FEINDVERMÖGEN Einschließlich Klappzylinder
Der Auktionator der Londoner Firma Messrs. Hawkings & Son verzog keine Miene. Mit spitzen Fingern hob er in Londons Lisson Grove Street den Katalogposten Nr. 135 - Stoffreste, Frauenschürzen, Spitzenflicken und Damenunterwäsche - in die Höhe.
Zum Ersten, zum Zweiten und zum Dritten: Für vier Pfund Sterling und fünf Shilling ging das Unterwäsche-Bündel weg. Zweihundertfünfunddreißig Privatutensilien deutschen Eigentums, beschlagnahmt auf Grund des britischen Gesetzes über Handel mit dem Feinde 1939, wurden am 26. September 1950 in London versteigert.
Vom Perserteppich bis zum feindlichen Klappzylinder brachten Hawkings & Son, ein führendes Unternehmen ihrer Branche, die gesamte Wohnungseinrichtung des einmal gepflegten deutschen Einfamilienhaushaltes London NV 1, Clifton-Hill 35, unter den Hammer.
In der bescheiden möblierten Mietstube der Frankfurter Goethestraße 9 strich Baron Constant Pilar von Pilchau, 63 Jahre alt, zur gleichen Zeit drei dicke Bündel Korrespondenz 1939 bis 1950 in die Schublade: »Aus und vorbei.« Er wird seine stilvolle Wohnungseinrichtung aus Clifton Hill 35 nicht wiedersehen, der frühere Managing Direktor des Norddeutschen Lloyd in London.
»Und gerade jetzt sollte doch der Friedensschluß mit den Alliierten kommen«, resigniert die Baronin, Beide waren während des Krieges in England interniert und wurden 1945 nach Deutschland abgeschoben. Ihr beschlagnahmtes Vermögen blieb zurück.
Seitdem lebten sie praktisch in der Hoffnung auf die Verwertung ihres Besitzes in England. Sie brachten sich mit Hilfsarbeiten als Uebersetzer, Hauslehrer und schließlich als Vertreter eines Bremer Ex- und Importhauses durch die Nachkriegsjahre.
Am 2. Juni 1950 kam Post aus England. Das britische Wirtschaftsministerium schickte den Eheleuten von Pilchau folgende Kriegserklärung in die möblierte Stube:
»Wobei im Hinblick auf obige Bestimmungen Constant Pilar von Pilchau und Baronin Janina Pilar von Pilchau, die, wie anzunehmen ist, zur Zeit in Deutschland ansässig sind, als Feinde im Sinne des obigen Gesetzes zu behandeln sind..
Deswegen bestimmt das Wirtschaftsministerium gemäß ihm erteilter Vollmachten laut Gesetz von 1939, daß das Recht, die Sachen zu transferieren, Charles Alan Slatford, Lacon House in London, Treuhänder für England, zu übertragen ist, gemäß obigem Gesetz, und daß der genannte Treuhänder das Recht hat, die Sachen oder Teile derselben zu verkaufen.«
Hawkings & Son brachten von Pilars Habe nicht in ihrem eleganten Saal des Londoner Westends zum Verkauf. Hinter der Station St. Marylebone, in einer Slum-Gegend, ließ sich das unauffälliger machen. Für diesen stillen letzten Akt mußten unter Bettwäsche und persönlichster Bekleidung auch die Hosen des Herrn von Pilar herhalten, Reithosen.
Der erste Akt dagegen vollzog sich 1939 in voller völkerrechtlicher Legalität und Oeffentlichkeit. Die staatlichen Dienststellen kannten das noch vom letztenmal: In allen kriegführenden Ländern wurde das Feindvermögen beschlagnahmt, blockiert und unter Kontrolle gehalten. Erst mit dem Herunterrasseln des eisernen Vorhangs begann dann bei Kriegsende der Tragödie zweiter Teil.
Schon als 1944 der Morgenthau des sicheren Sieges auf Frankreichs Schlachtfelder niederging, tauchte zum erstenmal schriftlich der Gedanke auf, das deutsche Auslandsvermögen, einschließlich allen Privatbesitzes, nach Kriegsschluß einzukassieren. In den Morgenthau-Grundsätzen, die im September 1944 von Präsident Roosevelt und Premierminister Churchill gebilligt wurden, hieß es unter anderem:
Fünftens, Rücklieferung und Wiedergutmachung
a) durch Rückgabe von Eigentum, das die Deutschen aus den von ihnen besetzten Gebieten weggeführt haben ...
b) durch die Uebertragung deutscher Gebietsteile und darin gelegenen deutschen Eigentums industrieller Art ...
c) durch die Demontage und Verteilung von Industrieanlagen und industrieller Ausrüstungen ...
d) durch deutsche Zwangsarbeit außerhalb Deutschlands,
e) durch die Liquidierung aller deutschen Vermögenswerte im Ausland, gleichgültig, welcher Art sie sein mögen.
Morgenthaus Punkt »d«, die Verschickung deutscher Zwangsarbeiter ins Ausland, fiel ins Wasser. Aber sein Vorschlag »e« wurde durchgeführt. Internationale Juristen mußten 1945 umlernen. Wo sie nach Beendigung des Krieges wie meist nach 1918 Aufhebung der Beschlagnahme und Rückgabe der Vermögen an die deutschen Eigentümer erwarteten, wurden die Häuser, Grundstücke, Wertpapiere, Beteiligungen, Bankkonten, Bargeld und das Mobiliar fast überall zugunsten der Siegerstaaten enteignet und liquidiert.
Auslandsvermögende Deutsche wurden arm wie Kirchenmäuse.
Am 14. Januar 1946 schlossen die 19 gegen Deutschland kriegführenden Staaten in Paris ein Reparationsabkommen, das den großen Drei mit 27,8 Prozent für England, 22,8 Prozent für Frankreich und 11,8 Prozent für USA die Verteilerschlüssel zur deutschen Reparationskammer aushändigte. Für die Abwicklung gründeten die beteiligten Nationen die Interalliierte Reparations Agentur (IARA) in Brüssel.
Ein großer Teil der Werte war in dem turbulenten Jahr 1945 schon vor der Gründung der Agentur auf die Seite geschafft worden.
Als Hauptposten aber fungierten in der IARA-Bilanz seit 1946, was in Deutschland kaum ein Mensch erfuhr, die Vermögen deutscher Kaufleute und Privatpersonen im feindlichen und auch im neutralen Auslande. Brüssel veranschlagte sie nach eigenen, viel kritisierten Berechnungsformeln, auf 293 Millionen Dollar, gegen 147 Millionen für Demontage-Reparationen an Ort und Stelle in Deutschland.
Deutsches Geld, wie es die Siegerstaaten nach dem ersten Weltkrieg in Versailles beschlossen, nahmen sie diesmal nicht. Sie hielten sich an Sachwerte. Und hierbei gelten die deutschen Auslandsvermögen als sicherste Reparationsquelle. Sie werden von deutscher Seite auf 5 bis 10 Milliarden DM geschätzt. Zu über 90 Prozent bestehen sie aus privatem Eigentum.
Auf der Pariser Konferenz 1946 wurde versucht, die fehlende oder zumindest angezweifelte völkerrechtliche Handhabe durch die Proklamation zu ersetzen: »Das deutsche Auslandsvermögen wäre unter Umständen geeignet, eine Gefahr für den Weltfrieden zu bilden und könnte einen erneuten deutschen Angriff unterstützen.«
Und dann ging's los.
Bauernhöfen an der holländischen Grenze, deren Felder auf holländischem Gebiet lagen, wurden die Wiesen und Aecker enteignet und liquidiert. Die Höfe blieben ohne jede Existenzgrundlage. Das Recht der freien Bewirtschaftung war den Grenzbauern im Vertrag von Meppen, abgeschlossen am 2. Juli 1824 zwischen dem damaligen Königreich Hannover und dem Königreich der Niederlande, feierlich zugesichert worden.
Deutsche Eisenbahnwaggons, die nach Kriegsende im internationalen Verkehr wieder ins Ausland rollten, wurden in Frankreich, Belgien und England beschlagnahmt. Manche kehrten nie zurück.
Länder, die in Paris nur eine geringe Prozentquote erzielt hatten, legten keinen Wert darauf, aus dem beschlagnahmten deutschen Vermögen viel herauszuholen. Dadurch wurde ein großer Teil der Objekte für ein Margarinebrot verkauft.
So ging in Tanganyika eine beschlagnahmte deutsche Farm, die ihre 200000 Pfund wert war, für ganze 5000 Pfund weg. An einen Beamten der zuständigen Treuhandstelle für konfiszierte Vermögen.
Auch die Neutralen hielten sich nicht aus dem Run auf deutsches Eigentum heraus. Im Frühjahr 1946 unterbrach der schweizerische Rundfunk plötzlich sein Unterhaltungsprogramm und gab eine wichtige Suchmeldung durch. Auf der Straße zwischen Genf und Bern sei eine Diplomatenmappe verlorengegangen. Sie gehörten zum Gepäck des Schweizer Sondermissionärs Dr. Walter Stucki, der gerade per Flugzeug aus Washington in die Schweiz zurückgekehrt war.
Rechtsempfindlichen Eidgenossen wäre es heute lieber, die Mappe hätte sich nie angefunden. Sie enthielt das Washingtoner Abkommen, in dem sich die Schweizer Regierung verpflichtet, das private deutsche Eigentum in ihrem Lande zu liquidieren und den Erlös zu 50 Prozent an die IARA abzuliefern.
Dr. Stucki hatte seine Unterschrift nur schweren Herzens unter das Dokument gesetzt.
»Der Druck, der auf die Schweiz ausgeübt wurde, war nahezu erpresserisch«, schrieb hinterher die Washingtoner Wochenschrift Human Events. »Schweizerische Guthaben (4,4 Milliarden Franken) in den USA waren blockiert und Schweizer Firmen standen auf einer schwarzen Liste, die unsere Regierung erst dann aufzugeben bereit war, nachdem das Abkommen von Minister Dr. Stucki unterzeichnet worden war.«
Die Washingtoner Humanisten konnten sich die Bemerkung nicht verkneifen: »Sicher ist, daß der kommunistischen Enteignungspraxis hier ein sehr ernsthaftes Kompliment gemacht wird.«
Während die Schweiz aber auf einer Entschädigung der deutschen Eigentümer bestand und nach Unterzeichnung des Abkommens in der Praxis Gründe genug fand die endgültige Liquidierung bis heute hinauszuzögern, beeilte sich das neutrale Schweden, den großdeutschen Ausverkauf durchzuführen. Dazu führte die Regierung ein Zwangs-Clearing-System ein, das ähnlich auch in England praktiziert wird.
Danach wird in verlängerter Sippenhaftung alles deutsche Vermögen benutzt, um die Vorkriegsansprüche schwedischer Gläubiger gegenüber deutschen Firmen zu befriedigen Das Vermögen eines deutschen Importkaufmanns in Oslo wird also wahllos zur Bezahlung von Schulden irgendeines Deutschen verwendet, den der Zahlende nie im Leben gesehen hat.
Schwedens Treuhandstellen verfahren dabei sehr großzügig. So werden Besitzern von Titeln der Young- und Dawes-Anleihe die Stücke samt Zinsen bereits auf Jahre im voraus ausbezahlt, obwohl die Anleihe noch bis 1988 läuft.
Aber Schweden steckt per Saldo wenigstens keinen Gewinn ein. Generalissimus Francisco Franco, der ums Haar Achsionär der Hitlerischen Europa-Firma geworden wäre, hat da weniger Hemmungen. Obwohl er gern in Interviews versichert, wie unangenehm Spanien die Unterzeichnung des Washingtoner Abkommens gewesen sei, steckt er laufend ein Viertel der deutschen Liquidationserlöse ein. Drei Viertel gehen zur Verteilung an die Brüsseler Agentur.
Dabei gibt es auch Ausnahmen und Lockerungen. So hat unter anderem die Regierung von Uruguay im April 1950 beschlossen, alles deutsche Privateigentum zurückzuerstatten. Am 4. Oktober 1950 wurde in Mexiko verfügt, daß 45 deutsche Kaffeeplantagen an ihre Eigentümer zurückgegeben werden. Die 15 Millionen Pesos allerdings, die in den Nachkriegsjahren unter der Regierungs-Treuhänderschaft aus den Plantagen herausgewirtschaftet wurden, sollen zur Finanzierung einer mexikanischen Autostraße verwendet werden.
Die geschätzten 5 bis 10 Milliarden DM enthalten nur tatsächlich verfügbare Werte, immaterielle Güter sind in dieser Summe nicht eingeschlossen. Senator Gustav Harmssen beziffert in seiner 1948er Ministerpräsidenten-Denkschrift die Auslandsguthaben mit 9,75 Milliarden Mark. Den Wert der deutschen Patente, Betriebsgeheimnisse usw. veranschlagt er auf über 12 Milliarden.
Neben diesen Zahlen, die in der internationalen Diskussion deutscherseits ebenso markig nachgesungen werden wie Harmssens in Wandervogeljahren gedichtete »Blauen Dragoner, die reiten«, sind die deutschen Auslandsmarken und Warenzeichen gar nicht in Mark und Pfennig auszudrücken.
Auch die Marken fielen meist unter die Beschlagnahmebestimmungen und wurden an ansässige Firmen oder frühere Auslieferungs- und Montagebetriebe deutscher Stammhäuser verkauft. Oft ist es den deutschen Firmen bei Strafe verboten, ihre Originalerzeugnisse unter der alten Marke zu exportieren. Die neue ansässige Konkurrenz warnt oft genug öffentlich vor »Nachahmungen«.
In Dänemark gingen die weltbekannten Marken der deutschen chemischen Industrie auf die staatliche Gesundheitsbehörde über. In Südamerika wurden Salvarsan-Präparate unter deutscher Marke verkauft, die lebensgefährliche Folgen ergaben.
Frei von Beschlagnahme sind deutsche Warenzeichen nur in Irland, Oesterreich, der Türkei, San Salvador und Uruguay. Alle anderen Länder machen Schwierigkeiten.
Die Firma Zeiss-Opton, Optische Werke Oberkochen GmbH, berichtet: »Eine ungarische Firma vertreibt ihre Menisken-Brillengläser unter dem Zeichen unserer hochwertigen punktuell abbildenden Punktal-Brillengläser. Da sie selbst die Tarnung mit unserer Marke anscheinend noch nicht für ausreichend hält, verbreitet sie unter den Interessenten das Gerücht, es handele sich um während des Krieges nach Ungarn verlagerte Erzeugnisse unseres Werkes.« Das ist kein Einzelfall.
G. M. Pfaff aus Kaiserslautern beschwert sich: »Wir haben in Dänemark den widerspruchsvollen Zustand, daß Nähmaschinen, die die Kennzeichnung »PFAFF"« tragen, vom Erzeuger für seine Ware nicht benutzt werden darf, dagegen benutzt wird von einem Geschäftsmann, der erst seit Kriegsende sich dem Nähmaschinengeschäft zugewendet hat und unter dem bekannten Namen Pfaff mit den Produkten anderer Unternehmer handeln wird.«
Trotz dieser bitteren Umstände schlug die Londoner Trade Mark Protection Society den Markenfirmen zwischen Hamburg und München jovial brieflich auf die Schulter: »Unser Vorschlag an deutsche Staatsangehörige oder Firmen geht dahin, in kühnem und drastischem Entschluß ihre alten Handelsmarken zu vergessen und zu ignorieren und völlig neu anzufangen.«
Heute ist ein Großteil der materiellen und immateriellen deutschen Auslandswerte bereits verkauft. Wehmütig registrieren die Eigentümer in Deutschland, was mit dem Verkaufserlös ihrer Habe geschehen ist. Die Praktiken der ausländischen Liquidatoren erregen in Deutschland manchen Kopfschüttelfrost.
So wurden aus dem Dollarerlös des deutschen Eigentums in den Vereinigten Staaten religiösen Organisationen auf den Philippinen Entschädigungsgelder gezahlt, weil die Japaner während ihrer Besetzung den frommen Sektierern die Fingernägel ausrissen und ihre Organisationen unterdrückten.
Der Hauptanteil der deutschen Dollars aber geht in Amerika an ehemalige kriegsgefangene GIs. Teilweise erhalten die entlassenen Soldaten für jeden Tag ihres Stacheldrahtaufenthaltes in Deutschland oder Japan einen Dollar ausgezahlt. Begründung: Deutschlands und Japans Regierung habe die amerikanischen Soldaten vorsätzlich schlecht verpflegt.
Die deutschen Eigentümer zweifeln nicht an deutschen Verfehlungen während des Krieges. Aber sie sind der Meinung, daß der Grundsatz der Unantastbarkeit des Privateigentums zur Aufrechterhaltung von Treu und Glauben im internationalen Verkehr wiederhergestellt werden müßte. Juristen und Politiker aus aller Welt steifen ihnen dabei den Rücken.
Sir John Simon, oberster Richter der höchsten Berufungsinstanz des britischen Commonwealth, der öffentlich fast immer in Begleitung seiner zierlichen Frau auftritt, erklärte während der englischen Oberhausdebatte über den Gesetzentwurf zur Verteilung des deutschen Vermögens:
»Angeblich gehört all dieses Geld der Regierung und sie ist aus reiner Herzensgüte bereit, den Vorkriegs-Gläubigern etwas von diesem Geld abzugeben. Diese Auffassung bestürzt mich. Seit Hunderten von Jahren war es in keiner Form mehr Bestandteil des Völkerrechts, dem Sieger in einem Krieg zu erlauben, sich das Privatvermögen von Bürgern des Feindstaates anzueignen.«
Auf ähnlicher Grundlage haben sich die betroffenen deutschen Firmen und Privatpersonen im November 1948 zur Studiengesellschaft für privatrechtliche Auslandsinteressen e. V. zusammengeschlossen.
Damals war es noch streng verboten, über Auslandsvermögen auch nur zu korrespondieren. Der Direktor eines großen deutschen Unternehmens büßte seine ersten Anfragen mit Verhaftung und zwangsweiser Entlassung aus dem Vorstand. Er wurde Waldarbeiter.
Noch bis vor wenigen Wochen steckten Beamte der Besatzungsmacht den alliierten Riecher in die Akten deutscher Betriebe und spürten nach Hinweisen auf verborgene Auslandswerte. »Das paßt heute einfach nicht mehr in die politische Landschaft«, konstatiert der Geschäftsführer der Studiengesellschaft, Dr. Ehrenfried Schütte. »In einer Zeit, in der man uns Milliarden schenkt, könnten wir anderseits einige hundert Millionen davon selbst verdienen.«
Denn darüber besteht kein Zweifel: Die deutsche Exportindustrie hätte bei Belassung ihrer Vermögen, Versandhäuser, Marken und Gütezeichen einen wirksameren Start im Ausland gehabt. Auch nach zehn Jahren Abwesenheit ist ein Bayer-Medikament in Südamerika, eine Leica in den Staaten oder ein Mercedes in der Türkei noch ein Begriff.
Während die Bank Deutscher Länder für die Beendigung des Kriegszustandes der Bundesrepublik mit dem Westen die hauptsächlichsten alten Reichsschulden addiert (in tausend):
Dawes Young Konversionskasse
Dollar-Wert | 59663 | 91306 | 20960 |
Pfund-Wert | 16554 | 11174 | 8267 |
Lire-Wert | 77548 | 103903 | - |
Schw.-Fr.-Wert | 11545 | 85826 | - |
Franz.-Fr.-Wert | - 2368969, |
versucht die Bremer Studiengesellschaft in sachlicher Weise zu retten, was zu retten ist.
Bei der gegenwärtigen Schuldfeststellung plädiert sie dafür, gleichzeitig eine statistische Erhebung über die Auslandsguthaben durchzuführen. »Unsere Sofortforderung ist der Liquidationsstop, analog zum Demontagestop, damit erst einmal eine Art Stillhalte-Athmosphäre eintritt«, erklärt Dr. Schütte.
Danach soll eine internationale Sachverständigen-Konferenz unter deutscher Beteiligung zusammentreten, um sich über die Frage der deutschen Schulden, der deutschen Vermögen und der finanziellen Generalbereinigung des ganzen Krieges überhaupt auszusprechen.
»Daß der Private für die Schuld seiner Regierung haftet, das ist etwas völlig Neues«, meint Schütte dazu. »Mit dem Völkerrecht ist das eine wackelige Sache, aber es war bisher allgemein anerkannt, daß private Vermögen für politische Schulden - und Reparationen sind politische Schulden - nicht herangezogen werden können.«
Sehr unbekannt kann das dem Westen gar nicht sein.
Denn irgendwo im großen Aktenbündel schmort eine deutliche Stellungnahme der großen Standard Oil of New Jersey-Gesellschaft über die Beschlagnahme ihrer Maort-Oelwerke in Ungarn:
»Die Kommunisten haben die ausschließliche Verfügungsgewalt über Maort. Die Fortnahme enthüllt deutlich das Verfahren, das die Kommunisten zur Verwirklichung ihrer sogenannten Volksdemokratien anwenden. Menschen- und Eigentumsrechte werden mißachtet. Derartigen Methoden auch nur die geringste Berechtigung zuzusprechen, hieße, die grundlegenden Menschenrechte zu verkennen, aus denen sich die westliche Kultur entwickelt hat.«