E.on Hanse Hausbesuch oder Haftbefehl

Fehlerhafte Rechnungen, überhöhte Abschläge, immer neue Preisrunden: Der Energieversorger E.on Hanse gilt als eines der unbeliebtesten Unternehmen der Branche. Säumige Gaskunden verfolgt die Firma jetzt mit Inkassofirmen.

Die ersten Zeilen an Lars-André Lorenz waren noch fast fürsorglich. Man wolle "gemeinsam Ihre Abzahlungsvorstellungen planen" stand da. Etwas weiter unten war dann schon von "Pfändung ihrer persönlicher Habe" die Rede und schließlich vom "Haftbefehl". Der Absender: die Hanseatische Inkasso-Treuhand GmbH (HIT). Wenig später kündigte die Firma einen Hausbesuch an.

Was hatte Lorenz getan? Der Hamburger Finanzökonom war einmal Kunde des Gasversorgers E.on Hanse gewesen. Er hatte seine Rechnungen bezahlt, aber irgendwann die notorischen Erhöhungen nicht mehr. Er wollte einen Billigkeitsnachweis von E.on Hanse. Wie zehntausende Kunden in Deutschland behielt er Geld ein. Im Jahr 2008 wechselte er dann den Versorger und bat E.on um eine Aufstellung der genauen Kostenforderungen.

Stattdessen beauftragte der Konzern die Geldeintreiber. "Das ist ein in der Branche absolut übliches Mittel", sagte eine E.on-Hanse-Sprecherin dem "Hamburger Abendblatt". Man habe Energie geliefert, der Kunde habe den Preis nicht akzeptiert und "gezahlt, was er will". Fragen des SPIEGEL ließ der Versorger unbeantwortet.

Einige Dutzend ehemaliger E.on-Hanse-Kunden haben in den vergangenen Monaten ähnliche Post bekommen. Meist geht es um einige hundert Euro. Die jahrelange Einschüchterung durch E.on Hanse, so Juleka Schulte-Ostermann von der Verbraucherzentrale Norderstedt bei Hamburg, habe "eine neue Qualität erreicht".

"Wieso orientieren Sie sich am Öl-Preis, wenn Sie mit Gas handeln?"

Arne Timmermann, Rechtsanwalt der Verbraucherzentrale Norderstedt, rät dazu, Mitarbeitern von E.on und HIT vorsorglich Hausverbot zu erteilen. "Hier werden Personen als zahlungsunfähig stigmatisiert, die sich nur gegen überhöhte Gaspreise gewehrt haben", so Timmermann. Die Methoden erinnerten an die berüchtigte Firma Moskau Inkasso. Deren Slogan lautete: "Ihr Schuldner muss kein russisch können, er wird uns auch so verstehen". Es gebe keinen Energieversorger, so Timmermann, "der so viel Beratungsbedarf bei seinen Kunden auslöst wie E.on Hanse".

Tatsächlich hat kaum ein Unternehmen seine Kunden mit fehlerhaften Rechnungen, überhöhten Abschlagzahlungen und immer neuen Preisrunden so entnervt wie die E.on-Gastochter, die Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern mit Energie versorgt. Politiker riefen öffentlich zum Boykott des Unternehmens auf, die "Bild" zeigte den E.on-Hanse-Chef Hans-Jakob Tiessen als Vampir. Mahnbescheide stellte E.on Hanse gern mal zu Weihnachten zu. Widerspruchskunden drohte das Unternehmen rechtswidrigerweise, die Versorgung stillzulegen.

Die Korrespondenz mit E.on füllt bei Lars-André Lorenz mehrere Ordner. "Wieso orientieren Sie sich am Öl-Preis, wenn Sie mit Gas handeln?", fragte Lorenz einmal. Er wollte die ominöse Ölpreisbindung erklärt haben. Ein anderes Mal rechnete er E.on Hanse haarklein vor, dass sinkende Rohölpreise nicht an ihn durchgereicht worden waren. Statt Antworten erhielt er Standardschreiben. Wenn überhaupt.

Er sei kein Spezialist, sagt der 32-jährige Hamburger. Aber er lag nicht falsch.

"Der offensichtliche Missbrauch der jahreszeitlichen Bedarfsschwankungen ist auch bei E.on Hanse festzustellen", sagt Gunnar Harms. Er sorgte gerade mit einem Gutachten für Aufsehen, das er für die Grünen erstellte. Es zeigt, dass die großen Gasversorger ihren Kunden mögliche Preissenkungen vorenthalten. Der Wettbewerb in Hamburg, so Harms, funktioniere nicht. Zwar gebe es inzwischen genug Gasanbieter, "aber die Etablierten bremsen die neuen Anbieter mit Behinderungen beim Netz- und Speicherzugang sowie hohen Gastransportkosten aus". Diese Masche untersucht das Kartellamt gerade zum wiederholten Mal. Bereits im Dezember leitete die Bundesnetzagentur ein Missbrauchsverfahren gegen E.on Gastransport ein.

Entschuldigung für den "Wirrwarr"

Nach all den Pannen und Peinlichkeiten gab es Ende 2005 bei E.on Hanse sogar eine kurze Zeit der Besserung. Zumindest sollte es so aussehen. Der Versorger legte als erstes Unternehmen der Branche seine Gaspreiskalkulation vor. 52 Kunden hatten mithilfe der Hamburger Verbraucherzentrale gegen zurückliegende Gaspreiserhöhungen geklagt. Die Offenlegung zeigte, wie der Gasversorger mit Millionenblöcken jonglieren und gewaltige Kosten zwischen Kundengruppen hin- und herschieben konnte (SPIEGEL 47/2005). Ansonsten, so der Kunden-Anwalt Joachim Blum, habe er nicht viel von Offenheit gespürt. "Wir haben Leitz-Ordner voll mit geschwärztem Papier bekommen." Das Verfahren läuft noch.

Den Streit mit E.on Hanse sah Lars-André Lorenz bisher "sportlich". Der Spaß hörte auf, als er erfuhr, dass seine Daten möglicherweise weitergeben worden sind. Der HIT-Geschäftsführer bestätigt die Weitergabe von Schuldnerdaten, etwa an die Schufa oder die Wirtschaftsauskunftei Deltavista. Man halte sich aber an den Datenschutz. "Bei bestrittenen Forderungen ist eine Weitergabe von Schuldnerdaten unzulässig", sagt dagegen Hans-Joachim Menzel, stellvertretender Datenschutzbeauftragter in Hamburg.

Vor kurzem teilte die Inkasso-Firma Lorenz mit, sein Vorgang sei eingestellt. Eine E.on-Sprecherin sagte, die Firma habe die Datenweitergabe nicht veranlasst.

Lorenz muss an einen früheren Brief des Gasversorgers denken. Es ging um eine undurchschaubare Abrechnung. Damals entschuldigte sich E.on Hanse, "für den entstandenen Wirrwarr".

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