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KONZERNE Doch eingeschränkt

Ganz so reibungslos, wie die Mercedes-Manager es sich vorstellten, läuft die Übernahme der AEG wohl nicht: Das Kartellamt wird etliche Auflagen machen. *
aus DER SPIEGEL 5/1986

Der Bundespräsident und der Kanzler sagten als Festredner zu, die ARD überträgt die große Show aus der Hanns-Martin-Schleyer-Halle in Stuttgart: Am Mittwoch dieser Woche feiert der Automobilhersteller Daimler-Benz sein Hundertjähriges.

Die Veranstalter des 16 Millionen Mark teuren Spektakels hatten auch einem weithin unbekannten Beamten eine Rolle zugedacht. Kurt Markert Direktor des Bundeskartellamtes in Berlin, war eingeladen. Er würde, so hofften die Mercedes-Manager, quasi als Jubiläumsgabe eine Entscheidung seiner Behörde mitbringen - die Genehmigung für den Einstieg von Daimler-Benz beim Elektrokonzern AEG.

Nur mit Erlaubnis der Wettbewerbsbehörde kann der Daimler-Vorstand darangehen, die Auto- mit der Elektrofirma zu einem Technologie- und Rüstungskonzern zu verschmelzen.

Doch der Fusionsprüfer aus Berlin macht nicht mit, er sagte ab.

Sein Auftritt hätte die Feier stören können: Bei den Recherchen, ob der größte Zusammenschluß in der deutschen Wirtschaftsgeschichte Gefahren für den Wettbewerb bringt, war Markert unvorhergesehen auf kartellrechtliche Probleme in einigen Ecken des geplanten Firmen-Verbundes gestoßen.

Damit hat bei Daimler-Benz keiner gerechnet. Nach einem »informellen Gespräch«, so der Hausjargon im Kartellamt, waren die Manager der Autofirma davon ausgegangen, daß die Wettbewerbsbehörde keine Schwierigkeiten machen würde.

Anfang Oktober vergangenen Jahres hatte sich das Daimler-Vorstandsmitglied Edzard Reuter beim Kartellbeamten Markert nach den Chancen einer schnellen Genehmigung erkundigt.

Nach dem »Stand der Dinge«, beschied der Wettbewerbshüter, habe er keine Bedenken. Möglicherweise benötige er nicht einmal die viermonatige Prüfungsfrist, die ihm das Gesetz einräume. Die Frist im Daimler-Fall läuft am 21. Februar dieses Jahres ab.

Nach Markerts damaligem Informationsstand konnte er zu keiner anderen Bewertung kommen. Zusammenschlüsse sind nach dem geltenden Fusionsrecht nur dann zu verbieten, wenn durch die geplante Liaison eine marktbeherrschende Stellung entsteht oder verstärkt wird. Selbst Elefanten-Hochzeiten wie die zwischen dem Auto-Unternehmen und der Elektrofirma können durchgehen, wenn sich bei den Produktionsprogrammen keine Marktanteile addieren.

Dem Kartellbeamten Markert bereitet es allerdings jedes Mal Seelenpein, wenn er wieder mal eine Groß-Fusion passieren lassen muß. Der 52jährige Beamte der ein Doppelstudium von Volkswirtschaft und Jura absolvierte, legt das Gesetz im Zweifel streng aus.

Markert, der über seine Tätigkeit genau Buch führt, hat seit Einführung der Fusionskontrolle 1389 Fälle bearbeitet. Wenn im Maschinenbau, in der Auto- und Elektrobranche heute noch einigermaßen Wettbewerb herrscht, dann ist das auch ein Verdienst von Kurt Markert. Der sieht sich gern als heimlichen Branchengestalter.

Marktmächtige Konzerne wie Bosch, Siemens oder Daimler-Benz erfreuen sich seiner besonderen Aufmerksamkeit. Der Firma Siemens zeigte Markert die rote Karte, als der Elektrogigant Grundig schlucken wollte. Daimler-Benz hinderte er daran, mit MAN die Nutzfahrzeug-Produktion zusammenzulegen, mit Fiat durften die Stuttgarter auf Berliner Geheiß keine gemeinsame Sache bei automatischen Getrieben machen.

Anderes, was Daimler-Benz sich packte, gefiel dem Wettbewerbshüter. Seinen Segen erteilte er im vergangenen Jahr, als Mercedes die zweite Hälfte des Maschinenbau-Unternehmens MTU kaufte; und er hatte keine Einwände, als die Autofirma die Mehrheit des Technologie-Konzerns Dornier schluckte.

Den Akten über diese Aufkäufe konnte Markert jetzt die neuesten Interna für seinen Fall 1390 entnehmen. Ihn interessierten dabei besonders Überschneidungen zwischen Dornier und AEG. Und da gibt es einige.

AEG wie Dornier arbeiten beispielsweise in der Satelliten-Technik. Beide Firmen könnten zusammen einen kompletten Nachrichten-Satelliten bauen. Das Kartellamt muß untersuchen, ob so viel Macht in einem wichtigen Zukunftsmarkt hingenommen werden kann.

Ein Prachtstück unter den AEG-Produktionen sind die Flugleitsysteme. Vielerorts, wo mit Hilfe der Hochfrequenztechnik gepeilt, geortet und überwacht wird, ist die AEG dabei. Die Fluglotsen im Kontrollturm des Frankfurter Flughafens arbeiten beispielsweise mit AEG-Technik. Zivile Schiffe und Fregatten der Marine sind mit AEG-Geräten ausgerüstet.

Die marktbeherrschende Position der AEG in diesem Bereich könnte nun, mit den Finanzreserven von Daimler-Benz, noch größer werden.

Als störend bei der Fusion erweist sich auch eine Verbindung, die AEG-Chef

Heinz Dürr vor drei Jahren mit dem US-Konzern United Technologies Corp. (UTC) einging.

Die in Heilbronn ansässige Telefunken electronic GmbH, zu je 49 Prozent im Eigentum der AEG und von UTC, beschäftigt sich mit Autoelektronik, einem Wachstumsbereich in der Automobilindustrie. Das Gemeinschaftsunternehmen, das nun zum Teil ins Mercedes-Imperium fällt, könnte die marktbeherrschende Stellung von Daimler-Benz bei den hochwertigen Limousinen verstärken.

Kapitalverflechtungen und persönliche Verbindungen der Fusionspartner zu Konkurrenten sind den Kartellbeamten ebenfalls nicht gleichgültig. Die Stuttgarter Transformatoren Union beispielsweise gehört zu drei Vierteln dem Münchner Elektromulti Siemens und zu 25 Prozent der AEG. Solange die AEG dahinkrebste, nahm das Kartellamt keinen Anstoß an der Partnerschaft.

Jetzt könnten die Kartellbeamten auf einer Beendigung der Gemeinsamkeit bei der Transformatoren Union bestehen: Eine durch die Finanzkraft von Daimler-Benz aufgepäppelte AEG sollte gegen Siemens Wettbewerb machen und nicht mit den Münchnern kungeln.

Mißfallen erweckt auch eine Verbindung zwischen Siemens und Daimler-Benz. Die beiden Giganten sind Aktionäre der Allgemeinen Verwaltungsgesellschaft für Industriebeteiligungen und kontrollieren über diese Finanzholding den Frankfurter Rohstoff-Konzern Metallgesellschaft. Der Gleichklang der Interessen, den eine solche gemeinsame Beteiligung mit sich bringt, könnte, so der Argwohn der Kartellbeamten, nach dem Erwerb der AEG durch Daimler-Benz zu vermindertem Wettbewerb führen.

Verzwickt für Daimler-Benz und AEG, aber auch für Markert ist die Rechtslage im Bereich der Kabelproduktion, AEG, Siemens und andere Kabelhersteller sprechen seit Jahrzehnten Preise und Quoten im sogenannten Fernmeldekabel-Kartell ab. Sie bilden ein sogenanntes Oligopol, ein vom Staat erlaubtes.

Markert hatte vor zwei Jahren eine von den Kabelkonzernen geplante Glasfaserfabrik mit dem Argument verboten, durch dieses Gemeinschaftsunternehmen werde die marktbeherrschende Stellung des noch bis 1987 erlaubten Kabel-Clans gestärkt.

Das Kartell würde auch an Kraft gewinnen, wenn nur ein Mitglied durch eine Fusion mächtiger wird. Bleibt Markert sich selbst treu, dürfte er die Stärkung des Oligopols durch eine nach der Fusion mit Daimler-Benz gekräftigte AEG nicht zulassen.

Es gibt also etliches, was die Freunde eines funktionierenden Wettbewerbs an dem großen Fressen von Daimler-Benz stören muß. Für einen Mann, Erhard Kantzenbach, den Vorsitzenden der Monopolkommission, erscheinen die den Konkurrenzkampf mindernden Wirkungen so gewichtig, daß er die Fusion verbieten würde. Uwe Jens, der Wettbewerbsexperte der SPD-Bundestagsfraktion, sieht den Fall »genauso kritisch«.

Markert allerdings wird den Großeinkauf der Mercedes-Manager durchgehen lassen. Schließlich, so sein Argument, verschärfte eine propere AEG den Wettbewerb in der von Siemens und Bosch beherrschten Elektrobranche.

Die Fusionspartner müssen allerdings mit schmerzlichen Auflagen rechnen. Auf 100jährige Geburtstage pflegt Kurt Markert keine Rücksicht zu nehmen.

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