Dosenpfand Die Selbstüberlistung des Jürgen Trittin
Berlin - So sieht ein wirksamer Boykott aus. Seit Donnerstag stehen in den Regalen der Discounter Aldi, Lidl und Plus nur noch Plastikflaschen der jeweiligen Hausmarke, Pfand bewehrt und mit eigenem Design. Die Kunden können sie in jeder Filiale der jeweiligen Kette zurückgeben.
Die Billigheimer machen sich eine Klausel im neuen Rücknahmegesetz zunutze, das den Getränkehandel verpflichtet, dem Verbraucher ein einheitliches Rücknahmesystem für Dosen und Einwegflaschen anzubieten. Diese Klausel besagt, dass Händler nur die Verpackungen zurücknehmen müssen, "die nach Art, Form und Größe den im eigenen Sortiment geführten Waren entsprechen".
Selbst Ketten, die sich nicht den Luxus von eigens entworfenen Hausmarken leisten können, verfügen über wirksame Gegenwehr. Kaiser's, Edeka und Co bieten Einwegflaschen oder Dosen mit Pfandpflicht kurzer Hand nicht mehr an, für leere Dosen steht vielleicht noch ein Mülleimer zur Verfügung, aber Rückgeld gibt's nicht.
Wie viel sich die Discounter die Einführung neuer Verpackungen kosten lassen, darüber schweigen sie eisern. "Über Investitionen geben wir grundsätzlich keine Informationen heraus", lautet die lapidare Auskunft der Pressestelle von Lidl. Doch es dürfte sich gelohnt haben, denn immerhin hat der Designtrick zu einem klaren Etappensieg in der Auseinandersetzung mit Jürgen Trittin geführt: Ein einheitliches Rücknahmesystem, wie es dem Bundesumweltminister vorgeschwebt hatte, ist wirksam verhindert. Vom "Pfand-zurück-an-jeder-Ecke" ist man am 1. Oktober genauso weit entfernt wie vorher.
Dementsprechend klang die Kritik des Hauptverbands des Deutschen Einzelhandels wie Triumphgeheul. Die vereinfachte Rückgabe beim Dosenpfand habe am ersten Tag überhaupt nicht funktioniert. "Es herrscht das blanke Chaos", sagte HDE-Geschäftsführer Holger Wenzel. Kaum ein Händler blicke beim Thema Pfand noch durch. Wenzel forderte eine Aussetzung des Dosenpfandes und eine Rückkehr zum Dualen System. Seine Parole: "Schluss mit dem Pfandspuk".
Die bekannten Getränkedosen werden künftig wohl nur noch an Kiosken und Tankstellen und in kleinen Läden zu bekommen sein. Doch auch diese müssen Dosen und Einwegverpackungen nur von den Marken und Größen zurücknehmen, die sie auch selbst verkaufen. Denn eine weitere Ausnahmeregelung sieht vor, dass Läden mit einer Fläche unter 200 Quadratmeter von der Rücknahme fremder Dosen befreit sind.
Für Trittin wiegt die Schlappe doppelt schwer. Zum einen zieht er den versammelten Groll der Verbraucher auf sich, die sich seit der Einführung des Dosenpfands mit Kassenzetteln, Plastikmarken oder anderen Pfandgutscheinen herumärgern mussten. Der Umstand wurde so groß, dass der Handel nach Schätzungen von Verbraucherschützern inzwischen rund 375 Millionen Euro Pfandgeld kassiert hat, das er wohl nie wieder auszahlen muss, weil die Dosen inzwischen im Müll gelandet sind.
Zusätzlich droht Trittin Ärger mit der EU-Kommission. Binnenmarktkommissar Frits Bolkestein will wissen, ob die Kunden ihre Getränkeverpackungen nach dem Start der bundesweiten Rücknahme- Pflicht tatsächlich ohne Probleme zurückgeben können. Andernfalls seien ausländische Hersteller durch das deutsche Rücknahmesystem benachteiligt. Nach Angaben von Bolkesteins Sprecher Jonathan Todd hat die Behörde vorab mehr als 30 Beschwerden gegen das System erhalten. Die Einwände kamen von Unternehmen der Getränkebranche und Privatleuten aus zehn EU-Staaten, darunter auch aus Deutschland.
Trittin weist Vorwürfe dieser Art zwar vehement zurück: "Der Verbraucher bemerkt die Aufsplittung in vier verschiedene Systeme überhaupt nicht", sagte Trittin im ZDF-"Morgenmagazin", es gebe 130.000 Stellen, an denen Einweg abgegeben werden könne, und diese seien verpflichtet, gegenseitig das Pfandgut zurückzunehmen. Es gebe keine Diskriminierung ausländischer Hersteller, sagte er und nannte als Indiz dafür den Absatz französischer Mineralwasser, der um 15 Prozent gestiegen sei. Doch bislang hat er nicht mehr als einen Aufschub erreichen können. In drei Wochen will sich die Kommission erneut mit dem Thema befassen.
Bis dahin bleiben ihm als einzige Verbündete nur die Verbraucherschützer. Deren Bundesverband vzbv kündigte bereits an, ab 1. Oktober stichprobenartig einzelne Unternehmen zu überprüfen und abzumahnen, falls sie ihrer Pflicht nicht nachkommen, auch nicht bei ihnen gekaufte Verpackungen zurückzunehmen. Zugleich rief der vzbv die Verbraucher auf, die zuständigen Landesbehörden zu informieren, wenn ein Geschäft die Annahme einer pfandpflichtigen Einwegverpackung verweigert. Sogar einen Musterbrief hat der Verband vorformuliert - bereit zum Download auf der hauseigenen Homepage.