EIGENHEIME Echt verschaukelt
Vor knapp einem Jahr, am 25. Februar 1976, war Siegfried Satzel noch halbwegs guter Dinge. Zwar war das Eigenheim des Familienvaters erst halb fertig, als der Bauträger, die Prestige-Haus GmbH, pleite ging. Doch sein Erspartes, das er als Anzahlung überwiesen hatte, glaubte Satzel in Sicherheit: »Gott sei Dank haben wir unser Geld auf einem Treuhandkonto.«
Dieses Konto verhieß gediegene Solidität. Per Treuhandvertrag nämlich hatte sich Wilhelm Hinze, Notar auf Reinbek bei Hamburg, verpflichtet. Satzeis Geld nur dann an die Baufirma weiterzuleiten, wenn die Überweisung im Interesse seines Mandanten liege.
Notar Hinze sollte Gelder des Käufers auf einem Treuhandkonto sammeln und lediglich nach Baufortschritt an die Handwerker weiterleiten -- wenn ihre Leistung erbracht war, versteht sich. Damit, hoffte Satzel, würde er immer nur soviel Geld aus den Händen geben, wie auch tatsächlich auf seinem Grundstück verbaut wurde.
Der Treuhänder sah das wohl anders. Statt wie vereinbart die Baugelder für jeden Kunden auf einem gesonderten Konto zu verbuchen, sammelte er die Überweisungen seiner Mandanten auf einem einzigen Konto. Und solange er die Rechnungen für einen Bau aus den Eingängen für einen anderen bezahlen konnte, fiel das auch niemandem auf.
Erst als Hinze sich dem Konkursrichter anvertrauen mußte, flog die Sache auf. Satzel und einige andere Hinze-Mandanten stellten verblüfft fest, (laß ihnen plötzlich überfällige Handwerker-Rechnungen präsentiert wurden, die sie -- aus dem Treuhandkonto -- längst beglichen glaubten.
Nach Ansicht der Lübecker Staatsanwaltschaft fehlen 600 000 Mark auf Hinzes Konto. Der tatsächliche Schaden der Bauherren wird das Doppelte ausmachen. Lübecks Oberstaatsanwalt Joachim Böttcher: »Wir werden Hinze anklagen.«
Für die Notarkammer, Standes- und Aufsichtsorgan der hochbezahlten Beurkunder, ist der Fall Hinze allerdings schon erledigt. Hinze gab seine Lizenz zurück und kann daher nicht mehr in einem Disziplinarverfahren belangt werden.
Zwar beteuert Günter Brambring, Geschäftsführer der Bundesnotarkammer, der Fall Hinze sei die Ausnahme, auch in seinem Gewerbe gebe es »immer mal wieder einen Bösewicht«; im übrigen sei das Risiko bescheiden: »Dafür haben wir eine Versicherung.« Doch dieser Trost hilft den geprellten Bauherren einstweilen nicht weiter. Denn die Versicherung zahlt erst, wenn der Bösewicht rechtskräftig verurteilt ist.
Selbst redliche Treuhänder sind dem Bauherrn nur von zweifelhaftem Nutzen. Vom Gesetz zum »unparteiischen Betreuer der Beteiligten« berufen, beschränken sich die Notare auf formalen Beistand: Sie verlesen den Parteien die Kaufverträge, unterzeichnen mit, bestellen Hypothekeneintragungen, lassen sogenannte Notar-Anderkonten einrichten -- alles gegen Gebühr. Doch das, was den Bauherrn am meisten interessiert -- die Vertrauenswürdigkeit des Verkäufers -, prüfen sie nicht. Da fühlen sieh die Amtspersonen, rechtlich korrekt, nicht berufen.
Auch die Kosten für die Führung eines Notar-Anderkontos könnten sich die Bauherren sparen: Häufig entscheidet ein lapidares Telephongespräch zwischen Notar und Baufirma darüber, wann das Geld vom Notar freigegeben wird und wohin es fließt.
»Die wertmäßige Angemessenheit von Baufortschritt und Kaufpreisfälligkeit«, umschrieb die bayrische Notarkammer den traurigen Tatbestand. »ist eine rein wirtschaftliche Frage, die der Notar nicht prüfen kann und muß.«
Formal war Bauherr Satzel deshalb im Unrecht, als er sich »echt verschaukelt« fühlte. Dennoch ist seine Verbitterung verständlich: Der Mann seines Vertrauens, der ihm einen soliden Bau garantieren sollte, war bis dahin immerhin ein angesehener Notar des Landes Schleswig-Holstein.
Der Glaube, daß der Beistand einer respektablen Vertrauensperson das Risiko des Kaufs von Wohnungen oder Häusern ausschließt, hat vor und nach Satzels Reinfall Tausende von Bundesbürgern um ihr Geld gebracht.
Weder gesetzliche Vorschriften noch staatlich bestellte Notare, die sich als Treuhänder löhnen ließen, haben den Weg zum Eigenheim voll. absichern können.
Wenn die Baufirma dichtmachte, ließ sie oft, trotz hoher Anzahlungen der Kunden, kaum mehr als die Baugrube und unbezahlte Rechnungen zurück -- der Treuhänder aber mußte für nichts geradestehen.
Fiktive Sicherheit aber ist besonders auf dem Bau gefährlich. Denn eine Vielzahl von Bauherren-Fängern lockt arglose Kunden mit niedrigen Festpreisen und unrealistischen Finanzierungsvorschlägen in dubiose Geschäfte. Sie bieten schlüsselfertige Typenhäuser und oft auch die notwendigen Grundstücke an. Das Bauen überlassen sie anderen -- denn die »Baubetreuer«, wie sie sich selbst nennen, verfügen kaum über Kapital und fachkundiges Personal.
Auch das Sicherheit suggerierende Notar-Anderkonto bietet bei windigen Baufirmen keinerlei Schutz vor Betrug oder Unfähigkeit. Ein Höchstmaß an Sicherheit, so meinen zumindest die Finanzexperten der Hypothekenbanken, bietet da nur ein Bausonderkonto bei der finanzierenden Bank oder eine Bankbürgschaft für alle Einzahlungen, die der Bauwillige auf ein Konto des Baubetreuers oder eines Notars einzahlt.
In beiden Fällen ist das Finanzinstitut dazu gezwungen, im eigenen Interesse die Seriosität des Hausbau-Unternehmers zu durchleuchten und Geld nur zu überweisen, wenn der Baufortschritt nachgewiesen ist und die Handwerker-Rechnungen überprüft sind.
Von irgendwelchen Zahlungen, ehe der Bau nicht mindestens bis zur Kellerdecke gediehen ist, hält beispielsweise Carlalbert Rechenberg von der Rheinisch-Westfälischen Boden-Credit-Bank rein gar nichts: »Anzahlungen? Nicht eine.«