ÜBERNAHMEN Der Rambo des Silicon Valley
Es lief nicht besonders gut für Larry Ellison seit jenen unbeschwerten Tagen im Sommer 2000. Damals schipperte der Gründer des Software-Konzerns Oracle und passionierte Regatta-Segler gerade mit ein paar guten Freunden auf seiner Yacht durchs Mittelmeer und genoss einen lang ersehnten Triumph. Endlich hatte er es geschafft, seinen Erzrivalen Bill Gates zu überholen: Ellison war der reichste Mann der Welt.
Das Glück dauerte nur wenige Tage, dann sorgte die Börse dafür, dass der 58-Jährige seinen Spitzenplatz im Olymp der Superreichen wieder räumen musste. Und das war erst der Anfang der Pechsträhne.
Der von Ellison propagierte Siegeszug des Netzcomputers, der Microsoft in die Enge treiben sollte, blieb aus. Das Ziel, Oracle zur »größten Technologiefirma der Welt« zu machen, rückte in immer weitere Ferne. Und dann auch noch das: Durch einen überraschenden Schachzug seines ehemaligen Managers Craig Conway drohte die seit langem fest gefügte Hackordnung im Geschäft mit Unternehmenssoftware durcheinander zu geraten - und Oracle sollte der Verlierer sein.
Anfang Juni hatte Conway, seit 1999 Chef der US-Firma Peoplesoft, eine Übernahme des kleineren Konkurrenten J. D. Edwards auf den Weg gebracht. Der neu formierte Konzern würde glatt an Oracle vorbeiziehen und - gemessen am Umsatz mit betriebswirtschaftlicher Software - den zweiten Platz hinter dem Branchenführer SAP aus dem baden-württembergischen Walldorf einnehmen.
Für einen Manager, der einen italienischen Kampfjet als Privatmaschine fliegt und »völlig aufs Gewinnen fokussiert« ist, kommt die Position drei in einem Markt, in dem weltweit rund 37 Milliarden Dollar pro Jahr bewegt werden, nicht in Frage. Die Reaktion aus dem Oracle-Hauptquartier in Kalifornien ließ denn auch nur vier Tage auf sich warten.
Nach einem Kassensturz, bei dem er am Ende sechs Milliarden Dollar an liquiden Mitteln zusammenkehrte, holte Ellison zum Gegenschlag aus und platzierte ein feindliches Übernahmeangebot: Für 5,1 Milliarden Dollar in bar will der Rambo des Silicon Valley den aufstrebenden Konkurrenten Peoplesoft schlucken.
Der Zusammenschluss mit Oracle sei eine bessere Lösung für die Peoplesoft-Aktionäre als die »riskante Fusion« mit J. D. Edwards, warb Ellison für sein Angebot. Denn das sei eine »Ehe schwacher Partner«, behauptete er und kolportierte genüsslich, dass der Peoplesoft-Chef im vergangenen Sommer selbst eine Liaison mit Oracle vorgeschlagen habe.
Doch eigentlich sei er gar nicht an Peoplesoft und dessen Produkten interessiert, höhnte Ellison, sondern an dem Kundenstamm von mehr als 5000 Unternehmen. Deshalb werde die Entwicklung der Peoplesoft-Produkte nach der Fusion eingestellt und den Kunden empfohlen, auf Software von Oracle umzusteigen.
Conway, der wegen seines harschen Umgangs mit Mitarbeitern auch »Clint Eastwood der Software« genannt wird, giftete zurück: »Larry sah eine Hochzeit, zu der er nicht eingeladen war; da kam er einfach rein, zückte seine Flinte und brüllte: ''Die Braut gehört mir.''« Das sei »ein grausames Verhalten von einem Unternehmen, das für solche Praktiken bekannt ist«, entrüstete sich der Peoplesoft-Chef und lehnte vergangenen Donnerstag die Offerte offiziell ab.
Auch Bob Dutkowsky, Chef von J. D. Edwards, wollte »nicht untätig dasitzen, während Oracle sich weiterhin arrogant, rechtswidrig und zerstörerisch verhält«. Am vergangenen Donnerstag reichte er eine Schadensersatzklage über 1,7 Milliarden Dollar gegen Ellison ein. Das einzige Ziel von Oracle sei es, die geplante Fusion zu stören und »einen der schärfsten Konkurrenten auszulöschen«.
Wie das mit viel Furor inszenierte Fusionspoker ausgeht, ist offen. Klar ist nur: Mit der Übernahmeschlacht im Silicon Valley schwillt die von Experten seit langem erwartete Konsolidierungswelle bei den Herstellern von Unternehmenssoftware nun richtig an.
Seit den Boomzeiten der New Economy ist aus dem einstigen Wachstumsparadies eine stagnierende Ödnis geworden. Damals galten Neulinge wie Ariba, Baan, Commerce One, i2 oder Siebel plötzlich als neue Stars in einem Markt, der bis dahin unangefochten von der Walldorfer Software-Schmiede SAP beherrscht wurde. Da die Platzhirsche als zu schwerfällig galten und sich nur langsam dem Internet-Trend anpassten, schossen die Umsätze der neuen Spezialisten steil in die Höhe. Auch Oracle, bis dahin ein Profi für Datenbank-Software, mischte sich in das Wachstumssegment ein.
Inzwischen ist der Boom vorbei. Denn viele Versprechungen der Software-Industrie erwiesen sich als überzogen. Immer häufiger fragen die Kunden nach dem Sinn und Zweck der für viele Millionen installierten Software. In der Krise sind immer weniger Firmen bereit, neues Geld in die vorhandene Computertechnik zu stecken. Und wenn doch, ist jetzt vor allem eines gefragt: Zukunftssicherheit - und die können derzeit nur wenige Neulinge bieten.
»In der Software-Branche sterben immer die Spezialisten, die besten Companys werden Riesen sein«, behauptet Ellison und verweist auf die achtziger Jahre, als Firmen wie Lotus, Word Perfect oder Novell vom Giganten Microsoft aus dem Geschäft mit PC-Programmen verdrängt wurden.
Auch im Bereich der Unternehmenssoftware konzentriert sich das Geschäft nun immer mehr auf die Giganten. Allen voran SAP. Ellisons »verbaler Molotowcocktail«, so ein hochrangiger SAP-Manager, könnte dem Branchenriesen zusätzlichen Auftrieb geben.
SAP-Mitbegründer und Hobbysegler Hasso Plattner, der nicht nur auf den Weltmeeren als einer der Intimfeinde von Ellison gilt, hat intern die Parole ausgegeben, die Verwirrung bei den Kunden zu nutzen, ohne direkt im Fusionspoker mitzumischen. »Übernahmen«, so Plattner, »kommen für uns nicht in Frage.«
Shai Agassi, der seit dem Rückzug Plattners in den Aufsichtsrat das Technologie-Ressort im SAP-Vorstand leitet, ist überzeugt: »Das ist ganz klar eine Chance für uns.« Mit einer weltweiten Werbekampagne und Rabatten für Umsteiger wollen die Walldorfer die Kunden von Peoplesoft und J. D. Edwards überzeugen, dass es »eine zuverlässige und sichere Alternative« gebe. Wenn zwei sich streiten, will sich vor allem Walldorf freuen.
Neutrale Experten prognostizieren Ähnliches. SAP, heißt es in einer Analyse des Investmenthauses UBS Warburg, werde »als klarer Gewinner aus dem Endspiel hervorgehen«. Als vor drei Jahren der einstige Börsenliebling Baan ins Schlingern geriet, konnte SAP schon einmal profitieren. Damals jagte man den Holländern mehr als 40 Kunden ab.
Noch allerdings rätseln die Branchenkenner, ob Oracle-Chef Ellison es überhaupt ernst meint mit seiner Offerte. Denn der Preis von 16 Dollar, den er bis Anfang Juli pro Peoplesoft-Aktie zahlen will, lag vergangenen Freitag unter dem Börsenkurs und ist damit nicht besonders attraktiv. Üblicherweise wird bei feindlichen Übernahmen ein satter Zuschlag gezahlt.
Nur die Furcht vor weiteren Querschlägern aus der Oracle-Zentrale könnte die Anleger dazu bringen, ihre Aktien unter Marktwert abzugeben. Sollte Ellison das Kunststück gelingen, dann bekäme er eine renommierte Firma zum Schnäppchenpreis, und J. D. Edwards stünde allein da.
Und wenn nicht? Dann hat Ellison immerhin kräftig für Verwirrung gesorgt und steht mal wieder als egomanischer »Bad Boy« da, wie ihn schon sein Biograf Mike Wilson beschrieb.
»Der Unterschied zwischen Gott und Larry Ellison« heißt das 1997 erschienene Buch. Wilsons Erklärung: »Gott glaubt nicht, dass er Larry Ellison ist.«
KLAUS-PETER KERBUSK
* Bei der Abschlussparty der Firmenmesse Sapphire in Lissabon2001.