»Den Markt neu erfinden«
Der studierte Betriebswirt Zeitz, 42, sammelte erste Berufserfahrungen beim US-Konzern Colgate-Palmolive in Hamburg und New York, bevor er 1988 zu Puma kam. 1993 übernahm er mit 30 Jahren die Führung des Traditionskonzerns.
SPIEGEL: Herr Zeitz, Puma ist der kleinste unter den großen Sportartikelproduzenten der Welt. Wie wollen Sie neben Adidas und Nike von der bevorstehenden Fußball-Weltmeisterschaft profitieren?
Zeitz: Die WM kommt genau zum richtigen Zeitpunkt für uns. Wir starten dieses Jahr mit der nächsten Phase unserer Unternehmensentwicklung, die wir 1993 begonnen haben. Nach Sanierung und Wiederbelebung des Unternehmens und der Marke steht nun die Expansion auf dem Plan. Fußball ist für uns dabei eine absolute Kernkategorie, die unsere beiden wichtigsten Felder anspricht: Sport und Mode. Klar, dass wir uns da mit der größten und aggressivsten Kampagne auf die WM einschießen, die das Unternehmen je gesehen hat. Spätestens nach der WM wird man dann von den großen drei im Fußball sprechen.
SPIEGEL: Aber wie? In Wahrheit sind Sie doch in der Defensive. Die Fifa verteidigt das Terrain der Hauptsponsoren - darunter Ihr Erzrivale Adidas - mit rigiden Auflagen: Es gibt eine Reklame-Bannmeile um die Stadien, Sie dürfen noch nicht mal problemlos den Begriff WM verwenden.
Zeitz: Auf dem Spielfeld wird keine andere Marke so präsent sein wie wir. Puma hat zwölf Nationalmannschaften unter Vertrag, das sind mit Abstand die meisten Teams. Puma ist damit bei fast der Hälfte aller WM-Spiele präsent, selbst wenn sich keine der Mannschaften für die Runde der letzten 16 qualifizieren würde. Los geht es für uns aber schon in dieser Woche beim Afrika-Cup, wo wir sogar die Hälfte aller 16 Mannschaften ausrüsten. Außerdem haben wir neben zahlreichen Top-Spielern als WM-Aushängeschild auch noch Pelé.
SPIEGEL: Denkt man bei dieser Fußballlegende nicht eher an ausgelatschte Ledertreter aus den Siebzigern als an die hochmodernen Fußballschuhe, die Sie verkaufen wollen? Adidas und Nike etwa setzen lieber auf aktuelle Stars wie Michael Ballack und Ronaldinho.
Zeitz: Haben Sie Pelé mal live erlebt? Er ist als Fußballer des Jahrhunderts immer noch ein Superstar. Ich war neulich mit ihm am Brandenburger Tor. Da kommen sogar die Sechsjährigen und wollen Autogramme.
SPIEGEL: Bringt Ihnen all der Aufwand um die WM am Ende wirklich mehr Geld, oder geht es doch nur ums Image?
Zeitz: Fußball macht derzeit über zehn Prozent unseres Umsatzes aus, und wir erhoffen uns am Ende des Jahres einen zweistelligen Zuwachs. Aber natürlich geht es auch ums Image der Marke.
SPIEGEL: Was genau macht dieses Image heute aus? Nennen Sie uns doch mal fünf Schlagwörter, die Puma am treffendsten beschreiben.
Zeitz: Global, kreativ, Sport, Spaß und Mode.
SPIEGEL: Und was fällt Ihnen zu dem Unternehmen Puma ein, das Sie 1993 als damals 30-Jähriger übernommen haben?
Zeitz: Ach, das ist schon so lange her ...
SPIEGEL: ... dass Sie sich jetzt nicht zurückhalten müssen.
Zeitz: Wenn Sie mich zwingen, würde ich sagen: Puma war damals funktionell, verschlafen und fränkisch.
SPIEGEL: Seitdem haben Sie mit dem Unternehmen eine erstaunliche Erfolgsgeschichte hingelegt: Jahrelang Rekordgewinne in Folge, der Nettoumsatz schwoll von 200 Millionen auf über 1,5 Milliarden Euro, der Aktienkurs explodierte von rund 8 auf heute über 240 Euro. Hätten Sie das selbst für möglich gehalten?
Zeitz: Nein, sicher nicht in diesem Ausmaß. Da ist ein Traum Wirklichkeit geworden.
SPIEGEL: Wie macht man eine fast bankrotte Marke wieder begehrt?
Zeitz: Wir haben uns eine ganz einfache Frage gestellt: Was will der Verbraucher morgen, was es heute noch nicht gibt? Unsere Antwort war: eine Verbindung von Sport und Mode, Sportlifestyle, wie wir es nennen. Wir haben dabei die Marktforscher ignoriert, die uns sagten, das funktioniere nie. Ebenso wie den Handel, der meinte, dafür gebe es gar keinen Markt. Den haben wir uns einfach selbst geschaffen.
SPIEGEL: Sie müssen ihn aber inzwischen mit immer mehr Konkurrenten teilen. Einerseits werden Sie von den Sportlinien der Luxusmodemarken wie Boss oder Prada bedrängt, andererseits von Branchenriesen wie Nike und Adidas. Wird es in Ihrer Nische allmählich zu eng für Sie?
Zeitz: Im Gegenteil. Unsere einstige Nische hat sich eben enorm ausgeweitet und definiert inzwischen den ganzen Markt. Die traditionelle Sportartikelbranche hat sich vor allem durch uns völlig gewandelt: Funktionalität ohne Design und Mode spielt kaum noch eine Rolle. Oder anders ausgedrückt: 85 Prozent der Produkte werden heute sowohl zum Sport als auch in der Freizeit getragen.
SPIEGEL: Dafür wird Puma aber immer weniger als echte Leistungssportmarke wahrgenommen. Wer schicke Turnschuhe will, kommt zu Ihnen. Wer Hightech-Treter will, geht zunehmend zur Konkurrenz. Puma ist heute doch eigentlich ein Modekonzern.
Zeitz: Das kann ich so nicht stehen lassen. Sicher hätten wir vor zehn Jahren sagen können: Wir konzentrieren uns auf Hightech-Laufschuhe. Dann hätten wir ein bisschen mehr Umsatz gemacht, und das wäre es dann gewesen. Wir mussten aber den Markt neu erfinden, um Puma wiederzubeleben. In fünf Jahren wird das Unternehmen noch mal ganz anders aussehen. Wir haben ein Markenpotential von 3,5 Milliarden Euro Umsatz.
SPIEGEL: Das wäre ein riesiger Umsatzsprung. Verliert Puma in dieser Größenordnung aber nicht zwangsweise seinen Status als Trendmarke, von dem das Unternehmen derzeit lebt?
Zeitz: Wir sind keine Massenmarke und wollen auch nie zu einer werden! Welche Maßnahmen wir auch ergreifen: Nichts wird auf Kosten der Begehrlichkeit unternommen. Um unsere Ziele zu erreichen, wollen wir nicht einfach mehr auf den Markt bringen, sondern ständig Neues.
SPIEGEL: Was heißt das konkret?
Zeitz: Wir werden in neue Länder gehen wie Indien und in anderen wie China stark wachsen. Wir habe auch in allen übrigen Regionen der Welt noch viel Potential. Und natürlich wagen wir uns zudem in ganz neue Bereiche. Vergangenes Jahr haben wir mit Golf angefangen. In den kommenden fünf Jahren werden wir in insgesamt sechs neue Geschäftsfelder investieren, von denen ich Ihnen aber bislang nur eines verraten möchte: Motorradsport.
SPIEGEL: Wie bitte?
Zeitz: Als wir in die Formel 1 gegangen sind, haben sich auch viele gewundert. Natürlich verdienen wir das Geld nicht, weil so viele Rennfahrer unsere Schuhe kaufen. Aber aus den Hightech-Produkten für den Leistungssport leiten wir unsere Produkte für die Freizeit ab, und das verkauft sich sehr gut. Unsere Einnahmen aus der Formel-1-Kollektion sind heute nicht mehr wegzudenken. Und warum soll, was beim Motorsport mit vier Rädern funktioniert, nicht auch mit zwei Rädern Erfolg versprechen?
SPIEGEL: Zuletzt haben Sie vermehrt auf Designer-Kooperationen gesetzt: Philippe Starck hat eine eigene Puma-Linie, Jil Sander entwarf Turnschuhe, Christy Turlington hat eine eigene Luxuskollektion. Wird es noch mehr eigenständige Designer-Linien geben?
Zeitz: Nicht mehr, aber von Zeit zu Zeit sicher andere. Als nächster Top-Designer bringt Alexander McQueen im März seine eigene Puma-Kollektion heraus.
SPIEGEL: Schneller wachsen könnte Puma da wohl eher durch Übernahmen. An Geld mangelt es Ihnen ja nicht.
Zeitz: Zukäufe nur um der Größe willen kommen für uns nicht in Frage. Dem Verbraucher ist es doch egal, wie groß das Unternehmen ist. Ihm geht es um das Profil der Marke und das Produkt. Also kaufen wir nur, wenn sich eine gute Perspektive bietet, die beides sinnvoll ergänzt.
SPIEGEL: Andererseits könnten Sie auch selbst übernommen werden. Adidas verleibt sich gerade Reebok ein, und Nike wird schon länger ein Interesse an Puma nachgesagt. Hat es Gespräche gegeben?
Zeitz: Wenn es Gespräche gegeben hätte, würde ich es Ihnen sicher nicht verraten. Und was unsere neuen Gesellschafter tun, kann ich nicht beurteilen.
SPIEGEL: Die scheinen aber nicht zu wissen, was sie wollen. Im Dezember deutete Ihr mit einem Aktienpaket von 25 Prozent derzeit größter Gesellschafter, die Tchibo-Erben
Herz, erst an, die Mehrheit an Puma übernehmen zu wollen - um nur einen Tag später zurückzurudern. Welche Pläne hat die Familie Herz mit Puma?
Zeitz: Dazu werden wir sicher mehr erfahren, sobald sie im Aufsichtsrat vertreten ist.
SPIEGEL: Die Börse reagierte auf Ihre Expansionspläne wegen der damit verbundenen Kosten eher unfreundlich. Bei börsennotierten Unternehmen ist es zunehmend an der Tagesordnung, Personal abzubauen, selbst wenn die Gewinne sprudeln. Eine Strategie auch für Puma?
Zeitz: Als ich Puma 1993 übernommen habe, mussten wir in Deutschland fast die Hälfte der Beschäftigten entlassen. Ich werde nie vergessen, wie ich vor den Arbeitern in Herzogenaurach stand und ihnen sagen musste, dass wir die Fabrik schließen müssen. Diese harte Sanierungsphase vor zwölf Jahren hat uns hier so geprägt, dass wir gesagt haben: Jede Einstellung muss auch langfristig Bestand haben. Wir wollen nie wieder in die Situation kommen, auf breiter Front entlassen zu müssen. Wir haben damals mit 700 Mitarbeitern angefangen und 2005 mit fast 5000 Angestellten abgeschlossen. Allein in Deutschland werden wir dieses Jahr bis zu 300 neue Mitarbeiter einstellen.
SPIEGEL: Es gibt also noch so etwas wie eine soziale Verantwortung des Unternehmers?
Zeitz: Ja, eine soziale, eine ethisch motivierte und auch eine Verantwortung der Umwelt gegenüber.
SPIEGEL: Können Sie diesem Anspruch überall gerecht werden? Puma arbeitet in der Produktion nur mit Subunternehmern und taucht auch immer wieder in Berichten über unwürdige Arbeitsbedingungen in asiatischen Textilfabriken auf.
Zeitz: Weil wir eine bekannte Marke sind und solche Vorwürfe immer eine gewisse Aufmerksamkeit bringen. Wir haben hohe Umwelt- und Sozialstandards und suchen den konstruktiven Dialog mit den verschiedenen Organisationen. So arbeiten wir mit einer Gruppe wie »Clean Clothes Campaign« zusammen, die Kriterien wie etwa Arbeitsstandards und Bezahlung bei unseren Textilproduzenten in El Salvador überprüft. Wir haben uns auch schon von Subunternehmern getrennt, die unsere Vorgaben nicht eingehalten haben.
SPIEGEL: Künftig wollen Sie aber nicht nur in Asien produzieren, sondern dort zudem immer mehr verkaufen. Träumen Sie etwa schon von hundert Millionen Chinesen in Puma-Turnschuhen?
Zeitz: Wir werden tatsächlich mit eigenen Tochtergesellschaften und Joint Ventures in Asien aktiv und sehen dort auch ein großes Potential. Aber ich bin da realistisch: Die USA sind und bleiben immer noch der wichtigste Sportartikelmarkt der Welt.
SPIEGEL: Puma ist dort allerdings eine ziemlich kleine Nummer.
Zeitz: Das ändert sich täglich. Als wir vor sieben Jahren in den USA wieder richtig angefangen haben, lag der Umsatz bei 30 Millionen Dollar. Heute sind es fast eine halbe Milliarde.
SPIEGEL: Adidas setzt in den USA rund 1,5 Milliarden Euro um.
Zeitz: Und für uns gibt es Platz nach oben. Aber grundsätzlich verfolgen wir weltweit eine klare Strategie: Wachstum darf es nicht um jeden Preis geben. Es gibt immer wieder Phasen, in denen wir den Umsatz bewusst nicht nach oben treiben, um die Begehrlichkeit der Marke hochzuhalten.
SPIEGEL: Wie wichtig ist der deutsche Markt noch für Puma?
Zeitz: Da sprechen die Zahlen für sich. Früher haben wir knapp 90 Prozent unseres Umsatzes in Deutschland gemacht. Heute sind es unter 10 Prozent.
SPIEGEL: Dabei spielt aber auch eine Rolle, dass der Heimatmarkt seit Jahren stagniert, während er in Asien und den USA ständig größer wird. Wie bekommt man die Deutschen dazu, wieder mehr zu konsumieren?
Zeitz: Einige Antworten liegen auf der Hand: mehr Flexibilität und Vereinfachung in der Gesetzgebung und in der Steuerpolitik und vor allem mehr Selbstvertrauen. Man darf sich nicht zurücklehnen und sagen: Es geht nichts, weil nichts geht. Puma hat immer wieder bewiesen, dass man auch in einem stagnierenden Markt wachsen kann.
SPIEGEL: Verraten Sie uns Ihr Rezept?
Zeitz: Wir machen inzwischen vier Kollektionen pro Jahr, zwischendrin Sonderthemen. Wenn der Verbraucher im März immer noch dasselbe im Geschäft sieht wie im Januar, hat er keinen Grund, etwas zu kaufen. Deshalb brüten bei uns fast 70 Designer ständig über neuen Ideen.
SPIEGEL: Diese Ideen zu vermarkten kommt Sie allerdings erheblich teurer, als sie zu entwickeln: Nur 2 Prozent Ihres Umsatzes stecken Sie in Entwicklung, 15 Prozent dagegen ins Marketing.
Zeitz: Das Sportartikelgeschäft ist im Gegensatz zur Automobilindustrie keine kapitalintensive Branche, unsere Entwicklungskosten sind reine Personalkosten.
SPIEGEL: Die hohen Marketingausgaben überraschen aber auch nicht, wenn Sie sich Werbeträger wie Michael Schumacher leisten. Was muss man dem Formel-1-Star für einen Ausstattervertrag auf den Tisch legen?
Zeitz: (lacht) Geld und dazu ein paar nette Worte.
SPIEGEL: Eine Menge Geld, vermuten wir. Dabei haben Sie sich doch vor zwei Jahren von Serena Williams mit dem Argument getrennt, der Tennisstar sei zu teuer geworden. Schumacher werden Sie wohl kaum billiger bekommen haben.
Zeitz: Geld war in diesem Fall wirklich nicht ausschlaggebend. Michael Schumacher hatte Puma auch schon ohne Vertrag in der Freizeit getragen. Der steht einfach auf unsere Sachen.
SPIEGEL: Herr Zeitz, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.
* Thomas Schulz und Michael Wulzinger in der Puma-Zentrale in Herzogenaurach.