Deutsche Bahn Tiefensee gerät wegen Späh-Affäre unter Beschuss

Verkehrsminister Tiefensee spielt ein heikles Spiel: Er geriert sich in der Bahn-Spähaffäre als Aufklärer - und gerät jetzt selbst ins Kreuzfeuer der Kritik. Abgeordnete werfen ihm Zögerlichkeit vor, auch weil er auf eine Anfrage zu dem Thema beharrlich schweigt.

Wolfgang Tiefensee war am Dienstag einer der Ersten, die den Zwischenbericht der Bahn zur Späh-Affäre kritisierten. "Ich bin mit dem Bericht von Hartmut Mehdorn nicht zufrieden", sagte der Bundesverkehrsminister, kurz nachdem das Dokument öffentlich gemacht worden war. In dem Bericht hatte die Bahn Auskunft über die Umstände der Datenabgleiche gegeben und auch bislang unbekannte Fälle aufgedeckt. Von 1998 bis 2007 wurden demnach fünf große Kontrollaktionen veranlasst, bei einigen wurden fast alle Bahn-Mitarbeiter auf möglichen Korruptionsverdacht gecheckt. Mehdorn werfe mit dem Dokument "mehr Fragen auf, als er beantwortet", befand Tiefensee trotzdem.

Bahn-Chef Mehdorn, Verkehrsminister Tiefensee: Mehr Aufklärung

Bahn-Chef Mehdorn, Verkehrsminister Tiefensee: Mehr Aufklärung

Foto: DDP

Und sein Staatssekretär Achim Großmann trat am Mittwoch noch einmal nach: "Wenn es stimmt, dass zehn Jahre lang gegen Gesetze verstoßen worden sein könnte und der Vorstand das nicht gewusst hat, muss uns das große Sorgen machen." Es klingt, als lasse Tiefensee Mehdorn gerade endgültig fallen. Das Verhältnis der beiden gilt seit geraumer Zeit als zerrüttet.

Dabei scheint der SPD-Politiker selbst im Zweifelsfall auf Zeit zu spielen. So stellte der FDP-Abgeordnete Patrick Döring am 2. Februar dieses Jahres eine schriftliche Anfrage zu der Späh-Affäre: Wann wurde denn eigentlich der Prüfungsausschuss des Bahn-Aufsichtsrats - in Anwesenheit eines Regierungsvertreters - über die Arbeit der Detektei Network Deutschland für die Bahn informiert? Seine zweite Frage: Liegen Aufzeichnungen dieser Sitzungen vor?

Hintergrund: Bei der Bahn war man bereits im Mai 2008 auf die Zusammenarbeit der für die Korruptionsbekämpfung verantwortlichen Revisionsabteilung mit der dubiosen Firma aufmerksam geworden - der oberste Antikorruptionsbeauftragte Wolfgang Schaupensteiner leitete damals Untersuchungen ein. Döring will nun offensichtlich herausfinden, wann Regierungsvertreter eingeweiht wurden. Doch die Antwort aus Tiefensees Haus steht noch aus. Üblich sei eine Reaktion innerhalb einer Woche, empört sich Döring. Das Bundesverkehrsministerium wollte sich auf Anfrage von SPIEGEL ONLINE dazu bislang nicht äußern.

"Äußerst gemächlich" bei der Aufklärung

Tiefensee gebe gerade "den brutalstmöglichen Aufklärer", moniert Döring in einer Pressemitteilung jetzt. Dabei habe der Minister "über Monate kaum etwas getan", um "die Aufklärung voranzutreiben". Es stelle sich die Frage, ob Tiefensee, "freiwillig oder unfreiwillig, dazu beigetragen hat, dass dieser Skandal so lange unter der Decke gehalten wurde". Auch der Vorsitzende des Verkehrsausschusses im Bundestag, Klaus Lippold (CDU), wirft Tiefensee Zögerlichkeit vor. Der Minister und der Aufsichtsrat der Bahn seien in der Affäre bislang "äußerst gemächlich" vorgegangen, sagte Lippold am Mittwoch im ZDF-Morgenmagazin.

Der Verkehrsausschuss beschäftigte sich am Mittwoch mit dem Thema. Von 10.30 Uhr mussten laut Tagesordnung das Bahn-Vorstandsmitglied Otto Wiesheu, der Compliance-Beauftragte Schaupensteiner und der Leiter der Konzernsicherheit, Jens Puls, Rede und Antwort stehen. Zuvor hatte die Bahn den Abgeordneten die Antworten auf einen Fragenkatalog mit 119 Punkten vorgelegt - nachdem der Konzern am Dienstag bereits den ausführlichen Zwischenbericht veröffentlicht und endgültige Aufklärung bis März versprochen hatte.

Trotzdem dürfte die Stimmung im Verkehrsausschuss nicht besonders gut gewesen sein. Der Zwischenbericht der Bahn sorgte für heftige Empörung. Der CSU-Verkehrspolitiker Andreas Scheuer etwa sagte der "Passauer Neuen Presse": "Ich dachte, dass die Stasi-Zeiten schon vorbei sind, aber bei der Bahn hat man das offenbar fortgesetzt." Auch das Auftreten des Anti-Korruptionsbeauftragten Schaupensteiner, im Verkehrsausschuss vor zwei Wochen sei "ultrarotzig" gewesen.

Für zusätzlichen Ärger sorgte die Beurlaubung des Leiters der zuständigen Bahn-Revisionsabteilung, Josef Bähr, am Dienstag. Der Manager war eigentlich ebenfalls zu der Verkehrsausschusssitzung geladen - jetzt kommt er um die Aussage herum. "Wir betrachten das als Affront gegen den Verkehrsausschuss und als Zeichen für mangelnden Aufklärungswillen", polterte der FDP-Verkehrsexperte Horst Friedrich. Nach Informationen von SPIEGEL ONLINE will der Ausschuss Bähr und auch Konzernchef Mehdorn nun für den 4. März vorladen.

Nur der Vorsitzende des Ausschusses Lippold zeigte Verständnis für den Schritt der Bahn. Der Konzern habe angesichts der schweren Vorwürfe, die gegen Bähr im Raum stehen, keine andere Chance gehabt. Auch über eine mögliche Ablösung Mehdorns wollte Lippold nicht spekulieren. Er halte es in dieser Frage mit SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier: Zunächst müsse das Ergebnis der Prüfung abgewartet werden. Offensichtlich gebe es eine rechtliche Grauzone, was die Zulässigkeit des Datenabgleichs angehe. Dem Bahn-Bericht zufolge sei der Vorstand zudem zwar über das Screening informiert gewesen, nicht aber über den Massenabgleich von Daten.

Ärgerlich sei, dass Tiefensee noch Anfang Januar erklärt habe, er wolle zunächst den Bericht des Datenschutzbeauftragten abwarten. Dieser liege bis heute nicht vor. Die plötzliche Eile des Ministers sei daher "nicht ganz verständlich". Aber angesichts der Medienberichte werde offenbar auch der Minister schnell.

Mit Material von AP und ddp.
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren