Raus aus der Abhängigkeit von Moskau und gleichzeitig genug Ersatz für das russische Erdgas beschaffen - das ist der Kurs der Bundesregierung seit Kriegsbeginn in der Ukraine. Schwimmende Schiffsanleger sollen jetzt dabei helfen, die Energiekrise zu entschärfen.
Claus Hecking, DER SPIEGEL Wirtschaft: »Es entstehen im Moment drei LNG-Terminals in Deutschland für diesen Winter und die werden alle auch vorausichtlich in den nächsten Wochen in Betrieb gehen. Ein LNG-Terminal macht Uniper, der Konzern in Wilhelmshaven Uniper, mittlerweile bundesweit bekannt durch seine katastrophalen Verluste, die das Unternehmen erlitten hat, in Folge dieser ausgeblieben russischen Gaslieferung. Das zweite Terminal ist in Brunsbüttel, das baut RWE der andere große deutsche Energiekonzern. Und es gibt noch ein drittes Terminal, das bald eröffnen soll und das ist in Lubmin an der Ostsee und das sind private Betreiber, die das machen.«
Das Terminal in Wilhelmshaven ist seit vergangener Woche fertiggestellt und soll schon ab Januar Gas in das deutsche Pipelinenetz einspeisen. Vollausgelastet sollen die drei Terminals dann etwa ein Fünftel des deutschen LNG-Jahresbedarfs decken. Aber was ist LNG eigentlich genau?
Die Abkürzung LNG steht für 'Liquified Natural Gas' – also verflüssigtes Erdgas. Dazu wird fossiles Erdgas auf minus 162 Grad heruntergekühlt. Bei diesem Prozess wird es nicht nur flüssig, sondern schrumpft auch auf etwa ein 600stel seines Volumens zusammen. So kann es dann in einen Spezialtanker gefüllt werden und aus Exportländern wie den USA, Australien, Katar oder Algerien zu seinem Zielort – dem Terminal – verschifft werden. Dort wird das LNG dann regasifiziert – also wieder in den gasförmigen Zustand gebracht und anschließend in das Fernleitungsnetz eingespeist.
Es bräuchte etwa drei Flüssiggastanker, um den Bedarf Deutschlands für einen Tag zu decken. Die neuen Terminals sollen in Zukunft vor allem vor einseitiger Abhängigkeit schützen.
Claus Hecking, DER SPIEGEL Wirtschaft: »Wenn wir diese LNG-Terminals haben, gibt uns das zumindest eine gewisse Flexibilität, wenn Not am Mann ist, dass wir dann Gas von irgendwo auf der Welt beschaffen können. Oder, wir wollen die ja wasserstofffähig machen, dass wir dann halt den Wasserstoff aus allen möglichen Teilen der Welt herschaffen können. Weil wir werden, auch da sollte man sich keine Illusion machen, in Deutschland aller Wahrscheinlichkeit nach, nicht genug Wasserstoff produzieren können. Und auch in Europa aller Wahrscheinlichkeit nach nicht genügend grünen Wasserstoff produzieren können, um unseren gesamten Bedarf abzudecken, sondern wir werden weiterhin von Energielieferungen aus anderen Ländern, von anderen Kontinenten abhängig bleiben.«
Der Bau neuer LNG-Terminals bedeutet allerdings nicht, dass auch automatisch ausreichend Tanker dort anlegen. Die größten LNG-Käufer auf dem Weltmarkt sind asiatische Staaten wie Japan, Korea oder China. Sie haben in diesem Jahr wegen ihrer Corona-geschwächten Wirtschaft nicht so viel Gas gekauft, wie üblich.
Claus Hecking, DER SPIEGEL Wirtschaft: »Es kann aber sein, dass nächstes Jahr, wenn zum Beispiel die chinesische Konjunktur wieder anziehen sollte, dass dann die Chinesen sagen 'Nee wir brauchen das auch'. Und dass es dann einen knallharten Verdrängungswettbewerb gibt. Und da ist dann auch nicht gesagt, dass wir dann das ganze LNG abkriegen. Sondern diese Staaten in Asien haben oft langfristige Verträge geschlossen mit den großen Herstellern, insbesondere Katar. Und dann könnte es sein, dass die sagen, 'Nee wir geben das nicht ab und wir verkaufen das auch nicht, sondern wir behalten das für uns'. Und dann kann das sein, dass die Preise sehr, sehr hochsteigen und dass wir möglicherweise gar nicht so viel LNG kriegen wie wir uns das wünschen oder vorstellen.«
Schon jetzt war der Bau des Terminals in Wilhelmshaven doppelt so teuer wie ursprünglich geplant. Schwimmende Hafen-Terminals in Form eines sogenannten FSRU-Schiffs sind rar – weltweit gibt es davon nur ein paar Dutzend. Und die Nachfrage steigt. Denn die Schiffsanleger sind im Vergleich zu stationären Terminals eine schnelle Übergangslösung. Nach weniger als 200 Tagen war der Bau in Wilhelmshaven fertig.
Claus Hecking, DER SPIEGEL Wirtschaft: »Das zeigt, man kann auch solche Großprojekte schnell realisieren, wenn der Wille dafür da ist. Und ich würde mir wünschen, dass das bei den Erneuerbaren Energien auch so geht. Da gibt’s immer noch - insbesondere bei der Windenergie - da gibt’s ganz viele Projekte, die haben Probleme mit den Genehmigungen und die Verfahren ziehen sich da teilweise über Jahre hin. Und auch da hat die Bundesregierung gesagt 'Wir wollen das jetzt vorantreiben und wir wollen das jetzt beschleunigen, den Ausbau der Erneuerbaren Energien'. Ja, und dann sollten sie mal tun!«
Später soll es in Deutschland auch stationäre LNG-Terminals geben. Wann das sein soll, ist allerdings noch unklar.