Unvollständige Liste Diese Produkte sind vor Weihnachten kaum zu kriegen

Noch ist die Auswahl in den Buchhandlungen groß – aber wie lange noch?
Foto: George Clerk www.georgeclerk.com / Getty ImagesEs ist eines der liebsten Geschenke der Bundesbürger. Etwas nostalgisch vielleicht, angesichts all der Digitalität da draußen. Aber womöglich gerade deshalb scheinen Bücher vielen ideal, um sie unter den Tannenbaum zu legen. Wer jedoch in diesem Jahr besonders schicke Bände aus hochwertigem Papier verschenken möchte, könnte ein Problem bekommen: Die Buchbranche kämpft seit Monaten mit Papiermangel. Kurzfristig nachdrucken wird für Verlage schwer; wer heute eine neue Auflage beschließt, wird erst kommendes Jahr beliefert werden. Für das Weihnachtsgeschäft ist das allemal zu spät.
Insbesondere Altpapier fehlt, weil in der Coronakrise weniger davon angefallen ist – Unternehmen stoppten Wurfsendungen, Zeitungsabonnenten stellten auf Digitalausgaben um. Doch etwa für die Herstellung von Buchdeckeln wird das rare Gut Altpapier benötigt. Zellstoff, ein wichtiger Papierbestandteil, war ebenfalls lange Mangelware. Das Material wurde vielerorts gebraucht, hinzu kommen Staus auf den Weltmeeren. Große Verlage versuchen deshalb schon seit geraumer Zeit, Sonderformate abzuschaffen und immer mehr zu standardisieren, damit nur bestimmtes Papier bevorratet werden muss. Leichte Entspannung wird für 2022 erwartet.
Nicht nur bei Büchern ist die Lage schwierig, auch in so manchem Regal von Händlern, auf vielen Ausstellungsflächen und sogar im Baumarkt droht die Vielfalt verloren zu gehen. Zehn Wochen vor Weihnachten fehlt es an allen Ecken und Enden , in allen Branchen und Gewerken. Mal hängt die Ware in Asien fest, dann fressen gestiegene Frachtraten die Marge auf, sodass ein Import unwirtschaftlich wird. Mitunter fehlt auch einfach der Rohstoff: Halbleiter, Hartplastik, Holz.
Wie weitreichend die Mangelwirtschaft inzwischen ist, zeigt eine – bewusst unvollständige – Sammlung knapper Güter:

Das vielleicht begehrteste knappe Gut ist momentan die Spielekonsole. »Es gibt keine Chance, spontan eine Playstation 5 abzukriegen«, sagt jemand, der für die Kette GameStop arbeitet. Die einzigen, die noch hoffnungsvoll in seine Filiale kämen, seien manche Mütter. Er muss sie enttäuschen: An der Wand hängen zwar Kartons, doch die sind nur Deko. Selbst hartnäckiges Nachfragen bringt Kunden bestenfalls auf eine Warteliste.
Sonys weißes System in Science-Fiction-Optik ist zum Sehnsuchtsobjekt geworden. Bald könnte es im Einzelhandel auch bei bestimmten Smartphones, Tablets oder Druckern Engpässe geben, bei Grafikkarten drohen weiter Mondpreise. Doch die Playstation 5 ist der Endgegner der Geschenksuchenden. Sony hat weltweit schon mehr als zehn Millionen Exemplare verkauft, doch der riesigen Nachfrage hechelt es auch knapp ein Jahr nach Marktstart chancenlos hinterher . Selbst wer auf Microsofts Xbox Series X umschwenkt, hat es schwer: Auch beim Top-Konkurrenten sind alle Lager leer, vorrätig ist höchstens die abgespeckte Variante Xbox Series S.

Waschmaschinen, Trockner, Geschirrspüler, ja sogar Staubsauger: alles auf Wochen vergriffen. Weil manche Fabrik während der Pandemie über Wochen stillstand, die Kunden aber von daheim arbeiteten und abends auf dem Sofa fleißig Haushaltsgeräte orderten, laufen die Hersteller einem riesigen Nachfrageüberhang hinterher. Hinzu kommen Probleme mit Halbleitern, deren Knappheit momentan vielen Branchen Kopfzerbrechen bereitet. Die Folge: steigende Preise. Und lange Wartezeiten für die Kunden. Unklar, ob sich das so bald ändert.

Eigentlich sollte in diesen Tagen die Spielzeug-Hochsaison beginnen. Und tatsächlich ist in vielen Geschäften schon wieder mehr los. Nur: Es fehlt immer wieder an Ware. Container-Frachtraten, die sich binnen einem Jahr verzehnfachten, lassen das Geschäft für so manchen Importeur unrentabel werden, gerade, wenn es sich um billige Ware handelt. Auch große Markenhersteller wie Lego, Playmobil oder Bruder kämpfen. Zwar laufe momentan die Produktion auf Hochtouren, sagt Paul Heinz Bruder, Inhaber des gleichnamigen Herstellers. Dennoch komme er mit dem Abarbeiten der Aufträge kaum hinterher. Auch bei Ravensburger warnen sie: Natürlich drohten zum Fest keine leeren Regale, aber bei so manchem begehrten Spielzeug mit Elektronikkomponente könne es schon mal zu Knappheiten kommen. Selbst bei Holzspielzeug gibt es Engpässe: Der Rohstoff ist aufgrund der boomenden Bauwirtschaft knapp und teuer.

Die großen Hersteller von Baumaterialien und Werkzeugen stellen die Kunden auf monatelange Verzögerungen ein. Um bis zu zehn Wochen verspäteten sich derzeit Lieferungen durch die Engpässe auf den Containerfrachtern, berichtet Thomas Klenk, Einkaufschef bei der Würth-Gruppe. Beim Schraubenspezialisten aus Künzelsau betrifft das vor allem genormte Standardteile, die aus Asien verschifft werden. Inzwischen plant das Unternehmen Lieferungen deshalb bis Ende 2022 – doch das hilft allenfalls in der Zukunft. Wann es wieder besser wird? »Aktuell ist das nicht absehbar«, sagt Klenk. Ähnlich äußert sich Bosch und spricht ebenfalls von »erheblichen Verzögerungen« bei vielen Produkten.
Die Not könnte sich sogar noch verschärfen, befürchtet der Würth-Manager. Weil in China mancherorts wegen fehlender Kohle tagelang der Strom abgeschaltet werde, fehlten wichtige Rohstoffe für die Produktion. Jüngstes Beispiel sei Magnesium, das etwa bei der Herstellung von Aluminiumteilen benötigt wird. Klenk will dabei nicht einmal eine Prognose darüber wagen, wann sich die Lieferketten wieder stabilisieren.

Bei Schmuck und Uhren sind vor allem die Hersteller und Händler von günstigen Modellen von Importen aus Fernost abhängig. »Da ist Hongkong das Nadelöhr«, sagt Guido Grohmann, Geschäftsführer des Bundesverbandes Schmuck und Uhren. Traditionell werde in der Branche fast alles über den Hafen der ehemaligen britischen Kolonie verschifft. Weil die Produkte aber aus Fabriken nahe der Grenze zu China stammen, müssen sie zunächst nach Hongkong gefahren werden – ein kompliziertes Unterfangen, neben der Pandemie auch aus politischen Gründen.
Wer sich für hochwertigen Schmuck interessiert, könnte aus einem anderen Grund leer ausgehen. Die Branche erlebe nach Ende des Corona-Lockdowns einen regelrechten Run auf die Geschäfte, berichtet Grohmann. Allein zwischen Mai und Juni stiegen die Umsätze im Schmuck-Einzelhandel laut Verbandsdaten um 37 Prozent. »Weil aktuell weniger technische Geräte verfügbar sind, kaufen die Leute gerne Schmuck«, vermutet Grohmann. Wenn Hersteller nun aber die Produktion ausbauen wollen, fehle es oft an den nötigen Maschinen. Das bestätigen mehrere Unternehmen aus der Branche. Immerhin: An Rohstoffen mangelt es der Schmuckindustrie nicht, denn Metalle wie Gold und Silber stammten fast ausschließlich aus deutschen oder europäischen Recyclinganlagen.

Borgfelde ist nicht der schönste Stadtteil von Hamburg. In manchen Straßen reiht sich Autohaus an Autohaus, stehen normalerweise die Pkw dicht an dicht. Bei Volkswagen indes herrscht gerade gähnende Leere. Ein blauer und ein silberner Golf stehen verlassen herum. Auf einem Schild, das normalerweise Typenbezeichnung und Preis zeigt, steht: »Dieses Fahrzeug ist bereits verkauft.« Acht solcher Hinweise stehen aufgereiht nebeneinander – sie werden nicht gebraucht, weil es nichts zu bewerben gibt.
Besonders früh und besonders heftig traf die Lieferflaute die Zulieferbranche, mehr als 90 Prozent der Unternehmen beklagen laut der jüngsten Umfrage des Ifo-Instituts Probleme bei der Beschaffung. Teils geht es dabei nur um höhere Preise für Rohstoffe wie Stahl, Kupfer, Aluminium und Energie, wie sie im Zuge konjunktureller Schwankungen häufig vorkommen. Echte Not herrscht dagegen bei der Versorgung mit Halbleitern. Hier kommen mehrere Ursachen zusammen.
Autokonzerne und Zulieferer unterschätzten, wie schnell sich die Nachfrage nach dem ersten Lockdown erholte. Zugleich werden in den neuen Modellen mit Elektroantrieb mehr Halbleiter verbaut als bei den alten Verbrennern. »Das haben die Hersteller ein bisschen verschlafen«, sagt Klaus Wohlrabe, stellvertretender Leiter des Ifo-Zentrums für Makroökonomik. Weil neue Halbleiterwerke nicht auf die Schnelle gebaut und damit neue Kapazitäten nur mit großer Verzögerung geschaffen werden könnten, werde die Chipknappheit den Autokonzernen noch mindestens im kommenden Jahr Probleme bereiten, manche Branchenbeobachter rechnen bereits mit Problemen bis 2023. Eine schnelle Lösung werde es »leider nicht geben«, heißt es.

Leere Regale, ausverkaufte Großhändler, monatelange Lieferfristen für Fahrräder: Schon seit Beginn der Pandemie leidet die Zweiradbranche unter ihrem eigenen Erfolg. Weil die Menschen sich im Homeoffice bewegen wollten, volle U-Bahnen und Busse mieden und die Verkehrswende mit den boomenden E-Bikes ohnehin in vielen Städten Fahrt aufnimmt, überlegten viele, in neue Räder zu investieren. Leichter gesagt als getan. Beim Zweirad-Industrie-Verband erlebt man nun das zweite Weihnachtsgeschäft unter Pandemiebedingungen – und mit denselben Vorzeichen. Ware ist knapp, Nachfrage hoch, das lässt die Produkte teuer werden. Mit 10 bis 15 Prozent höheren Preisen müssten die Kunden im kommenden Jahr rechnen, heißt es beim Verband. Und: Wer nicht Monate auf sein neues Rad warten könne, müsse eben »nehmen, was da ist«.

Offenbar investieren viele Hobbymusiker ihr gespartes Urlaubsgeld derzeit in neue Instrumente und Zubehör. Der größte europäische Händler, Thomann, berichtet zwar von keinerlei größeren Auffälligkeiten oder gar Lieferproblemen bei E-Gitarren, gibt jedoch Lieferzeiten schon mal mit mehreren Wochen oder gar Monaten an – selbst für Kleinteile. Die auf Gitarrenteile spezialisierte Firma Warmoth warnt ihre Kunden vor langen Frachtzirkeln, entschuldigt sich für vier bis fünf Tage als Reaktionszeit auf E-Mails. Und der britische E-Gitarren-Hersteller Status Graphite, dessen Instrumente gern mal mehrere tausend Euro kosten, nimmt derzeit überhaupt keine Bestellungen mehr an, weil das Auftragsbuch zu voll ist.

Die Komponenten-Knappheit trifft inzwischen auch die erfolgsverwöhnte Smartphone-Industrie: Im dritten Quartal habe es bereits einen Rückgang der Lieferungen um sechs Prozent gegeben, meldet Canalys. Die Marktforscher erwarten deshalb, dass es etwa zum amerikanischen Rabattschlacht-Tag Black Friday Ende Oktober keine so deutlichen Preisnachlässe wie üblich geben wird. Unternehmen, die ohnehin mit geringen Gewinnmargen arbeiten, raten sie, die Konsumenten statt mit Rabatten mit kostenlosen Beigaben wie etwa Kopfhörern zu locken.

Auch wenn Schrankwände eher selten unterm Weihnachtsbaum liegen dürften, das ein oder andere Billy-Regal wäre vielleicht doch dort gelandet. Wenn nicht die hohen Frachtraten und die langen Schiffszeiten das Möbelgeschäft in arge Bedrängnis bringen würden. Das Sortiment könne »besonders in Europa, Nordamerika und der Asien-Pazifik-Region vorübergehend variieren«, schreibt Ikea-Deutschland auf Anfrage. »Wir hoffen angesichts dieser herausfordernden Situation auf das Verständnis unserer Kundinnen und Kunden und danken ihnen für ihre Geduld, sofern ihre Wunschprodukte derzeit nicht voll verfügbar sind.«
Was harmlos klingt, kommt für einen der größten Möbelhändler der Welt tatsächlich einer Bankrotterklärung gleich. Schließlich hat Ikea schon Schiffe gechartert, Transporte von Asien nach Europa auf die Schiene verlegt, allerlei Effizienzen im System gehoben und so die Transportkapazität um insgesamt zehn Prozent gegenüber Vor-Corona gesteigert. Leider ist der Andrang zu mächtig – oder die Lager zu klein: All die Mühen reichten »immer noch nicht aus, um die Bestände unseres gesamten Sortiments aufzufüllen«, so Ikea.

Inzwischen werden selbst wirklich wichtige Produkte rar, Hilfsmittel für pflegebedürftige Menschen etwa, Rollatoren, Sauerstoffgeräte.
4,6 Millionen Personen sind in Deutschland pflegebedürftig, die meisten von ihnen werden zu Hause von Angehörigen betreut. Auf einen einfachen Toilettenstuhl, eine Art Rollstuhl mit Kloschüssel unter dem Sitz, müsse er statt früher eine Woche inzwischen sechs Wochen warten, sagt Markus Wendler, »dabei ist ein solcher Stuhl das wichtigste Hilfsmittel im häuslichen Umfeld«. Wendler ist Inhaber des Bielefelder Hilfsmittelversorgers PVM. Auf Rollatoren wartet der Unternehmer ähnlich lang wie auf die Klostühle, die Lieferzeiten für mobile Sauerstoffgeräte liegen mittlerweile sogar bei drei Monaten.
Grund für die langen Wartezeiten ist die vornehmlich in Asien konzentrierte Produktion vieler Medizintechnik-Produkte. Zudem sind deren Grundstoffe wie Plastik oder Stahl knapper und teurer geworden. Für einen Rollator, so Wendler, erhalte er maximal 80 Euro von den Krankenkassen vergütet. Früher habe er ihn für knapp 40 Euro einkaufen können, musste sich allerdings auch um Lieferung, Service und Reparatur kümmern. Inzwischen liege der Preis bei rund 57 Euro – wenn die Hersteller überhaupt noch nach Europa exportieren. Bei vielen günstigen Produkten lohnt sich ein EU-Export kaum noch. Neben den gestiegenen Frachtkosten müssen die Produkte seit Mai auch nach der neuen EU-Medizinprodukte-Verordnung zur Patientensicherheit zertifiziert werden, eine Folge des Skandals um mangelhafte Brustimplantate.
Die Verordnung sei gut gemeint, so Wendler, sei bei den einfachen Produkten aber kontraproduktiv. »Da geht es um Fragen nach Lagertemperaturen, die für Produkte wie Rollatoren kaum eine Rolle spielen.« Dafür sei deren Qualität und der dazugehörige Service inzwischen oft so dürftig, dass er nicht mal an Ersatzteile komme. »Wir reparieren inzwischen aus unseren kaputten Bruchstücken.«