ist aber kein Normalfall. Wir haben es mit einem Kreislaufkollaps zu tun, der stärkerer und schneller wirkender konjunkturpolitischer Eingriffe bedarf.
Die Sanierung von Schulen, Kindergärten und Universitäten ist wunderbar. Straßen, Städtebau, Krankenhäuser, Schienen und Internet-Infrastruktur - all dies ist unverzichtbar. Doch diese strukturellen Maßnahmen wirken nicht schnell genug. Der größte Teil der Ausgaben in diesem Bereich wird erst 2010 die volle Wirkung entfalten, oder noch später. Notwendig wären die Impulse jedoch so rasch wie möglich. Die Exporte brechen heute ein, deshalb gilt es, die Binnennachfrage jetzt zu stützen.
Vor- und Nachteile der Abwrackprämie
Die Abwrackprämie zeigt, wie es gemacht werden sollte. Ein Quasi-Bar-Scheck über 2500 Euro versetzt die Deutschen in einen Kaufrausch - allen schlechten Wirtschaftsnachrichten zum Trotz. Die Abwrackprämie ist ein positives, erfolgreiches Paradebeispiel, wie Konjunkturtheorie in die Praxis umgesetzt wird. Sie wirkt rasch und kräftig. Sie überträgt derart starke und schnelle Impulse, dass bei deutschen Autofirmen statt Kurzarbeit und Umsatzeinbrüchen nun Überstunden und Wartezeiten zur Regel geworden sind.
Leider hat die Abwrackprämie viele fundamentale Schwächen, so dass das Urteil über ihre gesamtwirtschaftlichen Folgen vernichtend ist:
- Mitnahmeeffekte: Verbraucher, die sich ohnehin ein Auto kaufen wollten, streichen die staatliche Prämie ebenfalls ein.
- Vorzieheffekte: Die Autokäufe von heute werden morgen fehlen.
- Sektorale Effekte: Die Konsumenten geben für ein Auto Geld aus, das für andere Zwecke dann nicht mehr zur Verfügung steht. Der Absturz der Gebrauchtwagenmärkte belegt dies.
- Ökologische Zweifel: Es ist umstritten, ob der CO2-Ausstoß durch all die Neuwagen tatsächlich reduziert wird.
Am schwersten wiegt jedoch die einseitige Privilegierung eines einzigen Bereichs der Wirtschaft. Anders gefragt: Wieso gibt es die Abwrackprämie nur für Autos und nicht für Motorräder? Warum nicht für Einbauküchen, PCs oder Software? Wieso nicht für alle Konsumgüter?
Die Lösung liegt darin, die fundamentalen Schwächen der Abwrackprämie zu korrigieren und ihre ebenso fundamentalen Stärken zur Geltung zu bringen. Um die schädlichen Nebenwirkungen der Abwrackprämie zu verhindern, müssen die Impulse staatlicher Prämien allen zu Gute kommen und nicht nur der Autoindustrie. Anstatt von oben zu bestimmen, welche Branche in den Genuss der staatlich geförderten Konsumimpulse kommen darf, sollte von unten, von den Verbrauchern, eigenständig festgelegt werden, wofür das Mehr an Kaufkraft ausgegeben werden soll.
Die Regierung braucht einen Plan B
Damit ist man dann nicht mehr weit entfernt von der Idee der allgemein einsetzbaren Konsumschecks. Eine Abwrackprämie für alles - nur ohne abzuwracken: So lautet die konjunkturpolitische Erfolgsformel. Sie ermöglicht ein der Situation angemessenes, schnell und stark wirkendes Konjunkturprogramm, um den Binnenkonsum rasch und spürbar zu stützen.
Bei allem Verständnis für einen Verzicht auf ein drittes Konjunkturprogramm der herkömmlichen Art wäre es sinnvoll, einen Plan B vorzubereiten. Dieser sollte auf mehr Kaufkraft für alle zielen. Die Bundesregierung sollte sich deshalb zeitlich befristete Konsumschecks offen halten, kombiniert mit Steuer- und Abgabensenkungen. So bliebe die Politik handlungsfähig und könnte sach- und zeitgerecht agieren.
Der Internationale Währungsfonds wird seinen Konjunkturausblick in Kürze noch einmal dramatisch korrigieren. Für Deutschland rechnet er mit einem Minus des Bruttoinlandsprodukts von fünf Prozent und einem raschen Anstieg der Arbeitslosigkeit. Plan B wird wohl schneller in die Praxis umgesetzt werden müssen als erhofft.