Desertec-Gründung Europas Industrie setzt auf Solarstrom made in Afrika

Deutsche Konzerne sind Schrittmacher, europäische Firmen machen mit: Die Desertec-Initiative von zwölf großen Unternehmen soll den Weg zum sauberen Solarstrom aus der Sahara ebnen. Offen ist noch, wie die Erzeugerländer von dem Projekt profitieren.
Solarthermieanlage (bei Las Vegas): "Umsetzungsfähige Investitionspläne innerhalb von drei Jahren"

Solarthermieanlage (bei Las Vegas): "Umsetzungsfähige Investitionspläne innerhalb von drei Jahren"

Foto: SCHOTT

München - Deutschlands Industrie hat eine neue große Vision: Solarstrom aus afrikanischen Wüstengebieten soll Europa mit Energie versorgen. Jetzt haben sich zwölf Unternehmen zu der sogenannten Desertec-Initiative zusammengeschlossen, bald sollen den Gedankenspielen konkrete Vorhaben folgen. Am Montag verkündeten die beteiligten Konzerne, dass noch im Herbst eine Gesellschaft gegründet werden soll, die das Projekt vorantreiben soll.

"Wir verfolgen einen großen Plan", erklärte Torsten Jeworrek, Vorstandsmitglied der Münchener Rück. Der Rückversicherer ist federführend bei Desertec. Man werde alles tun, um das Vorhaben Wirklichkeit werden zu lassen. Desertec soll demnach die Stromgewinnung revolutionieren: Bis 2050 sollen 15 Prozent des europäischen Energiebedarfs umweltfreundlich mit Hilfe gigantischer Solaranlagen in der afrikanischen Wüste gedeckt werden.

Diese ehrgeizigen Pläne deutscher Unternehmen zur Erzeugung sauberer Solarenergie sollen spätestens ab November Gestalt annehmen. Wie die zwölf an dem Projekt "Desertec Industrial Initiative" beteiligten Firmen am Montag in München mitteilten, wird bis Ende Oktober eine Planungsgesellschaft mit dem Namen DII gegründet, die unter anderem die Finanzierung klären soll.

"Alle Tätigkeiten der DII sind darauf ausgerichtet, umsetzungsfähige Investitionspläne innerhalb von drei Jahren nach Gründung zu erstellen", heißt es in der gemeinsamen Mitteilung der Unternehmen.

Ziel der Initiative ist es, in Wüstenregionen künftig Strom in solarthermischen Kraftwerken zu produzieren. Die Energie soll über Gleichstrom-Hochspannungsnetze nach Europa transportiert werden. Unklar ist allerdings noch, wo genau Anlagen gebaut werden können. Die Erzeugerländer sollen aber auf jeden Fall einen erheblichen Teil ihres Strombedarfs aus den neuen Kraftwerken decken können. Auch die Frage der Finanzierung des auf 400 Milliarden Euro geschätzten Projekts ist noch unklar.

Staatsminister Günter Gloser (SPD) stellte allerdings klar, dass Deutschland und die Europäische Union nur Hilfestellung bei den Rahmenbedingungen und der Anschubfinanzierung geben könnten. "Der Staat oder die EU können nicht all diese Finanzen aufbringen. Der wesentliche Anteil muss von privaten Unternehmen organisiert werden."

Das CDU-Bundesvorstands-Mitglied Friedbert Pflüger nannte es am Montag ein "sehr gutes Zeichen", wenn deutsche Unternehmen nunmehr wirkliches Interesse an der Desertec-Initiative zeigten. Pflüger hatte jüngst auf SPIEGEL ONLINE für das Vorhaben geworben. Es scheine der Industrie inzwischen ernst zu sein mit der Hinwendung zu regenerativer Energie, erklärte er heute. "Gefragt ist jetzt vor allem die Politik - allen voran die EU-Kommission", so Pflüger zu SPIEGEL ONLINE. Desertec dürfe nicht als deutsches Projekt daherkommen, sondern müsse ein europäisches Unternehmen sein. "Insbesondere die Franzosen müssen mit an Bord geholt werden", so Pflüger. Im Rahmen der EU könnte Desertec auch das "Mann-auf-dem-Mond-Projekt" in der zweiten Amtszeit des EU-Kommissionspräsidenten José Manuel Barroso werden, so der CDU-Politiker.

Hauptinitiator des Projekts ist die größte Rückversicherungsgesellschaft der Welt, die Münchener Rück  . Außerdem beteiligen sich unter anderem die Energiekonzerne RWE   und E.on   sowie Siemens   und die Deutsche Bank  . Hinzu kommen Firmen wie der Schweizer Industriekonzern ABB   oder die spanische Ökoenergie-Firma Abengoa  .

Von dem Wüstenstromprojekt darf nach Forderung von Hilfswerken aber nicht nur Europa profitieren. Auch afrikanische Länder müssten etwas davon haben, erklärte die Welthungerhilfe und das katholische Hilfswerk Misereor am Montag. "Die Leute müssen Zugang zum Solarstrom erhalten und von den Einnahmen profitieren", sagte die Misereor-Referentin für Klima und Entwicklung", Anika Schroeder, am Montag der Deutschen Presse-Agentur dpa.

"Afrika darf nicht denselben Fehler machen wie wir und in Kohle, Gas und Atom investieren", sagte der Sprecher der Welthungerhilfe, Ralph Dickerhoff. Aus diesem Grund wäre es sinnvoll, zumindest Ländern in unmittelbarer Nachbarschaft von Solaranlagen einen guten Preis für Solarstrom zu machen. Bei den Abnehmern vor Ort fielen ja auch hohe Erschließungskosten weg.

Desertec - Das Wüstenstrom-Projekt

Zur Vermeidung von Konflikten bei der Landnutzung mahnte Misereor an, kleinere, dezentrale Photovoltaikanlagen zu bauen. "Auf den ersten Blick sehen Wüsten ungenutzt aus, aber tatsächlich werden sie genutzt", stellte Misereor-Referentin Schroeder fest. Als Beispiele nannte sie Nomaden und Karawanen. Auch wenn die Menschen keine "Landrechtsurkunden" hätten, müssten ihre Rechte berücksichtigt werden.

beb/dpa/ddp/AFP/AP

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