KONZERNE Echte Okkasionen
Eberhard von Kuenheim, BMW-Chef, war auf die Okkasion ebenso versessen wie der bayrische Flugzeug- und Rüstungskonzern MBB. Zuletzt bot auch noch ein Amerikaner mit: Harry Gray, erster Mann des US-Industriekonzerns United Technologies (UTC).
Am Ende aber gewannen die Schwaben: Der Stuttgarter Automobil-Hersteller Daimler-Benz einigte sich vergangene Woche sehr diskret mit dem rheinischen Anlagen- und Maschinenbau-Konzern Gutehoffnungshütte (GHH) über ein glattes Geschäft: Zum Preis von 680 Millionen Mark, zahlbar in mehreren Raten, erwirbt Daimler-Benz die 50-Prozent-Beteiligung der GHH-Tochter MAN an der Münchner Motoren- und Turbinen-Union (MTU) - jener Firma, deren Chef Ernst Zimmermann Anfang Februar von Terroristen erschossen wurde.
Der sechstgrößte Flugmotoren-Hersteller des Westens gerät damit voll in den Besitz der reichen Stuttgarter Autofirma. Für sie wiederum ist der Kauf nur Teil eines größeren Deals. Mit dem MTU-Verkäufer MAN streben die Stuttgarter eine enge Partnerschaft im Lastwagen- und Busgeschäft an, einer Daimler-Sparte, die nicht so gut läuft.
Die Zusammenarbeit mit dem bisherigen Konkurrenten MAN sichert den Stuttgartern ertragreichere Zeiten und bringt ihnen die Chance, den deutschen Lkw-Markt fast ganz zu beherrschen. Weil das Bundeskartellamt aus eben diesem Grund die Fusion der beiden größten deutschen Lkw-Produzenten ablehnt, wollen Daimler und MAN, die schon seit 1970 bei der Fertigung von Achsen und Motorenteilen zusammenarbeiten, auch ohne förmlichen Zusammenschluß bald in allen Bereichen des Lkw-Geschäfts kooperieren.
Das Kooperationsgeschäft hat GHH-Chef Klaus Götte eingefädelt. Der einstige Allianz-Manager müht sich seit gut einem Jahr, die GHH, Europas größten Maschinenbaukonzern, aus ihrer Strukturkrise zu holen. Mit dem 680-Millionen-Inkasso aus Stuttgart will Götte zunächst einmal das »finanzielle Fundament der MAN« verbreitern.
Obwohl es im vergangenen Jahr mit dem Anlage- und Lkw-Konzern wieder leicht aufwärtsgegangen war, drücken die Lasten aus der Vergangenheit schwer. MAN, die in den letzten zwei Jahren Verluste von über 550 Millionen Mark anhäufte, hätte ohne Kapitalnachschub »die Ausblutung« (Götte) gedroht.
Finanzmann Götte, der im Herbst 1983 als Nachfolger des mit seinen Sanierungsplänen gescheiterten Manfred Lennings an die Konzernspitze gerückt war, verpaßte nun dem Konzern ein drastisches Schrumpfkonzept. Die Dieselmotoren-Fertigung wurde ausgegliedert und als Tochtergesellschaft verselbständigt. Andere Abteilungen wurden organisatorisch zusammengefaßt und gestrafft.
Im Maschinen- und Anlagenbau sollen die drei getrennt geführten Werke Nürnberg, Gustavsburg und Sterkrade künftig zentral neu gemanagt werden. Die Motorenfertigung und das Preßwerk, bislang der jeweiligen Werksleitung unterstellt, werden in den Lkw-Bereich eingegliedert.
Sobald die Sparten der Augsburger Firma eine eigenständige Leitung bekommen haben, wird der MAN-Vorstand sich mehr auf eine Holding-Funktion zurückziehen. Damit wäre dann der Weg frei für eine Fusion mit der Obergesellschaft GHH.
Die MAN-Belegschaft wurde in den letzten beiden Jahren um rund 10 000 Mann abgebaut, davon allein 4000 in der Lkw-Produktion. Die Partnerschaft mit Daimler-Benz wird bei MAN weiter Arbeitsplätze kosten.
Der Branchenführer Daimler-Benz (Marktanteil bei schweren Lkw: über 50 Prozent) und der zweite, MAN (Anteil 25 Prozent), haben in den vergangenen Jahren böse Schlappen erlitten: In den letzten beiden Jahren fiel die Lkw-Produktion bei Mercedes um 15, bei MAN gar um 30 Prozent.
Deshalb sollen künftig auch die Modellpolitik und die Arbeit auf den Auslandsmärkten abgestimmt werden. Die unprofitable Rabattschluderei - Mercedes und MAN unterbieten sich mit Nachlässen bis zu 20 Prozent - soll aufhören.
»Hier werden«, klagte Daimler-Chef Werner Breitschwerdt, »große Beträge nutzlos im Markt vergeudet.« Die Gelder sollten »sinnvollerweise« zur Entwicklung »besserer Produkte« ausgegeben werden.
Oder zum Kauf neuer Firmen? Breitschwerdt könnte schon bald zu einem neuen Coup ansetzen: Neben MTU würde die von Familienstreitereien verunsicherte Flugzeugfirma Dornier in Friedrichshafen gut passen.
Dornier-Mitinhaber Claudius Dornier ist begeistert: »Phantastisch.«