ÖLPREISE Durchhalten Ist alles
Am Montag vergangener Woche erhielten die Verwalter der C+C-Tankstelle in Hamburg-Rahlstedt Order, den Literpreis an der meist mit Texaco-Benzin gefüllten Zapfsäule von 1,03 auf 1,04 Mark hochzudrücken. »Kann ich mir auch nicht erklären«, wunderte sich der Mann an der Kasse, »in Rotterdam geht's doch runter.«
In Rotterdam, das hatte zur gleichen Zeit auch der liberale Wirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff gemerkt, geht's zumindest nicht mehr drunter und drüber. »Die Preise«, so der Minister, »könnten jetzt durchaus wieder sinken.«
Auf dem internationalen Ölbasar Rotterdam, berüchtigt wegen seiner deftigen Preisausschläge nach oben und nach unten, ist Normalzustand eingetreten -- wenngleich auf recht hohem Preisniveau. Von etwa 800 Mark Spitzenpreis je Tonne Heizöl oder Benzin bröckelte die Rotterdam-Notierung auf 620 Mark ab. »Bei 600 Mark«, prophezeien Kenner des Geschäfts, »kann es auf die Verbraucherpreise zurückschlagen.«
Während auf dem Höhepunkt der Krise dort nur noch ein Zehntel der sonst üblichen freien Ware gehandelt worden war, haben die Handeismengen inzwischen das herkömmliche Niveau fast wieder erreicht. Größere Partien werden aus dem Iran, aber auch wieder aus Italien angelandet, und den gewachsenen Mengen steht verminderte Nachfrage gegenüber.
Die Oleinkäufer aus den USA, die dank Jimmy Carters Einfuhr-Subventionen ganz besonders zur Explosion der Rotterdamer Preise beigetragen hatten, zogen sich zurück. Denn Scheich ]amani von Saudi-Arabien versorgt die USA neuerdings mit zusätzlichen Rohölmengen. Von den steigenden Saudi-Lieferungen profitiert vor allem auch der US-Konzern Mobil Oil' einer der Hauptpartner der saudiarabischen Fördergesellschaft Aramco, und kann deshalb seine Lieferungen an Japan voll wiederaufnehmen. Folglich blieben nun auch die Japaner dem Rotterdamer Basar fern.
Schließlich hielten sich die Deutschen in dem holländischen Ölhafen mehr zurück als vorher. Die Bestände in der Bundesrepublik sind trotz steigenden Benzin- und Dieselöl-Verbrauchs wieder angewachsen, die staatliche Einlagerungsreserve wurde von 24 auf 28,6 Millionen Tonnen aufgestockt. »Die drei Prozent, die uns in Deutschland jetzt noch fehlen«, so Esso-Chef Wolfgang Oehme, »-damit werden wir auch noch fertig.«
Sinkende Rotterdamer Preise und Kaufzurückhaltung der Verbraucher in den Sommerferien bremsten denn auch die im Juli noch kräftig kletternden Preise für leichtes Heizöl. Unterderhand kündigen die Händler von Markenöl schon jetzt leichte Preiseinbrüche für den August an. Denn mit jeder Mark, die das Öl in Rotterdam billiger wird, und mit jeder Tonne, die von dort weniger eingekauft wird, wandelt sich die sogenannte Mischkalkulation der Händler.
Obwohl die Abgabepreise westdeutscher Marken-Raffinerien an ihre Händler seit Monaten unverändert um die 40 Mark je 100 Liter Heizöl liegen, haben die Händler ihre Ware wegen der teuren Zukäufe aus Rotterdam noch Anfang Juli für fast 60 Mark -- bei Abnahme von 5000 Litern -- verkauft. Vergangene Woche waren mehrere von ihnen auf 49 Mark herunter.
»Wir haben immer unter dem Rotterdamer Preis verkauft«, bemerkte Veba-Chef Rudolf von Bennigsen-Foerder vergangene Woche treuherzig, »und das ist doch eine sehr große Leistung.« Nur unter den gegenwärtigen Literpreis für Benzin wollen die Markengesellschaften trotz Rotterdam nicht wieder gehen. Essos Oehme: »Am Benzin verdienen wir nicht mehr als einen Pfennig.«
Soviel Bescheidenheit nimmt den Multi-Managern kaum jemand ab. Immerhin haben die Markengesellschaften ihre Literpreise für Benzin um fünf Pfennig erhöht, lange bevor die seit 1. Juli 1979 verteuerten Opec-Öle in Europa einschwimmen. Sechs bis acht Wochen lang produzieren die Markenraffinerien mit weit billigerem Rohöl und verkaufen die Produkte daraus zu kräftig erhöhten Preisen.
»Unsere Zahlen«, wehren sich die Branchen-Matadore Wolfgang Oehme (Esso), Hellmuth Buddenberg (BP), Wilhelm von Ilsemann (Shell) und Rudolf von Bennigsen-Foerder (Veba) unisono, »sind in Bonn alle bekannt.« Auch mit diesen Zahlen allerdings konnten sie das Kartellamt in Berlin nicht überzeugen. Die jüngsten Benzinpreis-Erhöhungen, fanden die Berliner, seien nicht gerechtfertigt. Bei fallendem Dollar-Kurs und sinkenden Preisen in Rotterdam seien eher Preissenkungen zu erwarten gewesen.
Auf ein Verfahren gegen die Ölgesellschaften müssen die Wettbewerbswächter aus rechtlichen Gründen dennoch verzichten: Eine etwaige Verfügung könnte nur zukünftiges Verhalten untersagen.
So sieht die Gegenwart für die Mineralölkonzerne rosig aus. Zum erstenmal seit 1974 verdienen sie -- Ausnahme: schweres Heizöl -- mit allen Produkten. Esso-Chef Oehme erhöht deshalb die Dividende seines Unternehmens von null auf 18 Prozent, Veba-Chef von Bennigsen von sechs auf zwölf.
Die Esso-Mutter Exxon in New York schraubt ihren Gewinn dank so guter Geschäfte der Tochter trotz geringerer Handelsmengen um 30 Prozent hoch. Die internationale BP-Gruppe gräbt dank der erhöhten Opec-Preise aus ihren eigenen Reservaten Alaska und Nordsee mit jeder Tonne Rohöl bares Gold.
Bei solcher Lage kann ein Einbruch der Benzinpreise, wie in Belgien schon geschehen, nur stören. Durchhalten ist alles, denn die nächste Krise kommt. bestimmt.