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Waffenexport Eindeutiger Schluß

Gutachten belegen: Deutsche Fabriken im Irak sind nur für die Giftgasproduktion geeignet. Mehrere Manager wurden verhaftet.
aus DER SPIEGEL 34/1990

Ihrer Eigenwerbung zufolge betrieben die Manager der Water Engineering Trading GmbH (W.E.T.) den »Ein- und Verkauf von Waren aller Art - mit Ausnahme erlaubnispflichtiger«. Doch allzu genau haben sie das wohl nicht genommen: Vergangene Woche wurden vier Water-Manager verhaftet.

Die Fahnder der »Sonderkommission Irak« des Kölner Zollkriminalinstituts (ZKI) rückten am Freitag morgen bei den Kaufleuten Peter Leifer, Reinhold Otto Krauskopf und Otto Holzer sowie dem Deutsch-Iraker Nazar Al Kadhi an. Sie sollen über ihre Firma W.E.T. in Hamburg dem Saddam-Regime im Irak Waren verkauft haben, die sie nicht hätten liefern dürfen: Abfüll- und Verschraubungsanlagen für Giftgas-Granaten des Kalibers 122 Millimeter.

Nach fast dreijährigen Ermittlungen haben die Darmstädter Staatsanwälte Thomas Brand und Detlev Thorer den Verdacht, daß W.E. T. zusammen mit der Chemie-Anlagenfirma Karl Kolb KG beim Aufbau einer Giftgasproduktion in Samarra und bei der Granatenherstellung geholfen hat. Auch die Kolb-Manager Helmut Maier und Ewald Lange sowie der ehemalige Irak-Repräsentant Klaus Fraenzel wurden am Freitag festgenommen.

Die Staatsanwälte stützen sich vor allem auf das in der Vorwoche fertiggestellte Gutachten des Schweizer Wissenschaftlers Werner Richarz. Der Dekan an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich kam zu dem eindeutigen Schluß, daß die von den Deutschen in den Irak geschickten Anlagen von vornherein für die Produktion von Giftgasen konstruiert worden seien.

Für die Herstellung von Pestiziden jedenfalls, wofür sie nach offizieller Version bestimmt waren, würden die Fabriken in Samarra nach Ansicht von Richarz kaum taugen. Und der Spezialist für Chemieanlagen steht mit seiner Erkenntnis nicht allein.

Dieter Hallmann vom Göttinger Max-Planck-Institut kam wie der Schweizer zu dem Ergebnis, die Anlagen in Samarra seien zur Synthese von Nervengasen wie Tabun oder Lhost geeignet. Hallmann war bereits als Gutachter im Prozeß gegen die Firma Imhausen tätig, die den Libyern eine Giftfabrik geliefert hatte.

Während in der Golfregion die Spannung wegen der Abenteurerpolitik des Saddam-Regimes wächst, erhalten Zollfahnder und Staatsanwälte immer neue Hinweise auf die Verstrickung deutscher Firmen in Rüstungsgeschäfte mit dem Irak. Die Beteiligung reicht offenkundig von der Hilfe beim Bau der Atombombe bis zur Errichtung von Kanonen- und Munitionsfabriken.

Weltweit gerät jetzt die Bundesregierung mit ihren laschen Gesetzen und ungenügenden Kontrollen in die Schußlinie. Das Bonner Außenministerium mußte jüngst in einem Gutachten einräumen, daß beispielsweise die Bielefelder Gildemeister Projekta GmbH mindestens in zwei Fällen mit Irak-Geschäften die auswärtigen Beziehungen erheblich geschädigt habe.

Der ostwestfälische Maschinen- und Anlagenbau-Konzern hatte im irakischen Mosul ein zum Teil verbunkertes Rüstungs- und Forschungszentrum errichtet, in dem Saddams Experten von C-Waffen bis hin zu Raketen neues Rüstzeug austüfteln. Seit 1989 ermittelt die Bielefelder Staatsanwaltschaft.

Ende vergangener Woche leitete die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren gegen die rheinische Handelsfirma Export-Union GmbH ein. Sie steht im Verdacht, den Irak mit Spezial-Stahl für die Nukleartechnik beliefert zu haben (SPIEGEL 33/1990).

Auftraggeber für das von der Saarstahl in Völklingen produzierte Material ist die Technical Corps for Special Projects in Bagdad. Sie ist eine Sonderabteilung für streng geheime militärische Vorhaben und untersteht Präsident Saddam.

Einer der vergangene Woche von den ZKI-Fahndern verhafteten W.E.T.-Gesellschafter, der ehemalige BND-Agent Al Kadhi, war schon mal im Knast: Er hatte dem Iran Gasmasken gegen irakisches Giftgas geliefert. Al Kadhi wurde bei einer Irak-Reise verhaftet und zum Tode verurteilt. Erst auf deutsche Intervention kam er frei.

Diesmal wird es leichter, in der Bundesrepublik muß Al Kadhi nicht mit dem Schlimmsten rechnen: Die Höchststrafe für illegale Waffenausfuhren liegt bei fünf Jahren Gefängnis. o

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