Deutsche Umwelttechnik für China Genug Dreck für alle

Luftverpestung, verschmutzte Gewässer, Abfallberge: Die ökologische Lage in China ist desolat. Doch langsam entdeckt Peking den Umweltschutz – zur Freude deutscher Unternehmer.

Hamburg - Als Inspektoren des Internationalen Olympischen Komitees vor fünf Jahren Peking besuchten, wurden vergilbte Rasenflächen in der smogverseuchten Stadt einfach grün gefärbt. Wenn die Welt 2008 auf die chinesische Hauptstadt schaut, will diese mehr bieten als nur einen grünen Anstrich: Sämtliche Busse bei den Olympischen Spielen sollen dann Biodiesel tanken, der in China produziert wird.

Die Anlage für die Kraftstoff-Fertigung, regulärer Preis rund 15 Millionen Euro, will die Frankfurter Firma Lurgi liefern. Das Geschäft wurde beim jüngsten China-Besuch von Kanzlerin Angela Merkel angebahnt. Lurgi-Sprecher Klaus Kilian ist "sehr optimistisch", dass es auch wirklich zustande kommt. "Der Bedarf ist riesig".

"Umwelttechnik gewinnt in allen Bereichen an Bedeutung", bestätigt Lars Anke, der beim Ostasiatischen Verein in Hamburg deutsche Unternehmer mit China-Ambitionen berät. Gut seien die Perspektiven etwa bei der Wasser- und Luftreinhaltung oder beim ökologischen Bauen. "Dort gibt es bislang kaum chinesische Hersteller, die konkurrenzfähig sind." Bei der deutsch-chinesischen Wirtschaftskonferenz "Hamburg Summit" Mitte September wird Umwelttechnik ein Schwerpunkt sein.

Der Boom hat Gründe: 70 Prozent von Chinas Gewässern gelten als stark verschmutzt, 80 Prozent der Abfälle werden unsachgemäß entsorgt, jährlich sterben nach WHO-Schätzungen eine Viertelmillion Chinesen an Folgen von Luftverschmutzung. Auch die kommunistische Führung kann die Augen nicht vor der dramatischen Lage verschließen: Die im ausgelaufenen Fünf-Jahresplan festgelegten Umweltschutzziele wurden für gescheitert erklärt, Präsident Hu Jintao rief zur Besserung auf.

Umweltschäden bedrohen den Aufschwung

"Das Interesse ist da", spürt der Architekt Meinhard von Gerkan, der derzeit unweit von Shanghai die Reißbrettstadt Lingang New City baut. Ihr ringförmiges Nahverkehrssystem soll die Verkehrswege pro Einwohner im Vergleich zu Shanghai um bis zu 50 Prozent reduzieren.

Im Vorfeld der Olympischen Spiele in Peking und der Expo 2010 in Shanghai sind Bauherren "am Applaus der Öffentlichkeit und Politiker interessiert", weiß der Architekt. Noch größer ist eine andere Motivation: Ökologische Schäden kosten Peking viel Geld, nach Schätzung der Weltbank bis zu zwölf Prozent des Bruttoinlandprodukts. Der stellvertretende Umweltminister Pan Yue warnte, das Wirtschaftswunder sei "bald zu Ende, denn die Umwelt hält nicht mehr mit".

Angesichts der knappen Ressourcen erproben deutsche Unternehmen im potenziell größten Umweltmarkt der Welt auch Neues. So soll chinesischer Biodiesel statt aus dem in Europa gebräuchlichen Raps aus der Jatropha-Pflanze gewonnen werden. Sie gedeiht auch auf karstigem Grund - ein wichtiges Argument im bevölkerungsreichen China, das hochwertige Böden zur Nahrungsmittelproduktion benötigt.

Auch mit Anwendungen, die mehrere Vorteile vereinen, könne man punkten, berichtet Stephan Kohler, Chef der halbstaatlichen Deutschen Energie-Agentur (dena). Kürzlich stellte er in der Provinz Guizhou ein Projekt vor, bei dem Methangas aus Bergwerken abgesaugt und zur Wärmegewinnung genutzt wird. Der Gouverneur war begeistert. Wie im ganzen Land sterben in seiner Provinz jedes Jahr zahlreiche Bergleute bei Explosionen. "Der sagt, er muss einfach etwas tun", so Kohler.

Filter für alte Kohlekraftwerke

Die Braunkohlekraftwerke, größter Verschmutzer im Land, müssen bis 2010 mit Schwefelfiltern ausgerüstet werden – ein potenzielles Millionengeschäft für deutsche Unternehmen, die neben Japan und den USA größter Lieferant für Abfallbehandlung und Luftreinhaltung sind. "Da haben wir bei den Importen Steigerungen von bis zu 30 Prozent", sagt Lars Anke. Bei bestimmten Produkten, etwa Vliesstoffen für Filter, profitiere man zum Teil von langjährigen Geschäftsbeziehungen.

Auch erneuerbare Energien, die seit einem Jahr mit einem Gesetz nach deutschem Vorbild gefördert werden, bieten Chancen. Mehr als 80 Prozent der chinesischen Windkraftanlagen wurden im Jahr 2004 von ausländischen Firmen gebaut, deutsche Unternehmen seien "technologisch führend", so Anke. Die weltweit größte Fabrik für Sonnenkollektoren versorgt seit zwei Jahren von der Provinzhauptstadt Jinan aus rund 1000 chinesische Händler – ein Joint Venture der deutschen Firma Paradigma.

Groß ist jedoch die Sorge, deutsches Umwelt-Know-How könnte kopiert werden. Anlagenbauer Lurgi etwa gibt Garantien nur unter der Bedingung, dass bestimmte Teile auch in Zukunft in Deutschland bestellt werden. Ein Problem bleibt zudem die chinesische Verhandlungskultur. Die Bedeutung persönlicher Kontakte könne "gar nicht überschätzt werden", warnt die dena potenzielle Investoren.

Die Stralsunder Firma Umweltplan kann das bestätigen. Für die Acht-Millionen-Metropole Wuhan sollte sie eine nachhaltige Stadtentwicklung entwerfen, Türöffner war ein chinesischer Student mit Kontakten in die entscheidenden Behörden. Als er als Vermittler wegfiel, war es mit den Plänen schnell wieder vorbei. Rückblickend glaubt Geschäftsführerin Synke Ahlmeyer, dass es vor Ort noch an Umweltbewusstsein mangelte. "Das ist schön bunt und hängt an der Wand", sagt sie über den Umgang mit den Plänen ihres Büros, "das wird plakatiert, aber nicht gelebt."

Zum Teil vertreten deutsche Unternehmen in China allerdings auch Technologien, die sich zu Hause noch gar nicht durchgesetzt haben. So ist die geplante Biodiesel-Fabrik Teil einer von der dena koordinierten Initiative, die den Chinesen neuartige Kraftstoffe bis hin zum Wasserstoffantrieb sowie die dazu passenden Fahrzeuge schmackhaft machen soll. Dabei kooperieren auch namhafte Automobil- und Mineralölkonzerne, die sonst als Konkurrenten auftreten. In China, sagt dena-Chef Kohler, sei der Markt eben "so groß, dass für alle ein Kuchenstück übrig bleibt."

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