Statt Mineralölsteuer Zeit für eine intelligente Maut

Pflasterstraße: Ohne Mineralölsteuer fehlt das Geld für moderne Straßen
Foto: Friso Gentsch/ picture-alliance/ dpaEs gibt in Deutschland eine Straßengebühr, schon seit vielen Jahrzehnten. Sie bringt dem Staat jährlich mehr als 40 Milliarden Euro Einnahmen. Von dem Geld werden dann Brücken renoviert, Autobahnen gebaut und Tunnel gegraben.
Es ist die Mineralölsteuer, und sie hat sogar eine ökologische Steuerungswirkung: Je schneller der Bürger fährt, je fettere Autos er kauft, desto mehr Sprit verbraucht sein Wagen - und umso mehr zahlt er für seine zurückgelegte Strecke.
Dieser Umstand alleine verdeutlicht, was für eine absurde Idee es von der CSU war, eine Pkw-Maut einzuführen, die alle diese Vorteile nicht hat: Danach sollten alle einen fixen Betrag bezahlen, um eine bestimmte Zeit lang auf deutschen Autobahnen fahren zu dürfen, so viel sie wollen. Umso absurder war das Vorhaben, weil nur Ausländer diese Zwangsabgabe blechen sollten, während die Bundesbürger über die Kfz-Steuer in Höhe einer Jahresvignette von 130 Euro kompensiert worden wären.
Scheuer muss abwickeln
Dies brachte das Vorhaben von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) letztlich auch vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zu Fall. Die Urteilsverkündung am Dienstag war eine schmerzhaft peinliche Niederlage für den Christsozialen. Ohne Plan B stand er da, und er muss sich nun dafür rechtfertigen, warum er bereits vor dem Urteil Verträge mit zwei Mautbetreibern abgeschlossen hat. Für Scheuer heißt es jetzt: Abwickeln. Denn die Mautfirmen fordern Hunderte Millionen Euro Kompensation, was Scheuer mit einer List verhindern will .
Es ist gut, dass diese Form der Maut jetzt vom Tisch ist. Das verschafft Zeit, eine Maut zu planen, die gerecht, ökologisch und klimafreundlich ist.
Warum sollte man das tun, wo es doch die Mineralölsteuer gibt? Spätestens in zehn Jahren sollen die Deutschen vorwiegend mit Elektroautos fahren, und Elektroautos brauchen zwar keinen Sprit, aber dennoch Straßen. Bis dahin muss ein Bezahlsystem bereitstehen, das eben nicht über die Mineralölsteuer funktioniert.
"Wir benötigen mittelfristig ein Instrument, mit dem wir nicht nur die Verkehrsinfrastruktur finanzieren, sondern auch eine ökologische Lenkungswirkung erzielen können", sagt etwa Christian Hochfeld, Direktor der Denkfabrik Agora Verkehrswende. Die Pkw-Maut 2.0 ist also nichts anderes als eine logische Ableitung aus der Transformation der Autoindustrie: weg vom Verbrennungsmotor, hin zum klimaschonenden Elektroantrieb.
Lkw als Vorbild
Verkehrsexperte Hochfeld plädiert für eine Lösung, wie man sie schon von der Lkw-Maut kennt: Autos würden künftig mit Transpondern ausgestattet. An der Auffahrt registrieren Sensoren das einfahrende Fahrzeug, auf den Kontrollbrücken über der Autobahn wird die Bewegung des Autos weiterverfolgt, bis es schließlich die Ausfahrt nimmt. Am Ende gibt es eine kilometergenaue Abrechnung.
Doch die neue Technik böte noch mehr: Es ließe sich eine Strecke teurer machen, wenn das Verkehrsaufkommen hoch ist, etwa in der Rushhour. Autobahnen, die andere Autobahnen entlasten, wären entsprechend billiger zu befahren. Auch die Einfahrt in die Stadt ließe sich in dieses System integrieren. Es bräuchte einfach nur erweitert werden mit Registrierungsvorrichtungen an den Grenzen der Innenstädte. Auch könnten sparsamere oder leichtere Fahrzeuge einen Nachlass bekommen. So würde der Anreiz gesetzt werden, Fahrzeuge zu entwickeln, die weniger Energie brauchen und den Straßenbelag schonen.
Es ist bedauerlich, dass nun mehr als fünf Jahre mit der Planung der falschen Maut vergeudet worden sind und dabei viel Geld verbrannt wurde. Jetzt muss mit der Konzeption einer wirklich sinnvollen Wegbepreisung begonnen werden.
Das ist schon aus dem Grund ratsam, weil die Europäische Union dies den Mitgliedstaaten auferlegen will. Derzeit arbeiten die Beamten in Brüssel an einer Eurovignetten-Richtlinie (1999/62/EC), die das Gebührenwesen auf europäischen Straßen vereinheitlichen und gleichzeitig verbessern will. Es sieht vor, dass zeitabhängige Mauten wie das von Scheuers Leuten für Deutschland erdachte System schrittweise abgeschafft werden. Differenziert werden sollen die Abgaben nach den CO2-Emissionen.
In den Verhandlungen in Brüssel hat das Bundesverkehrsministerium bislang progressive Lösungen blockiert - kein Wunder: Man wollte ja die verkorkste "Ausländer-Maut" in Deutschland einführen. Dieser Anachronismus ist mit dem EuGH-Urteil passé. Der Weg ist frei für eine faire und nachvollziehbare Maut, die Autofahrer aus dem In- und Ausland gerne zahlen würden - zumindest dann, wenn ihnen an guten Straßen ebenso gelegen ist wie am Schutz der Umwelt.