AFFÄREN Eine Nummer zu groß
Im Chefzimmer der Stadtsparkasse Hannover ging es hoch her. Mit konventionellen Floskeln hielt sich Generaldirektor Willy Fascher nicht lange auf, als Alwin Becker, Vorstand der Bauträgerfirma Imac AG, am 25. Juni 1975 um einen Kredit von 650 000 Mark einkam.
Fascher drängte den Bittsteller, so jedenfalls berichtete Becker später, seinen Antrag auf 1,05 Millionen Mark zu erhöhen. Von dieser Gesamtsumme nämlich, so habe der Sparkassenfürst geltend gemacht, seien ihm persönlich als Entgelt für geleistete Dienste 400 000 Mark abzugeben, Denn der Generaldirektor war im Nebenberuf Imac-Berater, und die Firma war nicht gut bei Kasse.
»Bewilligt«, vermerkte Fascher auf dem Kreditgesuch. Wenig später nahm er 400 000 Mark in großen Scheinen entgegen.
Nicht nur Bares läpperte sich bei Faschers »Rundum-Service« (Sparkassenslogan). Geschäftsfreunde, denen er zu günstigen Krediten verhalf, erfreuten den öffentlich-rechtlichen Spitzenmanager gelegentlich mit einer Schweizer Uhr (290 Franken), mal mit 3000 Mark für ein neues Jagdgewehr oder schlicht Manschettenknöpfen für 5000 Mark. Zuwendungen von baren 464 000 Mark oder auch nur 64 400 Mark waren schon seltener.
Immerhin ließen Sparkassenkunden. die Grund zu Dankbarkeit hatten, dem Generaldirektor mehr als 1,64 Millionen Mark zukommen, behaupten die Sonderprüfer des Sparkassen- und Giroverbandes im zweiten Teil ihres über 1000 Seiten dicken Berichts, den sie unlängst der Bankenaufsicht vorlegten Der 65jährige Willy Fascher, schon im vergangenen Jahr fristlos entlassen, wurde letzten Dienstag um 7.30 Uhr unter dem Verdacht der Untreue und Bestechung verhaftet.
»Aus Eigennutz und zur Befriedigung seines persönlichen Ehrgeizes«, so heißt es im Haftbefehl, habe Fascher gemeinsam mit anderen seinem Institut in mindestens drei Fällen einen »vorläufigen Gesamtschaden« von 50,5 Millionen Mark zugefügt.,. Weitere Untreuehandlungen« summieren sich zu einem »vorläufigen Schaden von insgesamt 83,941 Millionen Mark«.
Der tatsächliche Schaden ist wohl weit höher. Zu den mehr als 210 Millionen Mark Forderungen aus der Ära Fascher bemerken die Sonderprüfer: »Die Schuldner sind zum großen Teil entweder zahlungsunfähig oder zahlungsunwillig.«
Dieses recht eindrucksvolle Ergebnis schaffte Willy Fascher, vom Buchhalter und Kassierer mühsam zum Vorstand aufgestiegen, in nur vier Jahren. Erst im Herbst 1971 war der SPD-Parteibuchbesitzer dank der Hilfe seiner in Hannover überaus einflußreichen Freunde zum Generaldirektor der größten Sparkasse Niedersachsens aufgestiegen.
Sofort wirbelte der Spätentwickler das bislang solide, auf langfristige Anlagen ausgelegte Kreditgeschäft durcheinander. Während sich zwischen 1971 und 1975 das Kreditvolumen um nur 69 Prozent erhöhte, steigerte Fascher die Ausleihung kurzfristiger Gelder um 225 Prozent.
»Die Kreditausweitung wurde sehr forciert«, monieren die Prüfer, vor allem im Bereich der Großkredite. So stieg der Anteil der Kredite über zehn Millionen Mark von 19 auf 40 Prozent.
Insgesamt erhöhte Fascher die Personalkredite, bei denen er -- seine Spezialität -- gar nicht nach dem Verwendungszweck fragte, um 194 Prozent. Die Hälfte aller an Personen, nicht Firmen, ausgeliehenen Kredite über 500 000 Mark waren, so die Prüfer, »nicht gesicherte Kredite«. Dabei haben sich die Kontoüberziehungen »fast verzehnfacht«, der Wertberichtigungsbedarf stieg von 661 000 Mark steil auf 68,2 Millionen Mark.
Bei der »forcierten Kreditausweitung vor allem im Bereich des Großengagements"« heißt es im Prüfungsbericht weiter, wurden nicht selten »Gesetz und Satzung verletzt und eine ausreichende Vorprüfung und Überwachung außer acht gelassen«.
Der Leiter der Kreditüberwachung der Stadtsparkasse etwa bekam bei Millionenkrediten weder Auskunft noch Akteneinsicht. Sie seien allein Vorstandssache, wurde er belehrt, und für ihn »eine Nummer zu groß« (Prüfungsbericht zwei, Blatt 425).
Begonnen hatte alles damit, daß der Mitgründer der Imac-Gruppe, Horst Giese, den just zum Generaldirektor beförderten Fascher zu »gemeinsamen Gewinngeschäften« einlud. »Ich nehme Sie darin als Partner mit, und wir brauchen weder Almosen noch unzumutbare Angebote«, schrieb Giese an Fascher: »Wir haben keine Angst, und gemeinsam sind wir stark.«
Zunächst freilich erstarkte durch diese Verbindung nur Gieses Kredit. Er nahm von kümmerlichen 3,7 Millionen Mark rasch auf 27 Millionen zu. Ein anderer Imac-Gesellschafter, der Faschers Vorgänger lediglich für 1,5 Millionen gut war, genoß bald über 12 Millionen Mark Kredit.
Die Herren zeigten sich erkenntlich. Fascher wurde in der Imac-Gruppe gleich dreifach Aufsichtsras-Vorsitzer und bekam, vorerst bis 1980, Berater-Verträge, die ihm ein Zubrot von 9000 Mark im Monat einbrachten.
Damit hatte er gleich zwei zwingende Vorschriften verletzt: Er hätte sich seine Nebentätigkeit genehmigen lassen und sich bei den Imac-Kreditgeschäften heraushalten müssen. Doch dazu hatte Fascher offenbar weder Lust noch Laune.
Die Geschäfte mit den großzügigen Freunden liefen beispielsweise so: 1972 verkaufte die Sparkasse die ihr gehörende Opernkonditorei an der Georgstraße, für die andere Interessenten in bar 5,5 Millionen Mark geboten hatten, für nur 5,2 Millionen Mark an die Imac -- weil Bares rar war auf Kredit.
Für die Imac war es eine Okkasion, als sie das renommierte Objekt rund zwei Jahre später für sieben Millionen Mark an die Gründer der Frankfurter Diamantenbörse, Josef Orgler und Anita Mikulski, losschlagen konnte. Dem Kreditausschuß der Sparkasse indes, der über die Sache zu entscheiden hatte, nannte Fascher einen Kaufpreis von acht Millionen -- eine Million zusätzlich hatte er den neuen Freunden aus Frankfurt, wie ein Staatsanwalt spottete, »als Fahrgeld« verschafft.
Mit einem »handgearbeiteten Likör-Set aus Rußland, welches in Silber -- vergoldet -- emaillierter Ausführung ist«, hatte sich das Frankfurter Diamantenpärchen Orgler und Mikulski im November 1974 bei dem Sparkassenchef eingeführt.
Willy Fascher nahm das Stück naiv »als Willkommensgruß«. Die »Überraschung ist Ihnen vollkommen gelungen«, schrieb er und gab sich bescheiden: »Ist das nicht des Guten zuviel?«
Immerhin, die beiden Spekulanten hatten sich für Fascher als kreditwürdig erwiesen. Er spendierte sofort drei Millionen Mark als Betriebsmittelkredit, den Orgler und Mikulski dringend gebrauchen konnten. Bereits vier Monate später wurde er auf fünf Millionen erhöht.
Außer den acht Millionen für den Erwerb des Operncafés und 1,53 Millionen für ein weiteres Hannover-Objekt spendierte Fascher der Diamimpex GmbH, einer anderen Orgler-Mikulski-Adresse, noch einmal 7,6 Millionen Mark. Die sich häufenden Anfragen Frankfurter Banker, ob denn die Sparkassenschecks, mit denen das bereits als insolvent verrufene Diamanten-Duo plötzlich wieder zahlte, gedeckt seien, beunruhigten den Sparkassenchef nicht.
Fascher düpierte dabei die Bankenaufsicht: Die Millionenkredite, die der Zentralbank regelmäßig gemeldet werden müssen, wurden, so der Prüfungsbericht, in kleinere Beträge gesplittet. Die gesetzwidrig happenweise auf aller-Iei Briefkastenfirmen aufgeteilten Einzelkredite waren in Wahrheit ein einziger dicker Brocken.
Immer wenn Kredite fällig wurden, stopften die Konzernherren die Löcher mit neu aufgenommenen Geldern, die Fascher bereitwillig an immer neue Imac-»Satelliten« (Prüfungsbericht) ausreichte. Ging ihnen das Geld aus, reichten sie cern Bündel von Wechseln ein, die Willy Fascher laut Bericht stets mit der Order versah: »Ankaufen. F.«.
Willy Fascher ließ auch sieh selber nicht verkommen. Seine »finanztechnische Beratung« beim Imac-Objekt »Hertie am Raschplatz« etwa wurde mit 33 300 Mark honoriert, Mehrwertsteuer inbegriffen. »Dadurch konnte«, lautet sein Vermerk auf der Rechnung, »eine wirtschaftliche Konstruktion für das gesamte Bauvorhaben erreicht werden.«
»Für die Beratung bezüglich Neufassung des Vertrages Kaiser's Kaffeegeschäft in bezug auf Bau- und Finanzfragen« liquidierte der Generaldirektor 11100 Mark. Andere Großkunden ließen »für die Vermittlung eines Käufers« Frau Adala Fascher beiläufig 10 000 Mark zukommen und honorierten nach den Ermittlungen der Prüfer dieselbe Dienstleistung mit demselben Betrag auch gleich noch Faschers Kreditvorstand Horst Bresemann.
Besonders apart fanden die Sonderprüfer, wie sich der Sparkassenchef beim Ausbau seiner alten Jagdhütte in Eschede bei Celle half. Dort kaufte er zunächst 7533 Quadratmeter Baugelände für zweimal 30 132 Mark -- einmal »offiziell«, wie Fascher auf einem Merkzettel notierte, das zweitemal »als Schwarzgeld«.
Dann ließ er laut Prüfungsergehnis zu Gesamtbaukosten von 326 340 Mark eine Jagd-Unterkunft durch die Intercontract GmbH errichten. Doch die Baufirma, eine echte Imac-Tochter, belastete nicht Fascher mit dem vollen Betrag, sondern rechnete 136 943,55 Mark auf ein von ihr betreutes Bauobjekt in Garbsen bei Hannover ab. Faschers Escheder Alarmanlage, 1600 Mark, wurde unter Konto »Neubau Zweigstelle Bahnhofstraße« zu Lasten der Stadtsparkasse verbucht.
Versteht sich, daß Fascher auch seine Sippe, Sohn und Schwiegersohn, bei Geldgeschäften mit Gebührenerlaß und Sonderkonditionen verwöhnte.
»Dummes Gerede«, meinte Fascher, als dem CDU-Ratsherrn Rainer Beckmann, von Beruf Schornsteinfeger, als Neuling im Kreditausschuß ("im Anfang verstand ich nur Bahnhof") auffiel, daß da die »Millionen-Kredite im Intercity-Tempo vergeben wurden«.
Eigentlich hatte Fascher »aus Gesundheitsgründen« ausscheiden wollen. Aber bevor am 2. Februar 1976 der Verwaltungsrat tagte, räumte er vormittags von seinen Girokonten und 13 Sparbüchern alles ab: 247 130,79 Mark.
Am selben Tag auch schenkte Willy Fascher seine Escheder Jagdhütte, notariell deklariert mit 75 000 Mark. nach Ansicht der Sonderprüfer aber »mehr als 500 000 Mark wert«, seinen Kindern. Gegen seine fristlose Entlassung prozessierte der Geschaßte ungebrochen bis vors Oberlandesgericht.
Auch als das Finanzamt Hannover-Süd von ihm eine Steuernachzahlung von 500 000 Mark forderte, blieb der Ex-Generaldirektor gelassen. »Ich, der Rentner Willy Fascher«, so versicherte er darauf in seinem persönlichen Konkursantrag, besitze -- die 500 000 Mark fürs Finanzamt ungerechnet -- nichts als 900 000 Mark Schulden.
Fascher habe »seine Vermögenswerte beiseite geschafft und dem Zugriff seiner Gläubiger entzogen«, formulierte Haftrichter Kaiser und vermutete, daß »nicht unerhebliches Barvermögen auf Auslandskonten« liege.
Fascher, dem nach dem Ergebnis der Sonderprüfung bis zu zehn Jahre Freiheitsstrafe drohen, wurde wegen Fluchtverdacht verhaftet.