FLUGZEUGE Ein neues Spiel
Er habe, so Lufthansa-Vorstand Reinhardt Abraham, »so etwas noch nie erlebt«. Der Mann, der für die Flugzeugbeschaffung zuständig ist, fühlte sich von vorlauten Technikern und Managern hereingelegt. Abrahams Zorn galt einer Entscheidung des Triebwerk-Herstellers IAE (International Aero Engines). Die Firma, an der Unternehmen aus fünf Nationen beteiligt sind, hatte am Dienstag vergangener Woche verkündet, sie könne das geplante Superfan-Triebwerk für den neuen Airbus nicht termingerecht liefern - ein Flugzeug, das Abraham bestellt hat.
Der Superfan-Jet sollte eine neue Technik im Triebwerk-Bau einführen, einen herkömmlichen Gasgenerator mit einem verstellbaren, propellerartigen Gebläse kombiniert. Das soll mehr Schub bringen und Treibstoff sparen.
Dieses Konzept, erklärte vergangene Woche ein IAE-Manager, werde zwar weiterhin verfolgt. Doch die an IAE beteiligten Firmen - unter anderem Rolls-Royce, Pratt & Whitney sowie die deutsche MTU - schafften es nicht, schon im Jahr 1992 ein technisch ausgereiftes Triebwerk anzubieten.
Genau darauf aber kam es Abraham und seinen Kollegen an. Denn der Superfan war als Triebwerk für das von der europaischen Airbus Industrie geplante Langstreckenflugzeug A 340 vorgesehen, das von 1992 an ausgeliefert werden soll. Die Lufthansa hatte als erste Fluggesellschaft der Welt 15 Maschinen dieses
Typs bestellt. Stehen die Motoren nicht rechtzeitig zur Verfügung, hat die Lufthansa den Schaden.
Noch schlimmer wird sich der Triebwerk-Ausfall für das Airbus-Konsortium auswirken. Die europäischen Flugzeugbauer wollten mit der A 340 das Monopol der Amerikaner auf dem Weltmarkt für Langstreckenflugzeuge brechen.
Vor allem mit dem US-Hersteller McDonnell Douglas liefert sich Airbus schon seit Monaten einen erbitterten Kampf. McDonnell plant mit der MD 11 ein Langstreckenflugzeug, das der A 340 sehr ähnlich ist. Für beide Maschinen jedoch ist der Bedarf in aller Welt nicht groß genug. Noch Ende vergangenen Jahres lag McDonnell weit voraus. Die Flugzeugbauer aus Long Beach konnten für die aus der DC 10 entwickelten MD 11 mehr Bestellungen verbuchen als Airbus Industrie für seine neue A 340.
Dann allerdings holte Airbus auf. Außer der Lufthansa wollen auch die französischen Gesellschaften Air France und UTA, Royal Jordanian Airlines, die belgische Sabena und das US-Unternehmen Northwest Airlines die neue europäische Maschine einsetzen. Insgesamt, behauptet Airbus Industrie, liegen für die A 340 und ihr Schwestermodell A 330 bis heute 128 Bestellungen vor.
Die Bestellungen kamen allerdings vor allem deshalb so reichlich herein, weil Airbus die A 340 mit dem Superfan-Triebwerk anbot. Die neuartigen Motoren sollten etwa 25 Prozent weniger Sprit verbrauchen als herkömmliche Aggregate. Diese Aussicht war für manche Fluggesellschaften so attraktiv, daß sie sogar das späte Lieferdatum der A 340 in Kauf nahmen. McDonnell nämlich bietet seine MD 11 zwei Jahre früher an.
Fachleute hatten zwar schon damals Zweifel, daß die Triebwerke für den Airbus tatsächlich schon 1992 einsatzbereit sein würden. »Die Airlines brauchen Flugzeuge, keine Segelflugzeuge«, spottete etwa ein Manager des französischen Triebwerk-Herstellers Snecma.
Doch die Vorstände einiger Luftfahrtunternehmen waren anderer Meinung. Lufthansa-Chef Heinz Ruhnau etwa orderte die A 340, obwohl seine Techniker abrieten (siehe SPIEGEL 4/1987).
Energischen Zuspruch erhielt Ruhnau von seinem Aufsichtsrat Franz Josef Strauß, der zugleich Aufsichtsratschef von Airbus ist. Der Versuch von Lufthansa-Technikern, den Aufsichtsrat umzustimmen und gegen den neuen Airbus zu beeinflussen, war vergeblich.
Nun allerdings, wo die Bedenken der Techniker bestätigt wurden, ist das gesamte A-340-Programm gefährdet. Die Flugzeugbauer hatten damit gerechnet, daß die Regierungen der an Airbus beteiligten Länder bis Mitte dieses Monats neue Mittel für den europäischen Jet freigeben. Doch daraus wird wohl nichts.
Die Politiker in mehreren Ländern haben die Subventionen davon abhängig gemacht, daß Airbus Industrie genügend Kunden für sein neues Flugzeug findet. Das aber ist nach der Pleite mit dem Triebwerk fraglich.
Die Manager der Airbus Industrie versuchen zu retten, was noch zu retten ist. In eilig einberufenen Krisensitzungen handelten sie mit dem Triebwerk-Konsortium CFM International eine Vereinbarung über einen Ersatzmotor für die A 340 aus.
Der amerikanische Hersteller General Electric und der französische Produzent Snecma, die sich zur CFM zusammengetan hatten, bieten ein Triebwerk an, das genausoviel Schub hat wie der Superfan von IAE. Das Modell CFM 56-5 beruht allerdings auf herkömmlicher Technik. Es ist die Weiterentwicklung eines Aggregats, das bereits die Boeing 737 und die DC-8 antreibt. Im Vergleich zu dem Superfan verbraucht das verbesserte konventionelle CFM-Triebwerk etwa sieben Prozent mehr Kraftstoff.
Lufthansa-Mann Abraham könnte sich damit abfinden. Der höhere Kraftstoff-Verbrauch wird zum Teil dadurch ausgeglichen, daß die herkömmlichen Triebwerke leichter sind und weniger Wartung erfordern. So liegen die gesamten Betriebskosten nur wenig höher als beim Superfan.
Auch Airbus Industrie versucht dem Triebwerk-Schaden positive Seiten abzugewinnen. Nun gebe es, verkündet die europäische Gemeinschaftsfirma, keine Risiken mit der neuen Technik mehr. Die Fluggesellschaften könnten damit rechnen, ein ausgereiftes Triebwerk zu erhalten.
Amerikanische Flugzeugexperten sehen das anders. Sie meinen, daß nun McDonnells MD 11 noch mehr Auftrieb erhält. »Jetzt beginnt«, so der New Yorker Luftfahrtexperte Paul Nisbet, »ein völlig neues Spiel.«