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REISEN Doch ein Schock

Was Reisende in den Metropolen der Welt ausgeben müssen, versuchen Statistiker mit komplizierten Rechnungen zu ermitteln.
aus DER SPIEGEL 6/1979

Ob sie Millionenaufträge ergattern oder leer ausgehen -- Peking ist, so scheint's, für Manager aus dem Westen in jedem Fall die Reise wert: In keiner anderen Metropole leben die kapitalistischen Führungsmänner, sind sie auf Geschäftsbesuch, so billig wie in Chinas Hauptstadt.

Die teuerste Stadt der Welt liegt nicht weit entfernt -- es ist Japans Hauptstadt Tokio. Dort muß der internationale Business-Mann viermal soviel ausgeben wie in der chinesischen Hauptstadt.

Zwar kostet das Hotel in Tokio eher etwas weniger (umgerechnet rund 150 Mark) als im übrigen runden Dutzend der teuersten Städte der Welt. Für ein Menü muß der Reisende aber mehr als doppelt soviel wie in Frankfurt berappen.

Solche Feinheiten ermittelte unlängst für die 66 wichtigsten Städte der Welt die Londoner »Financiai limes«.

Das Finanzblatt errechnete die Kosten, die Geschäftsleuten im Durchschnitt bei einem Aufenthalt von drei Tagen entstehen: drei Übernachtungen einschließlich Frühstück in einem Erstklass-Hotel, zwei Essen in Hotelrestaurants mit internationalem Standard, eine Mahlzeit in einer durchschnittlichen Gaststätte, dazu Getränke wie Wein, Bier und einheimischen Whisky. Auch fünf Kilometer Taxifahrt gingen in die Kalkulation ein.

Im letzten Jahr noch führte Frankfurt die »Financial Times«-Liste als teuerste Stadt für reisende Manager an. Jetzt rangiert Frankfurt nur noch auf Platz sechs -- hinter Paris, nun in Europa für Geschäftsreisende die kostspieligste Stadt, der Dubai, Brüssel und Abu Dhabi folgen.

All diese Kostenvergleiche haben jedoch ihre Tücken. Die oft starken Kursschwankungen der Währungen können in kurzer Zeit zu erheblichen Verschiebungen führen, ohne daß dahinter entsprechende tatsächliche Preisbewegungen in dem jeweiligen Land stünden.

Durch den starken Kursverfall des Dollar etwa rutschte New York, das noch vor zwei Jahren am zweitteuersten war, auf die 16. Stelle der Preistabelle ab. Umgekehrt hatte der japanische Yen im letzten Jahr einen Höhenflug wie nie zuvor. Allein gegenüber der Mark stieg der Wert des Yen um über 25 Prozent. Und die Briten etwa mit dem schwächlichen Pfund müssen im Ausland für die gleiche Leistung relativ mehr bezahlen als die Deutschen mit ihrer starken Mark.

Häufig auch sind Standard und Qualität der miteinander verglichenen Dienstleistungen und Waren in Wirklichkeit gar nicht vergleichbar.

Zwar braucht der Reisende zum Beispiel in Moskau für ein Menü im Restaurant mit internationalem Anspruch nur die Hälfte von dem zu bezahlen, was er in Paris für das Diner hinlegen muß. Doch Moskauer Qualität und Service können sich nicht entfernt mit Pariser Standards messen.

Die Statistiker bemühen sich dennoch, mit Hilfe überaus komplizierter Berechnungs- und Gewichtungsmethoden Verzerrungen bei internationalen Preisvergleichen klein zu halten. Immerhin ist Tokio auch nach anderen Untersuchungen das teuerste Pflaster.

Deshalb bekommen westdeutsche Manager und Beamte für den Tokio-Aufenthalt den höchsten Spesensatz. Auf dem Index der Lebenshaltungskosten, den die Uno ermittelte, steht Tokio ganz oben. Die Genfer Beraterfirma Business International placierte die japanische Hauptstadt an die Spitze, und die Schweizerische Bankgesellschaft fand: »Tokio ist im internationalen Vergleich eines nach den Konsumgewohnheiten gewichteten Güter- und Dienstleistungspaketes die teuerste Stadt.«

Um die Lebenshaltungskosten international vergleichbar zu machen, stellten die Schweizer beispielsweise einen sogenannten Warenkorb mit 35 Nahrungsmitteln zusammen. Dazu gehören etwa Brot, Reis, Fleisch, Fisch, öl. Sie zählten aber nicht einfach die Kilo- und Literpreise zusammen. Vielmehr gewichteten sie die einzelnen Warenpositionen mit dem Index, der bestimmte regionale Verbrauchsgewohnheiten berücksichtigt.

Hinzugerechnet werden die Preise für bestimmte Dienstleistungen wie zum Beispiel Friseur, chemische Reinigung, Kino, Post und Telephon.

Die gewaltigsten Preisunterschiede registrieren die Statistiker bei den Mieten. Nach der zuletzt veröffentlichten Untersuchung der Schweizerischen Bankgesellschaft in 41 großen Städten kostete eine 3-Zimmer-Wohnung mittlerer Preislage in Tokio etwas über 2400 Mark, in Düsseldorf dagegen rund 750 Mark.

Daß in Tokio gerade auch für Geschäftsleute, die nur zu Besuch da sind, die Preise verdorben sind, liegt besonders an den Spesen-Usancen japanischer Firmen.

Je nach Position bekommen Japans Manager von ihrer Firma so ziemlich alles erstattet: von der Rechnung für eine anregende Stunde in einer der sogenannten »Touch«-Bars (mit Anfassen) bis zur Golfklub-Mitgliedskarte (bis zu 300 000 Mark).

Restaurants, die pro Person und Menü 600 Mark verlangen, sind gerammelt voll mit Spesenrittern. Schon Abteilungsleiter mit einem Monatsgehalt von 6000 Mark können noch einmal fast das Doppelte an Spesen abrechnen.

Für Bewirtungs- und Unterhaltungskosten gaben Japans Firmen im Flautenjahr 1977 genau 2 409 100 Millionen Yen (fast 21 Milliarden Mark) aus. Kein Wunder, daß ausländische Manager Tokio als »das allerheißeste Pflaster« empfinden, wo »einem das Geld nur so aus der Tasche gezogen wird« (Jürgen Juschkat von der Nihon Otto Anlagebau).

»Das ist schon ein Schock, wenn man die Preise hier so sieht«, meint auch Jochen Stahl, Direktor der Centralen Marketinggesellschaft der deutschen Agrarwirtschaft in Tokio. Bayer-Repräsentant Peter Scholz war neulich im Tokioter Palace-Hotel zu sechst essen: Steak, Salat, Früchte, zwei Flaschen Wein, pro Mann ein Cognac. Der Mann mußte 1200 Mark bezahlen.

Daß bei derlei Spesenpreisen nicht weit hinter Tokio Frankreichs Hauptstadt rangieren soll, hat die französischen Tourismus-Werber einigermaßen irritiert. Andre Deguin, Direktor des Office de Tourisme de Paris, beteuert, in Paris könne der Reisende schließlich schon ein gutes Menü für 18 Franc bekommen -- 7,80 Mark.

Deguin: »Wer schreibt, Paris wäre die zweitteuerste Stadt der Welt, tut es, ohne wirklich Bescheid zu wissen.«

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