Zur Ausgabe
Artikel 23 / 85

TOURISMUS Einfach Spaß

Mit der geplanten Beteiligung an dem Reiseveranstalter Tjaereborg rückt die Charterflugfirma LTU immer näher an den Branchenführer TUI heran. *
aus DER SPIEGEL 30/1986

Horst Riedel ist ein unauffälliger Mann. Er arbeitet in einem bescheidenen Büro in der Nähe des Duisburger Stadtwaldes und meidet Auftritte in der Öffentlichkeit. Dabei könnte der verschlossene Rechtsanwalt allerlei erzählen: Schließlich dirigiert er mit der Düsseldorfer Charterfluggesellschaft LTU einen der wichtigsten Reiseveranstalter der Bundesrepublik.

Die Verschwiegenheit, die Horst Riedel auch seinen Managern auferlegt, führt zuweilen zu skurrilen Situationen. Als in der Tourismusbranche vor ein paar Wochen gewispert wurde, die LTU wolle sich an dem deutschen Reiseveranstalter Tjaereborg beteiligen, blockte LTU-Geschäftsführer Wolfgang Krauss ab: »An den Gerüchten ist nichts dran.«

Bald darauf mußten die LTU-Manager zugeben, daß doch was dran ist. Das Lufttransport-Unternehmen bestätigte, daß es mit dem Tjaereborg-Eigentümer Allkauf Reisen über eine Beteiligung verhandelt.

Die Geheimniskrämerei hat gute Gründe. Durch die Verbindung mit Tjaereborg wird die LTU-Gruppe zum drittgrößten Reiseveranstalter in der Bundesrepublik. Größer sind dann nur noch der Branchenführer Touristik Union International (TUI), mit dem 28 Prozent aller deutschen Pauschalurlauber verreisen, und die Karstadt-Tochter NUR Touristic, die einen Marktanteil von 15 Prozent hält.

Mit der Größe aber, so ahnen wohl die LTU-Manager, wächst auch der Widerstand der Konkurrenz. »Uns gefällt das nicht«, gibt Wolfgang Beeser, Touristikchef von NUR, unumwunden zu.

Vor allem in Düsseldorf, dem Flughafen mit dem höchsten Touristenaufkommen der Republik, wird die neue Macht, die jährlich 2,4 Millionen Urlauber transportiert, zu spüren sein. Schon jetzt hebt dort mehr als die Hälfte aller Charterpassagiere mit einer LTU-Maschine ab. In Zukunft, so fürchtet Beeser, könnte die LTU in der rheinischen Metropole »eine Art Monopol erobern.

Der Ausbau der LTU zu einem Touristikkonzern geht in stiller Beharrlichkeit vonstatten. Bereits Anfang der sechziger Jahre kaufte der damalige Geschäftsführer Ernst-Jürgen Ahrens den Reiseveranstalter Transair. Ein paar Jahre später gründete LTU die Hotelvermittlung Jet & Bett, die den Reisebüros zusätzlich zu den LTU-Tickets Hotelzimmer an die Hand geben sollte. 1982

übernahm die Flugfirma die Münchner Jahn Reisen. Für die Ferntouristik wurden Meier's Weltreisen aufgebaut.

Das Zentrum der LTU-Gruppe, die inzwischen jährlich etwa eine Milliarde Mark umsetzt, blieb freilich stets der eigentliche Charterflugbetrieb. Die Gesellschaft, die im Rheinland voller Stolz als »nationaler Carrier« bezeichnet wird, ist bundesweit zum zweitgrößten Charterflugunternehmen aufgestiegen.

Die LTU trifft offenkundig den Geschmack ihrer Kundschaft, indem sie billige Flugpreise mit dem Gefühl der Individualreise kombiniert. Anders als die Lufthansa-Tochter Condor oder der Branchendritte Hapag-Lloyd, die ihre Jets en bloc an die großen Reiseveranstalter verchartern, betreibt die Firma eine Art Linienverkehr. LTU stellt einen eigenen Flugplan auf und bietet dann den Reiseveranstaltern Plätze an. Der Vorteil für die LTU: Sie ist nicht auf Gedeih und Verderb den Reisekonzernen ausgeliefert und kann die einzeln gebuchten Plätze teurer verkaufen als die Chartertickets.

Auch die Konzentration auf das Rheinland hat sich bewährt. Während andere Gesellschaften mit ihren Flugzeugen ein weitmaschiges Netz bedienen, pendeln die LTU-Maschinen fast nur zwischen Düsseldorf und den Zielflughäfen hin und her. Das erhöht die Auslastung und spart Kosten.

Da die Jets in der Regel jeden Abend in die LTU-Halle zurückkehren, können sie in der Nacht gewartet werden und sind den ganzen Tag über einsatzbereit. Außerdem entfallen Übernachtungsspesen für die Crews.

Am auffälligsten spart die LTU bei den Personalkosten. Dieser Posten, der bei der Condor gut 20 Prozent der Gesamtkosten ausmacht, erreicht bei LTU gerade zehn Prozent.

Das liegt vor allem daran, daß die LTU pro Maschine nur fünf Besatzungen einstellt. Bei der Condor dagegen kommen bis zu acht Crews auf ein Flugzeug. Daß die LTU-Maschinen trotzdem nicht weniger fliegen, hat einen einfachen Grund: Die Piloten machen reichlich Überstunden. Trotz der Zuschläge ist dies billiger als zusätzliches Personal.

Den spitz rechnenden LTU-Managern ist das allerdings noch nicht billig genug. Als die Gesellschaft im April dieses Jahres ihre Flotte erweiterte, lieh sie sich das Cockpit-Personal von einem Zeitarbeit-Unternehmen. Die Leih-Piloten nämlich verdienen weniger als die durch Tarifverträge abgesicherte Stammbelegschaft. »Letzter Tarifvertrag uninteressant«, übersetzen LTU-Piloten zuweilen die Initialen ihres Unternehmens.

Doch das ändert nichts an ihrem Einsatz für die Firma. Wenn etwa LTU-Piloten irgendwo auf der Welt gemeinsam mit einem Lufthansa-Kollegen auf die Starterlaubnis warten, legen sie ihren ganzen Ehrgeiz darein, als erste von der Rollbahn abzuheben. Den großen Bruder abzuhängen »macht uns ganz einfach Spaß«, sagt ein LTU-Pilot.

Beim Fluggerät braucht die LTU den Vergleich mit anderen Gesellschaften nicht zu scheuen. Die Flotte besteht ausschließlich aus Lockheed-TriStars. Die dreistrahligen Großraumjets mit Rolls-Royce-Triebwerken fressen wenig Sprit und gelten, für Charterverhältnisse, als sehr komfortabel.

Als die LTU 1973 den ersten TriStar anschaffte, besorgte sie sich das notwendige Geld auf unkonventionelle Weise. Sie finanzierte das Flugzeug, ebenso wie zwei weitere Maschinen, über den Kölner Abschreibungsexperten Erwin Graebner.

Luftfahrt-Experten hielten die Anschaffung eines Großraumflugzeuges mit mehr als 300 Plätzen damals für allzu riskant und prophezeiten das baldige Ende der LTU. Doch mit den sparsamen TriStars stieg die LTU erst richtig auf.

Den Aufschwung steuerte zunächst Ahrens, in der Branche »Mister LTU« genannt. Der ehemalige Pilot, dem auch ein Sechstel der Firma gehörte, starb 1980 an einer Gelbsucht.

Im Hintergrund jedoch wirkte stets Horst Riedel mit. Der Hobby-Flieger verwaltet jene 75,1 Prozent der LTU-Anteile, die der Duisburger Architekt und Bauunternehmer Kurt Conle seiner Witwe samt seinen drei Töchtern hinterließ. Conle, zu dessen Besitz auch Bauträgergesellschaften und Sanierungsunternehmen sowie etwa 5000 Wohnungen gehören, hatte Riedel zu seinem Testamentsvollstrecker eingesetzt.

Riedel verband sich mit der Conle-Witwe und setzte das Wirken des flugbegeisterten

Architekten zielstrebig fort. Zunächst machte er die LTU in Düsseldorf so stark, daß sie dort nicht mehr zu verdrängen war. Dann konzentrierte er sich auf den Ausbau des Regionalcarriers zu einem bundesweiten Transport- und Reiseunternehmen.

Nach dem Kauf der Münchner Jahn Reisen begannen Riedel und der heutige LTU-Geschäftsführer Wolfgang Krauss mit dem Aufbau der Lufttransport Süd (LTS), einer Schwestergesellschaft der LTU in München.

Schon damals spielte der Tjaereborg-Eigner, die Warenhaus-Kette Allkauf, eine wichtige Rolle. Die Flugzeuge, die für die LTS fliegen, kaufte Riedel bereits gemeinsam mit Allkauf.

Nach der Übernahme der Tjaereborg Reisen von Allkauf hat Riedel schon das nächste Ziel vor Augen: Demnächst soll mit der LTU Espana ein neuer Süd-Stützpunkt errichtet werden.

Zur Ausgabe
Artikel 23 / 85
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren