Passagierzüge müssen warten Kohle und Öl bekommen Vorfahrt auf der Schiene

Mit Kohle beladener Zug nahe Leipzig: Raffinerien und Kraftwerke am Laufen halten
Foto:Peter Endig / dpa
Damit im Notfall Kohle, Öl und andere Produktionsmittel schnell genug in den Kraftwerken und Raffinerien ankommen, bekommen sie Vorfahrt im deutschen Eisenbahnnetz. Das Bundeskabinett hat eine entsprechende Rechtsverordnung beschlossen, wonach »Energieträgertransporte per Bahn und der schienengebundene Transport von Großtransformatoren« Vorrang bei der Nutzung des Schienennetzes erhalten. Das teilten die Ministerien für Verkehr und Wirtschaft gemeinsam mit.
»Im Zweifel kann das auch bedeuten, dass Personenzüge warten müssen«, sagte Bundesverkehrsminister Volker Wissing nach der Kabinettssitzung. Wenn nämlich, so der FDP-Politiker, kurzfristig zusätzliche Transporte im Energiebereich erforderlich seien, müsse priorisiert werden. Hinzu kommt, dass derzeit wegen der niedrigen Pegelstände der Transport auf manchen Wasserwegen eingeschränkt ist.
Voraussetzung für die Priorisierung ist den Angaben zufolge die »Gefährdung des sicheren und zuverlässigen Betriebs der Elektrizitätsversorgung« oder »des Betriebs von Raffinerien und der Mineralölversorgung«.
Höhere Lärmbelästigung durch alte Güterzüge
Der Vorrang für Energietransporte etwa zur Versorgung von Kohlekraftwerken ist in einer Rechtsverordnung festgelegt. Ziel ist es, den Betrieb von Kraftwerken, Raffinerien und Stromnetzen und damit die Energieversorgung sicherzustellen – trotz ausbleibender Gaslieferungen aus Russland. Zunehmend sollen hierzu auch Kohlekraftwerke aus der Reserve zur Stromversorgung wieder ans Netz gehen.
Anfang August hatte in Niedersachsen ein eigentlich bereits abgeschaltetes Steinkohlekraftwerk wieder seinen Betrieb aufgenommen. Die hierfür benötigte Steinkohle muss in jedem Fall weite Transportwege zurücklegen, denn die Förderung heimischer Steinkohle endete im Dezember 2018 im Ruhrgebiet.
Die Schienentransporte für den Energiesektor sollen laut den Ministerien »innerhalb eines klar definierten Energiekorridor-Netzes« Vorrang haben. Die Rechtsverordnung enthält eine zehn Seiten lange Liste der entsprechenden Trassen.
»Die Eingriffe in den Schienenverkehr sollen so gering wie möglich gehalten werden, um auch andere Güterarten weiterhin den Bedarfen entsprechend transportieren zu können und Ausfälle beziehungsweise Verspätungen im Personenverkehr weitestgehend zu vermeiden«, schreiben die Ministerien.
Anwohnern von Bahnstrecken droht dabei auch eine höhere Lärmbelastung: »Zur Gewährleistung einer stabilen Energieversorgung und aufgrund bestehender Kapazitätsengpässe auch beim Wagenmaterial kann es erforderlich sein, auch solche Güterwagen einzusetzen, die nicht mehr den geltenden Lärmschutzstandards entsprechen«, teilten die Ministerien mit. »Die Vorschriften des Schienenlärmschutzgesetzes werden daher in diesem besonderen Ausnahmefall von der Anwendung ausgeschlossen.«