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NEUE HEIMAT Ende der Legende

Die Sanierung der Neuen Heimat wird noch Jahre dauern. Um die Verluste zu stoppen, will Unternehmenschef Diether Hoffmann einen Großteil des Firmen-Besitzes verkaufen, darunter 30 000 Wohnungen.
aus DER SPIEGEL 37/1982

Berichte aus der Neuen Heimat, das ist begreiflich, mißfallen dem Firmenchef Diether Hoffmann. Besonders solche, »die angeblich skandalöse Vorgänge aufzudecken meinen« (Hoffmann).

Vor zwei Wochen freilich schickte der Nachfolger des im Februar gefeuerten Albert Vietor seinerseits den siebzehn westdeutschen Gewerkschaften einen Stapel Papier mit enthüllenden Neuigkeiten aus dem Wohnungskonzern. Der Inhalt der Hoffmannschen Bilanz seiner sechsmonatigen Amtszeit: Vietor und Genossen haben, neben ihren sonstigen Verfehlungen (SPIEGEL 6 + 7/1982), die Neue Heimat ein Jahrzehnt so dilettantisch geführt, daß die Sanierung des Gewerkschaftskonzerns noch Jahre dauern wird.

Frühestens 1985, so rechnet Hoffmann, werde der gemeinnützige Zweig des Wohnungsunternehmens (NH) wieder Gewinne erzielen. Für die kapitalistisch arbeitende Neue Heimat Städtebau (NHS) wagt der NH-Chef keine genaue Prognose.

Offenkundig hängt alles davon ab, ob und wann es gelingt, die Folgen von Vietors Größenwahn zu beseitigen. Quer über die Erde verstreut hatte der langjährige NH-Chef weitgehend mit gepumptem Geld ein Immobilien-Imperium gebaut, daß Hoffmann nun Stück für Stück wieder verkaufen muß.

Das Hoffmann-Papier beendet die Legende, derzufolge Albert Vietor, einmal die anrüchigen Privatgeschäfte beiseite, ein überaus befähigter Manager gewesen sei. Aus dem Bericht geht hervor, daß Hoffmanns Vorgänger mit der Führung des größten europäischen Wohnungsbaukonzerns völlig überfordert war.

Auf ständiges Wachstum eingestimmt, wurde der NH-Chef von den Baurezessionen der siebziger Jahre überrollt. Mit hektischen Verkäufen versuchte Vietor, die laufend entstehenden Verluste auszugleichen. Als das nicht mehr gelang, griff er wenig zimperlich zu illegalen Mitteln, die der Neuen Heimat noch viel Verdruß bringen können.

Mitte der siebziger Jahre begann Vietor offenbar den Ernst der Lage zu begreifen. Er verkaufte große Objekte der NHS wie die City-Galerie in Aschaffenburg und das Olympia-Einkaufszentrum in München. Als das nicht reichte, halste Vietor der gemeinnützigen NH, die zum Bau preiswerter Sozialwohnungen verpflichtet ist, Grundstücke der NHS-Tochterfirma Bewobau zu überhöhten Preisen auf.

Derlei Geschäfte, die eindeutig das Wohnungs - Gemeinnützigkeits - Gesetz (WGG) verletzen, wurden auf verschlungenen Pfaden abgewickelt. Einige Transaktionen sind so unklar, daß sie für Hoffmann trotz monatelanger Recherche »nicht mehr nachvollziehbar« blieben. Klar ist nur, daß die seltsamen Geschäfte wieder rückgängig gemacht werden müssen und die NHS runde 61 Millionen Mark kosten.

In seinen Bemühungen, die Verlustlöcher zu stopfen, hatte Vietor beträchtliche Phantasie entwickelt. Als »die Verluste durch Realisierung von Immobilienreserven nicht mehr abgedeckt werden konnten«, wie es in Hoffmanns Papier heißt, versilberte der stets optimistische Albert Vietor windige Zukunftshoffnungen.

Der NH-Chef verkaufte kurzerhand die »künftigen Gewinnaussichten« von drei Tochtergesellschaften.

( Die Grundstücksfinanz- und ) ( Verwaltungsgesellschaft (GVG), die ) ( Versicherungsvermittlungsfirma VBV und ) ( die EDV-Gesellschaft baudata. )

Da sich offensichtlich kein Fremder fand, der an die blühende Zukunft der Töchter glaubte, griff der NH-Chef auf einen bewährten Trick zurück: Er verkaufte an sich selbst. Offiziell, laut Handelsregister, trug der Abnehmer den klingenden Namen Union Treuhand GmbH & Co. Immobilien-Anlagen-Gesellschaft, kurz IAG, mit Sitz in Frankfurt.

Kommanditisten der Firma, die der konzerninternen Produktion von Gewinnen diente, waren mit jeweils 50 Prozent die NHS und die gewerkschaftseigene Bank für Gemeinwirtschaft (BfG). Als persönlich haftender Gesellschafter traten S.117 die Erfinder des Gewinnspiels auf: Albert Vietor und BfG-Chef Walter Hesselbach. Die IAG kaufte der NHS die Gewinnrechte der drei Firmen sowie eine vierte Tochtergesellschaft, die zentrale NH-Einkaufsfirma Union Baubedarf, für einen dreistelligen Millionenbetrag ab. Geld gab es zwar nicht, aber eine hohe Forderung an die IAG zierte fortan die Bilanz der NHS und sorgte optisch für den Abbau der Verluste. Was die Forderung wert ist, zeigt sich jetzt. Hoffmann muß gut 110 Millionen abschreiben.

Als der NH-Chef schließlich für 1981 Bilanz zog, fehlten 560 Millionen Mark, die nun die Gewerkschaften aufbringen müssen. Zu 306 Millionen Mark Verlust im Inland gesellten sich 254 Millionen im Ausland.

Die schlimmsten Verluste jenseits der Grenzen brachte das NH-Engagement in Frankreich. Für das gigantische Pariser Wohn- und Geschäftsprojekt Passy Kennedy muß Hoffmann nochmals 100 Millionen Mark abschreiben. Das verheerende Ergebnis wird nur dadurch gemildert, daß ein Hotel in Monte Carlo mit gutem Gewinn verkauft werden soll.

Verkaufen und Gesundschrumpfen ist Hoffmanns Leitmotiv für die Rettung des Baukolosses. Auf lange Sicht will der NH-Chef sämtliche Immobilien und Beteiligungen der NHS (Wert: 3,5 Milliarden Mark) loswerden.

Kurzfristig will sich Hoffmann von der IAG mit den daranhängenden Firmen - mit Ausnahme der Versicherungsgesellschaft - trennen. Auch der Verkauf von Fertighäusern soll eingestellt werden.

Wichtiger für das Bilanzwerk der NHS ist der Verkauf der Großprojekte im In- und Ausland. Im Angebot sind vor allem die neue Konzern-Zentrale in Hamburgs Rosenstraße, das Collini-Center und der Fernsehturm in Mannheim sowie die niedersächsische NH-Filiale in Hannovers Hildesheimer Straße.

Radikal will Hoffmann das gesamte Auslandsgeschäft - allein die Filiale in Venezuela könnte 50 Millionen Mark verschlingen - stoppen und sobald wie möglich sämtliche Beteiligungen verkaufen. Langfristig soll die NHS eine reine Dienstleistungsfirma werden.

So teuer die Gesundung der NHS für die Gewerkschaften wird: Öffentliche Aufregung dürfte vor allem Hoffmanns Sanierungsplan für die gemeinnützige NH hervorrufen. Um die Verluste auszubügeln, will der NH-Chef in den nächsten fünf bis sechs Jahren 30 000 Wohnungen verkaufen. Er möchte damit jährlich 120 Millionen Mark einnehmen.

Damit die gewerkschaftliche Basis nicht aufmuckt, sollen die Wohnungen zum einen den Mietern, zum anderen »insbesondere ausgewählten institutionellen Anlegern«, also etwa Versicherungsunternehmen, angedient werden. So möchte Hoffmann den Verkauf an rücksichtslose Spekulanten ausschließen. Ob das am Ende gelingt, scheint zumindest einigen Gewerkschaftern sehr zweifelhaft. Sie haben diesen Punkt des Konzepts bereits heftig kritisiert.

Doch Eile tut not. Da Vietor und seine Vorstands-Kollegen die Grundstücke der gemeinnützigen NH im Wert von 1,9 Milliarden Mark ausschließlich mit fremdem Geld zusammengekauft hatten, drohen die Zinsen die gemeinnützige NH ebenso auszusaugen wie die Schwesterfirma NHS.

Einer, der damals bei den Anschaffungen dabei war, saugt auch noch mit. Vor wenigen Tagen schied Rolf Dehnkamp, seit Februar 1982 beurlaubtes Vorstandsmitglied aus Vietor-Tagen, für eine gute halbe Million Mark Abfindung »im gegenseitigen Einvernehmen« aus den Diensten der Firma aus.

S.116Die Grundstücksfinanz- und Verwaltungsgesellschaft (GVG), dieVersicherungsvermittlungsfirma VBV und die EDV-Gesellschaftbaudata.*S.117In Mannheim.*

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